Sie sind der grösste Wasserkraftproduzent in der Schweiz. Wie wichtig ist das Geschäft für Sie?
Wir haben rund 600 Mitarbeitende im Bereich Wasserkraft und investieren nach wie vor substanzielle Mittel in die Erhaltung und den Ausbau der Wasserkraftwerke. Rund 30 Prozent unserer Stromproduktion resultieren aus der Wasserkraft. Insgesamt ist das ein sehr wichtiges Thema für uns.
Aber besonders profitabel ist das nicht.
Bei der Wasserkraft wie auch bei der Atomkraft müssen wir in Jahrzehnten denken. Wenn wir von einem normalen Strompreis ausgehen, also etwa von 50 bis 60 Euro pro Megawattstunde, dann ist es ein grundsätzliches Problem, dass die starren Wasserzinsen viele Projekte schnell unrentabel machen. Die Höhe der Steuern und Abgaben in der Schweiz – inklusive der Wasserzinsen – ist international einmalig. Sie machen etwa 30 Prozent der Gesamtkosten aus und führen dazu, dass Neuinvestitionen in Wasserkraft ökonomisch schwer zu rechtfertigen sind.
Gibt es bei den Wasserzinsen, also der Kommission, die sie als Kommissionär an die Wasserkantone zahlen müssen, keine Chance auf eine Senkung?
Nein, bis 2030 sind sie per Gesetz festgeschrieben, mit 110 Franken pro Kilowatt Bruttoleistung. Daran ist nicht zu rütteln.
Aber bei den derzeit hohen Strompreisen verdienen Sie schon Geld?
Ja, im Moment verdienen sicherlich alle Wasserkraftbetreiber Geld. Grundsätzlich hängt die Profitabilität aber immer von dem spezifischen Werk ab, pauschal kann man das nicht sagen.
Welche Auswirkungen hat das fehlende Stromabkommen mit der EU?
Beispielsweise, dass wir die Energie unseres sehr teuren Pumpspeicherwerks Linth Limmern nur begrenzt dem europäischen Markt zur Verfügung stellen können. Volkswirtschaftlich ist es für die Schweiz ein gutes Werk, aber betriebswirtschaftlich ist das für uns problematisch. Physisch sind wir ans europäische Netz angeschlossen, aber rechtlich ist es extrem komplex und daher kann das Werk in Glarus nicht optimal genutzt werden.
Die Schweiz braucht mehr Strom aus erneuerbaren Energien. Warum wird die Wasserkraft nicht stärker ausgebaut?
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir für die Schweiz feststellen: Die guten Standorte bei der Wasserkraft sind längst belegt. Es gibt bei manchen eine leicht romantische Verklärung der Wasserkraft. Das mag zum Teil berechtigt sein, schliesslich ist sie das Rückgrat unserer Stromversorgung und wird es auch in Zukunft sein. Aber: Die Wasserkraft hat praktisch kein Ausbaupotenzial.
Und doch gibt es einige Projekte.
Ja, es gibt die 15 Projekte des runden Tisches, die zusammen 2 Terawattstunden Strom generieren werden. Aber das ist hauptsächlich eine Verlagerung der Stromproduktion vom Sommer in den Winter, keine zusätzliche Produktion. Das ist auch sinnvoll, keine Frage. Aber stärker ins Gewicht fallen die gestiegenen Umweltauflagen, die zu wegfallenden Kapazitäten führen werden. Wenn wir richtig gut sind, dann schaffen wir es, diese Verluste auszugleichen, so dass die Wasserkraft ihr heutiges Niveau halten kann. Kurz gesagt: Die Wasserkraft wird zwar sehr wichtig bleiben, aber das Ausbaupotential ist beschränkt. Wir brauchen nach unseren Modellen zukünftig 50 Terawattstunden Strom zusätzlich.
Viele Konzessionen laufen in den nächsten Jahren aus. Die Kantone Wallis, Graubünden und Tessin werden dann die Kraftwerke selbst betreiben. Ein Riesenproblem für die Axpo?
Alle Wasserkraftbetreiber in der Schweiz, abgesehen von den Wasserkantonen selbst, werden über die nächsten Jahrzehnte durch die Heimfälle massiv schrumpfen. Für uns bedeutet das einen Wegfall von 30 Prozent unserer Energieproduktion. Hinzu kommt noch der Wegfall der Kernkraftwerke. Beides ist eine tektonische Plattenverschiebung in der Schweizer Stromproduktion. Das ergibt zukünftig eine enorme Fragmentierung der Schweizer Stromproduktion auf Kantons- und Gemeindeebene.
Wann laufen die Konzessionen aus?
Das erfolgt schrittweise, bei der Axpo gibt es eine Häufung ab den 40er Jahren.
Was ist Ihre Antwort auf das sinkende Wasser- und Kernkraftgeschäft?
Wasserkraft hat eine lange Tradition für die Axpo. Wir werden um jede Konzession kämpfen, das ist klar. Wir wollen weiterhin den grössten Beitrag zur Stromversorgung in der Schweiz leisten. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass der heutige Wert der Axpo für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler unserer Eignerkantone erhalten bleibt. Auch deshalb investieren wir so stark in andere Projekte und in eine Diversifikation unseres Portfolios, nämlich in Bereichen, in denen wir schon heute ausgewiesene Kompetenzen haben. Axpo wird in Zukunft anders aussehen.
Im grosse Stil investieren Sie im Ausland. Sollte ein öffentliches Unternehmen nicht insbesondere in die Schweizer Stromsicherheit investieren?
In den letzten zehn Jahren haben wir 70 Prozent der Investitionen in der Schweiz getätigt. Gerne bauen wir mehr hierzulande – kürzlich haben wir ja eine Solaroffensive gestartet. Aber um mehr Investitionen zu ermöglichen, muss die Schweiz die Bewilligungssituation in den Griff bekommen. Dieses Thema ist der grösste Bremsklotz, nicht nur beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Jüngste in der Schweiz gebaute Wasserkraftwerk ist das Kraftwerk Waldemme. Das hat 17 Jahre gedauert und hatte am Ende durch die vielen Einsprachen nur noch die Hälfte der Leistung, die ursprünglich geplant war.
Der Gradlinige
Name: Christoph Brand
Funktion: CEO der Axpo-Gruppe
Ausbildung: Ökonom
Das Unternehmen Die Axpo-Holding mit Sitz in Baden im Kanton Aargau bildet zusammen mit ihren Tochtergesellschaften den Energiekonzern Axpo. Sie ist zu 100 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand und beschäftigt rund 6000 Mitarbeitende. Die Axpo produziert, verteilt und vertreibt Strom und ist im internationalen Energiehandel tätig sowie im Geschäft für Energiedienstleistungen. Rund 30 Prozent der Stromproduktion stammt aus Wasserkraft. International ist die Axpo-Gruppe in rund dreissig Ländern präsent.
Was schlagen Sie vor?
Aus meiner Sicht braucht es eine gesellschaftliche Diskussion, denn einen Kompromiss müssen wir schliesslich eingehen. Wir können nicht gleichzeitig die Klimaziele erreichen, unabhängiger vom Ausland werden, minimal günstige Strompreise haben – und all das ohne einen Zubau im grossen industriellen Stil quasi magisch erreichen. Das wird nicht funktionieren.
Im grossen industriellen Stil, wie weit würden Sie da gehen?
Niemand hat ein Interesse daran, in den besonders schützenswerten Landschaften Produktionsinfrastruktur zu bauen. Die Beispiele, die immer wieder genannt werden, wie etwa die Flutung der Greina-Ebene, das schlägt ja keiner ernsthaft vor. Das ist völlig unnötig und man sollte die Umweltverbände mit solch verrückten Ideen nicht unnötig provozieren. Wir haben genügend Platz für Anlagen, die nicht in den schützenswertesten Gebieten liegen. Wir müssen einfach viel schneller werden im Ausbau, es gibt in der Schweiz sehr viel Potential für Sonne und Wind. Dies gesagt, muss aber auch allen klar werden: Es geht nicht nur alleine mit Dach-Solaranlagen. Eine solche Lösung wäre nicht nur viel zu teuer, sondern auch viel zu wenig «wintersicher», weil Dachanlagen im Flachland vielleicht nur ein Viertel der Produktion im Winter liefern.
Wie langsam ist die Schweiz im Vergleich zum Ausland?
Im Ausland bauen wir einen Windpark innerhalb von rund fünf Jahren. Das ist vielen Ländern noch zu langsam und sie drängen auf kürzere Zeiten. In der Schweiz haben Sie nach vier bis fünf Jahren noch überhaupt nichts erreicht. Das Bonmot, dass die fünfte Landessprache die Einsprache ist, stimmt leider.
Wo sollte man beginnen?
Die Planung, wo denn welche Art von Technologie – etwa Wind, Solar oder Wasserkraft – gebaut werden soll, müsste einen anderen Ansatz nehmen. Aus einer technischen Sicht wäre es sinnvoll, dass dies auf einer nationalen Ebene zusammen mit den Kantonen erfolgen würde und es nicht wie jetzt jeder Kanton für sich plant – und diese Planung dann in den Gemeinden teilweise nicht akzeptiert wird. Die Idee eines nationalen Sachplans wäre sicherlich ein sehr spannendes Thema.
Und wie beschleunigt der Sachplan die Bewilligungen?
Die beiden Punkte ergänzen sich: Wenn ein Gebiet oder Standort im nationalen Sachplan enthalten ist, sollte ein schnelleres Bewilligungsverfahren damit einhergehen. Durch die nationale Interessenabwägung sinkt zudem das Risiko, dass für die Versorgungssicherheit wichtige Projekte aufgrund lokaler Interessen oder Beschwerden scheitern.
Weitere Ideen?
Grosse Investitionen in die Photovoltaik müssen Sie über zwanzig Jahre planen, bei der Wasser- oder Kernkraft noch länger. Ganz wichtig sind darum Eigentumsgarantie und Investitionssicherheit. In Europa sind Eingriffe, etwa die Übergewinnabschöpfung, leider aktuell in Mode – mit der Konsequenz, dass überall dringend nötige Investitionen jetzt wieder zurückgehalten werden.
Die Axpo hat in der Krise einen Milliardenkredit vom Staat erhalten. Sollten dann Krisengewinne nicht auch wieder zurückfliessen?
Wir haben letztlich kein Geld vom Staat bezogen. Und wer definiert denn, was als «Krisengewinn» qualifiziert wird, in welchen Branchen, in welchen Zeiträumen? Wenn Unternehmen nachträglich mit staatlichen Eingriffen rechnen müssen, ist das Gift für Investitionsentscheidungen. Und wir brauchen ja mehr Investitionen in erneuerbare Energien, nicht weniger.