Es hat lange gedauert, doch seit Anfang dieses Jahres bilanzieren die grossen Versicherer nach komplett neuen Regeln in der Rechnungslegung. Ziel der neuen Spielregeln von IFRS 17 sind einheitliche Standards, die eine bessere Vergleichbarkeit von börsenkotierten Versicherungsgesellschaften weltweit ermöglichen. Schon vor Jahren hatten Analystinnen und Analysten bemängelt, was bisher Versicherer unter IFRS 4 berichteten, sei für eine echte Performancemessung unzureichend. Nun wird alles anders.
Marktgerechte Bewertung
Die Methode zur Bewertung von Versicherungsverträgen ändert radikal. Vorher waren die Daten zu Beginn der Laufzeit ausschlaggebend. Unter dem IFRS 17 werden jetzt die Verträge anhand von zukünftigen Zahlungsströmen bewertet, also nach einer Art Discounted-Cashflow-Modell.
Mit der neuen Methode wird die Volatilität im Jahresabschluss einer Versicherungsgesellschaft erhöht. Das Management hat eine marktgerechte Bewertung der Versicherungsverpflichtungen vorzunehmen. Dazu gehört eine Schätzung der zu erwartenden Cashflows. Wichtig ist die sogenannte Contractual Service Margin. Diese bildet den noch nicht realisierten Gewinn ab und dient dazu, eine anfängliche Gewinnerfassung zu vermeiden.
Bisher aggressiv agierende Lebensversicherer, die schon in den ersten Jahren einer dreissig Jahre dauernden Police praktisch alle Gewinne verbuchten, müssen sich nun umstellen und den Ertrag gleichmässiger über die gesamte Laufzeit verteilen. Für die Assekuranz ist der Wechsel zu einer Marktwertsicht ein Paradigmenwechsel.
Die finanziellen und operationellen Auswirkungen variieren je nach Versicherungsgesellschaft. Dabei hat die Einführung von IFRS 17 nicht nur Auswirkungen auf die externe Finanzberichterstattung – betroffen sind auch andere Bereiche wie etwa die IT-Infrastruktur.
Das neue Regelwerk wird auch zu einer intensiveren Überprüfung des gesamten Produktsortiments führen. Unrentable Verträge sind mit den neuen Accounting-Modellen besser sichtbar und können abgestossen werden, um damit die Eigenmittel nicht unnötig erhöhen zu müssen. Zudem werden die Lebensversicherer vermehrt auf Garantien verzichten. Das heisst auch: Der Druck steigt, nur noch profitables Neugeschäft aufzunehmen. Speziell die Datengenerierung gestaltet sich für die Versicherer anspruchsvoll. Insgesamt wird die Umstellung auf IFRS 17 von Schweizer Expertinnen und Experten als «sehr komplex» eingestuft. Damit verbunden ist auch ein hoher Aufwand. Die Einführungskosten werden auf deutlich über 100 Millionen Franken geschätzt.