Was sind KI-gestützte Geschäftsmodelle, und wo bringen Finanzintermediäre heute künstliche Intelligenz, insbesondere Machine Learning, zum Einsatz? Die Anwendungsmöglichkeiten von KI sind in der Finanzindustrie sehr gross. Von KI-Lösungen des Vertriebs (personalisiertes Marketing) über Research (Sentiment-Analyse) bis hin zum Kerngeschäft (algorithmischer Handel oder Robo Advisory) und Backoffice (Kunden-Screening) sind es nur einige Beispiele, die zeigen, dass sich heute die gesamte Wertschöpfungskette eines Finanzdienstleisters mittels KI revolutionieren lässt.

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Der Autor

Fabian Schmid, Partner und Leiter Regulatory & Compliance Financial Services, Grant Thornton, Zürich; Eliane Gmünder, Partnerin, Beratungsboutique LCR Services AG und RegTechs Ifinity

Zunächst ist klarzustellen: KI basiert nicht auf Logik und funktioniert folglich nicht regelbasiert. Stattdessen wird auf mathematischen Modellen, sprich Algorithmen, aufgesetzt, welche die Wahrscheinlichkeit aufgrund der vorhandenen Daten errechnen. Damit diese Modelle sinnvolle Ergebnisse liefern können, benötigen sie nicht nur enorme Datenmengen, sondern gleichzeitig auch eine hohe Qualität dieser Daten. Weiter braucht es leistungsfähige Algorithmen, welche auf den spezifischen Geschäftsfall ausgerichtet sind und laufend optimiert werden. 

 

Governance und Transparenz

Angesichts der generell zunehmenden Bedeutung von KI überrascht es nicht, dass auch der Regulator aktiv wird. Im EU-Raum ist folglich am 1. August 2024 das weltweit erste umfassende KI-Gesetz in Kraft getreten. Dieses wird mittelfristig auch Auswirkungen auf die hiesige Gesetzgebung haben. Zudem hat die Finanzmarktaufsicht Finma erste Erwartungen an Finanzdienstleister mit KI-basierten Geschäftsmodellen kommuniziert. Zwar gibt es für Prüfer heute noch keine neuen KI-spezifischen Vorgaben oder gar Prüfprogramme, jedoch sollten diese Erwartungen der Finma bei der aufsichtsrechtlichen Prüfung von KI-gestützten Geschäftsmodellen nicht ausser Acht gelassen werden.

Die Finma stellt insbesondere die Governance sowie die Transparenz und Erklärbarkeit ins Zentrum – die Ethik stellt eine weitere wichtige und zunehmend wichtiger werdende Komponente dar. Entsprechend gilt es danach zu prüfen, ob ein Institut auch im Bereich KI über eine solide Governance verfügt und die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind. Die Finma stellt sich auf den Standpunkt, dass Entscheide nie an eine KI delegiert werden dürfen, sprich immer der Mensch das letzte Wort hat und robuste Risikomanagementprozesse für die Überwachung der KI implementiert sein müssen.

Und genau hier liegt die grosse Herausforderung für die Prüfer – und vielleicht sogar ein gordischer Knoten. Wie hat ein Risikomanagementsystem auszusehen, wenn man es mit einer auf Algorithmen beruhenden Applikation zu tun hat, die mit Wahrscheinlichkeiten operiert? Die Anforderung der Finma an die Erklärbarkeit oder «Explainability» steht damit diametral im Gegensatz zu KI-Modellen, denn diese sind letztlich nicht erklärbar, nicht nachvollziehbar und auch nicht überprüfbar.

 

Neue Denkansätze nötig

Auch im KI-Bereich betont die Finma regelmässig, dass sie die Regulierung bewusst technologieneutral ausgestaltet. Im Umkehrschluss heisst dies, dass die existierende (Finanzmarkt-)Regulierung analog auch für KI-Anwendungen gilt und folglich von den Prüfgesellschaften als Referenzpunkt herangezogen werden muss. Zu nennen ist hier insbesondere das Rundschreiben der Finma «Operationelle Risiken und Resilienz – Banken», welches zwar nicht explizit auf KI eingeht, aber Anforderungen ans Risikomanagement im Zusammenhang mit IT-Tools stellt.

Kurzum, obwohl es in der Schweiz keine KI-Regulierung gibt, hat der Regulator klargestellt, dass der Einsatz von KI sowohl bei neuen wie auch bei bereits bewilligten Instituten geprüft werden kann. Die ersten Praxiserfahrungen haben stattgefunden, allerdings wäre es verfrüht, daraus schon konkrete Schlüsse zu ziehen. Schliesslich darf nicht vergessen werden, dass KI auch das Potenzial dazu hat, die Tätigkeit des Prüfers selbst zu revolutionieren. Durch die effiziente Analyse von riesigen Datenmengen erhofft sich die Prüfbranche, Unregelmässigkeiten und Risiken in Zukunft rascher zu erkennen. Erste KI-Audit-Tools sind bereits im Einsatz.

Ob in der Finanzbranche oder in der Prüfung: Noch ist es schwierig abzuschätzen, ob KI im regulierten Umfeld ihrer mangelnden Erklärbarkeit zum Opfer fällt oder zur Überwindung dieses Problems eine übermässige Dokumentationswut und Bürokratie verordnet wird. Auch neue Denkansätze wie beispielsweise die Einführung des Verhältnismässigkeitsprinzips für KI-Anwendungen könnten die Lösung bringen. Letztlich gilt auch für KI-Anwendungen, dass das Ausmass der Regulierung von der praktischen Relevanz und den damit verbundenen Risiken abhängig sein wird.