Der neue Swiss Code wird die Praxis der Corporate Governance über die nächsten Jahre wesentlich prägen und dient nicht nur den börsenkotierten Unternehmen, sondern auch allen sonstigen grösseren und kleineren Unternehmen als Referenz nach dem Ansatz «comply or explain». Die Anwenderinnen und Anwender des Swiss Code leisten einen Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaft, welche das Vertrauen der Gesellschaft geniesst.
Corporate Governance ist nicht bloss ein formelles Set von Regeln, sondern soll zweckdienliche Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben. Denn: Es ist nicht alles erlaubt, was nicht explizit verboten ist. Eine nachhaltige Unternehmensführung gelingt nur, wenn Corporate Governance den Rahmen vorgibt, Corporate Leadership ihn mit Leben füllt und Corporate Sustainability, also nachhaltiges Wirtschaften, die resultierende Wirkung ist (siehe Abbildung rechts). Der neue Swiss Code nimmt die Nachhaltigkeit als Leitidee auf, was sich in verschiedensten Textziffern zeigt, bis hin auch zu einer neuen Textziffer zum Aspekt der Unternehmenskultur. Dies als Basis für verantwortungsvolles Handeln, wozu ein schriftlicher Purpose nicht reicht, sondern in Impact umgesetzt werden muss.
Der Autor
Marius Klauser, Direktor und VR-Delegierter von Expertsuisse, Zürich, Geschäftsführer von Allianz Denkplatz Schweiz und Präsident von Reflactship Association.
Der Autor war Mitglied der Arbeitsgruppe Swiss Code und legt in diesem Beitrag mit Referenz auf entsprechende Kennziffern des Swiss Code dar, wie dieser das Zusammenspiel von Verwaltungsrat und Prüfungsgesellschaft weiterentwickeln dürfte.
Erhöhte Anforderungen
Der Verwaltungsrat (VR) strebt gemäss dem Swiss Code eine dem jeweiligen Unternehmen angemessene Diversität seiner Mitglieder hinsichtlich Kompetenzen, Erfahrung, Geschlecht, Alter, Hintergrund und Herkunft an (Ziffer 13). Zur Erfüllung der Oberleitungs- und Oberaufsichtsfunktion muss die Mehrheit der VR-Mitglieder unabhängig sein. Neben der Unabhängigkeit ist auch das zeitliche Engagement der VR-Mitglieder entscheidend (Ziffer 15). Der Umgang mit Interessenkonflikten wurde im neuen Swiss Code wesentlich ausführlicher thematisiert (Ziffer 19). Es nehmen aber nicht nur die dargelegten Anforderungen an Verwaltungsräte zu – im Rahmen der ESG-Debatte dürften auch die Transparenz und externe Prüfung entsprechender Informationen zunehmend gefordert werden.
Das OR hält zwar in Artikel 728a fest, die Revisionsstelle habe im Rahmen der ordentlichen Revision die Existenz des «Internen Kontrollsystems» (IKS) zu prüfen, ohne jedoch im Gesetz eine Begriffsdefinition und Mindestanforderungen an das IKS zu nennen. Hier bringt nun der neue Swiss Code wichtige Präzisierungen, indem das IKS als Trilogie von Risikomanagement, Compliance-Management und Finanzüberwachung definiert wird (Ziffern 26 bis 29). Während die interne Revision die Wirksamkeit des IKS beurteilt (Ziffer 31), beschränkt sich die externe Revision von Gesetzes wegen auf die Prüfung der Existenz des IKS.
Alle drei erwähnten Komponenten des IKS haben an Bedeutung gewonnen: Ein gutes Risikomanagement ist in Zeiten von Multikrisen respektive Multiherausforderungen unverzichtbar. Durch die Aktienrechtsrevision wurde mit Inkraftsetzung auf 1. Januar 2023 die Bedeutung der Finanzüberwachung erhöht, indem der VR fortlaufend die Liquidität zu überwachen hat. Auch die Anforderungen an die Compliance sind stark gestiegen – beispielsweise infolge der Umsetzung des Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative und mit Blick auf die Inkraftsetzung des neuen Datenschutzgesetzes im Herbst dieses Jahres.
Verwaltungsrat und Prüfer
Mit Blick auf das Zusammenspiel von VR (respektive Prüfungsausschuss) und externe Revisionsstelle (allenfalls weitere Prüfungsgesellschaft) enthält der Swiss Code folgende Ergänzungen und Präzisierungen (Ziffern 22/23 und 32/33):
- Die Präsidentin oder der Präsident des Verwaltungsrats hat nicht zugleich den Vorsitz des Prüfungsausschusses inne.
- Die/der Vorsitzende und/oder die Mehrheit sind in Finanz- und Rechnungswesen oder in der Wirtschaftsprüfung praktisch erfahren.
- Der Prüfungsausschuss beurteilt periodisch die Leistung und Honorierung der externen Revision und formuliert Vorschläge zuhanden des Verwaltungsrats im Hinblick auf den (Wieder-)Wahlantrag an die Generalversammlung. Er leitet ein allfälliges Auswahlverfahren und stellt sicher, dass die Qualitätsmerkmale im Vordergrund stehen.
- Der Prüfungsausschuss vergewissert sich über die Unabhängigkeit der externen Revision und beurteilt die Angemessenheit der Amtsdauer. Er prüft die Vereinbarkeit der Revisionstätigkeit mit allfälligen Beratungsmandaten und legt fest, ab welcher Höhe des Beratungshonorars die vorgängige Zustimmung des Prüfungsausschusses notwendig ist.
- Der Prüfungsausschuss setzt sich mit der Berichterstattung im Bereich der nicht finanziellen Belange auseinander. Er verschafft sich dafür die erforderlichen Informationen.
- Der Prüfungsausschuss hat Zugang zu den relevanten internen Funktionen und zum Leiter der externen Revision. Er tauscht sich mit ihnen regelmässig aus, um seine Aufgaben sachkundig erfüllen zu können. Mindestens einmal jährlich findet dieser Austausch ohne Teilnahme des Managements statt (Private Sessions).
- Die Revisionsstelle erfüllt als Organ die Aufgaben der externen Revision und kann gegebenenfalls für weitere Prüfleistungen mandatiert werden.
- Die gesetzlichen Aufgaben, die Qualitätssicherung und die Unabhängigkeit der Revisionsstelle werden im neuen Swiss Code ausführlicher dargestellt.
Das Zusammenspiel von Verwaltungsrat/Prüfungsausschuss mit der externen Revisionsstelle ist erfolgskritisch für den Nutzen externer Prüfungsleistungen – verstanden als standardbasierte situationsspezifische Dienstleistung statt als Standardprodukt.
Weiterentwickeltes Auditing
Durch interne Funktionen (Compliance, Risk, interne Revision) und externe Prüfungen erhalten finanzielle und nicht finanzielle Informationen einen hohen Zusicherungsgrad (Assurance). An verschiedenen Stellen im Swiss Code wird darauf hingewiesen, dass mit einer externen Prüfung nicht nur finanzielle, sondern auch nicht finanzielle Informationen in ihrer Qualität und Glaubwürdigkeit gestärkt werden können. Letzteres ist im Interesse der VR-Mitglieder, Aktionärinnen und Aktionäre, der Fremdkapitalgeber, aber auch der Mitarbeitenden, der Kundschaft und der weiteren Öffentlichkeit.
Der Weg hin zu einer nachhaltigen Corporate Governance ist anspruchsvoll, aber mach- respektive gestaltbar. In diesem Sinne hat sich der Verwaltungsrat vermehrt als Gestaltungsrat zu verstehen. Die Nachhaltigkeitsarbeit (ökologisch, sozial, wirtschaftlich) bleibt dadurch nicht eine PR- oder CFO-Aufgabe, sondern wird eine weitere prioritäre Führungsaufgabe des Verwaltungsrats. Eine derart weiterentwickelte Governance lässt auch ein weiterentwickeltes Auditing entstehen – Financial Audits werden häufiger mit Non-financial Audits ergänzt, und die Governance selbst dürfte vermehrt zum Prüfungsinhalt werden; nicht zuletzt aufgrund der ESG-Entwicklungen.