Die Elefantenhochzeit zwischen UBS und CS beschäftigt die Schweiz. Was bedeutet der neue Bankengigant für die Treuhandbranche?

Durch diese beste aller schlechten Lösungen laufen die Bankgeschäfte so weiter wie bisher. Die Treuhänderinnen und Treuhänder können mit ihren KMU-Kunden sämtliche Geldtransaktionen auch in der neuen Konstellation durchführen.

 

Aber für viele KMU dürfte sich die Auswahl bei den Bankdienstleistungen einschränken. Befürchten Sie mit dieser Konzentration nicht höhere Preise und Gebühren?

Diese ruckartige Fusion zu einer Megabank ist mit einem grossen Vertrauensverlust verbunden. Jetzt gilt es seitens der Bank, das Vertrauen gegenüber den KMU und der Privatkundschaft wieder aufzubauen. Deshalb muss man aus meiner Sicht das Inlandgeschäft der CS abspalten und als eigenständige Einheit weiterführen. Mit diesem Schritt würde sich auch die Konkurrenzsituation verbessern. Natürlich geschieht dies nicht von heute auf morgen. Vorerst wird es wahrscheinlich noch – womöglich – zur Abwanderung von Geschäftskundinnen und -kunden zu anderen Banken kommen, etwa zu den Kantonalbanken oder Raiffeisenbanken.

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In Ihrer Branche übernehmen im Zuge der Digitalisierung immer mehr Softwareprogramme einen Grossteil der manuellen Arbeit in der Buchhaltung und bei den Steuern. Werden Treuhänderinnen und Treuhänder in den Kerndisziplinen bald überflüssig?

Nein, durch die Digitalisierung reduzieren sich datenverarbeitende und automatisierbare Aufgaben. Dafür vertiefen die Treuhänderinnen und Treuhänder ihre Tätigkeiten im Bereich Unternehmensberatung, -begleitung und -Coaching. So überlegen sich heute viele KMU, ob sie überhaupt einen eigenen Chief Financial Officer einstellen wollen oder diese CFO-Funktion an einen Treuhänder auslagern.

 

In welche Richtung verändert sich das Berufsbild der Treuhandbranche?

Die Treuhänderinnen und Treuhänder sind und bleiben Dienstleister in den Bereichen Rechnungswesen, Steuern, Revision, Unternehmensberatung, Personaladministration und Vorsorgeplanung. Sie sind Generalisten. Darüber hinaus müssen sich die Mitglieder unseres Berufsstandes vermehrt auch technisches und IT-Know-how aneignen und sich auf die Analyse von Daten konzentrieren.

Die Generalistin

Name: Daniela Schneeberger
Funktion: Präsidentin Treuhand Suisse, Bern; FDP-Nationalrätin, Kanton Baselland
Alter: 55
Ausbildung: Treuhänderin mit eidg. Fähigkeitsausweis, Steuerexpertin

Verband Treuhand Suisse vertritt die Interessen von rund 2100 Einzel- und Firmenmitgliedern, die insgesamt über 8000 Mitarbeitende beschäftigen. Der Dachverband für die Treuhandbranche ist in zwölf Sektionen gegliedert und bietet ein Aus- und Weiterbildungsprogramm.

Wie unterstützt der Dachverband Treuhand Suisse seine Mitglieder bei der Anpassung ihrer Geschäftsmodelle an die neuen Realitäten?

Der Verband organisiert die Weiterbildung und passt sie laufend den veränderten Anforderungsprofilen an. Dazu gehören etwa neue Schwerpunkte im Bereich Beratung und Coaching. Mit der Gründung des Instituts Treuhand 4.0 wird den Aspekten der Digitalisierung für die Treuhandbranche vermehrt Rechnung getragen. Dazu kommen starke Partnerschaften mit IT-Unternehmen.

 

Fördert die Digitalisierung auch Firmenverbünde, damit Kleinstbetriebe das gesamte Dienstleistungsangebot abdecken können?

In der Praxis kann ich das nicht beobachten. Solche Cluster können sich eher im Zusammenhang mit Nachfolgelösungen ergeben. Auslöser für solche Firmenverbünde kann auch der Fachkräftemangel sein. Mit solchen Kooperationen lässt sich das Problem der fehlenden Spezialistinnen und Spezialisten etwas abfedern.

 

Gibt es das Problem, dass ältere Treuhänderinnen und Treuhänder vermehrt in Pension gehen und sich keine Nachfolgelösungen finden lassen?

Ja, das ist eine grosse Herausforderung. Junge Leute haben oft die Befürchtung, dass sich eine selbstständige Tätigkeit im Treuhandberuf gar nicht mehr mit einer vernünftigen Work-Life-Balance vereinbaren lässt. Meiner Meinung nach ist das ein falsches Bild der heutigen Realität. Wir versuchen von Verbandsseite, das attraktive Berufsprofil zu kommunizieren, das durchaus Raum lässt für die heutigen gesellschaftlichen Anforderungen.

Spüren die Mitglieder von Treuhand Suisse in den wirtschaftlich härteren Zeiten auch einen stärkeren Druck von den multinational aufgestellten Prüfgesellschaften, den Big Four, wenn es um Mandate von KMU geht?

Diesen Eindruck habe ich eigentlich nicht. Bei der Auftragsvergabe spielen ja auch Empfehlungen, persönliche Kontakte und der Preis eine Rolle. Unsere Mitglieder haben jedenfalls kein Manko an KMU-Mandaten.

 

Mit welchen Trümpfen kann eine kleine Treuhandfirma bei der Kundschaft punkten?

Mit einer kleineren Firma hat man einen viel engeren Kontakt zur Kundschaft. Durch den persönlichen und direkten Kontakt zu den Kundinnen und Kunden kann man schneller agieren und reagieren und die bestmöglichen Lösungen ausarbeiten. Langjährige Betreuung schafft Vertrauen und ein grosses Know-how für die Kundschaft.

 

Bei den Treuhänderinnen und Treuhändern stehen auch immer wieder Dienstleistungen aus einer Hand, also Abschlussprüfung und Buchhaltung, zur Diskussion. Wie bringt man das mit den Unabhängigkeitsvorschriften unter einen Hut?

Das ist gesetzlich klar geregelt. Insbesondere bei der Revision müssen diese Tätigkeiten personell getrennt werden. Für uns ist es wichtig, solche Dienstleistungen aus einer Hand künftig auch auf bestimmte Spezialprüfungen auszudehnen. Letztlich ist das für die KMU auch eine Frage der Kosten.

Sie haben wiederholt kritisiert, dass bei den Standards zur Wirtschaftsprüfung zunehmend Vorschriften, die für Grosskonzerne gelten, den KMU übergestülpt werden. Wo sollte man vor allem Gegensteuer geben?

Diese Standards müssen aufgrund der internationalen Entwicklungen immer wieder überarbeitet werden. Dabei sind wir aber im Gegensatz zur Revisionsaufsicht (RAB) der Meinung, dass bei solchen Anpassungen immer klar zwischen ordentlicher und eingeschränkter Revision unterschieden werden muss. Treuhand Suisse vertritt die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen. Unser Ziel sind nur so viele Regulierungen wie nötig. So wollte es auch der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung der eingeschränkten Revision, um damit den finanziellen wie auch administrativen Aufwand gering zu halten.

 

Im kommenden Sommer wird über die nationale Umsetzung der OECD-Steuerreform abgestimmt. In manchen Kantonen liegt die aktuelle Steuer für Grossunternehmen unter der geforderten Mindeststeuer von 15 Prozent. Hätten künftige Ergänzungssteuern auch einen Einfluss auf die Besteuerung der KMU?

Diese Mindeststeuer betrifft grosse Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro. Die Mehrheit der KMU ist davon nicht betroffen. Das Parlament hat entschieden, einen allfälligen Mehrertrag zu 75 Prozent an die Kantone und zu 25 Prozent an den Bund zu verteilen. Wird diese Vorlage an der Urne abgelehnt, ist es möglich, dass Kantone mit tieferen Steuersätzen diese für alle Unternehmen anheben, also auch für die KMU, um damit den OECD-Anforderungen gerecht zu werden.

 

Erwarten Sie bei einer Zustimmung zur OECD-Mindeststeuer eine teilweise Abwanderung von international tätigen Konzernen ins Ausland?

Für die betroffenen Konzerne spielen neben den Steuern auch andere Faktoren, wie etwa die politische Stabilität oder das grosse Bildungsangebot, eine gewichtige Rolle. Deshalb erwarte ich keine grosse Abwanderung.

Fast alle Branchen klagen über Fachkräftemangel. Wie sieht es bei den Treuhänderinnen und Treuhändern aus?

Auch in der Treuhandbranche herrscht ein akuter Mangel an Fachkräften. Das Lehrstellenangebot ist im Bereich Treuhand immer noch auf einem stabilen Niveau. Viele Absolvierende wandern aber nach der kaufmännischen Lehre in einen anderen Wirtschaftszweig ab. Mit einem Quereinsteigerprogramm möchten wir auch anderen KV-Absolvierenden ohne eine spezialisierte Ausbildung den Wechsel in die Treuhandbranche erleichtern. Zudem gibt es etwa eine Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz, mit der wir eine Vertiefungsrichtung in Finanzmanagement und Treuhand anbieten.

 

Was unternimmt man, um den Berufsstand möglichst attraktiv darzustellen?

Mit humorvoll gestalteten Imagefilmen versuchen wir, die Jungen für den Treuhänderberuf anzusprechen. Gleichzeitig arbeiten wir mit anderen Verbänden bei der Rekrutierung des Nachwuchses zusammen. In den Sektionen gibt es Jugendkommissionen, die den Erfahrungsaustausch mit interessierten Jugendlichen pflegen, und dann nehmen wir auch an Berufsmessen in den Regionen teil.

 

Bei der Megafusion der UBS mit der CS sollen bis zu 10 000 Stellen verschwinden. Wechseln manche Bankerinnen und Banker auch in die Selbstständigkeit als Treuhänder?

Das ist sicher eine Möglichkeit. Die Banken sind heute breit diversifiziert. Sie machen Finanzplanung und Steuerberatung nach dem Grundsatz «All-in-one». Aus diesen Bereichen könnten Bankangestellte durchaus über ein Quereinsteigerprogramm in den Treuhänderberuf wechseln.

«Bankangestellte könnten wechseln in den Treuhänderberuf.»

Welche beruflichen Perspektiven sprechen für die Treuhandbranche?

Es gibt Ausbildungsmöglichkeiten bis zum Master-Abschluss. Dazu kommen noch Aufstiegschancen in mittelgrossen Firmen oder als Nachfolgerin oder Nachfolger in einem Treuhandbetrieb.

 

Mit der wachsenden Regulierung hat bereits eine Konsolidierung in der Treuhandbranche stattgefunden. Wird sich die Konzentration in den nächsten Jahren noch verschärfen?

Vor allem für Kleinstfirmen, mit ein bis zwei Mitarbeitenden, wird es bei der fortschreitenden Digitalisierung schwierig. Da macht es Sinn, den Schulterschluss mit anderen Treuhandunternehmen zu suchen.

 

Wo sehen Sie die Kernaufgaben im Jahr 2030?

Es geht ganz klar in Richtung gesamtheitliche Beratungs- und Coaching-Mandate sowohl im personellen wie im finanziellen Bereich.