Mit der Übernahme der CS durch die UBS werden nun die vier grössten Schweizer Banken durch die gleiche Revisionsfirma überprüft. Die Aufsichtsbehörde stuft dies marktmässig als Klumpenrisiko und aus Sicht der Wissenskonzentration als nicht optimal ein. Kommt es da bald zu einer Veränderung?

Diese Konstellation ist tatsächlich nicht unproblematisch. Wir hoffen, dass dieses Thema in die Gesetzesrevision einfliesst, die der Bundesrat nach der Publikation des PUK-Berichts auslösen wird. Die Aufgabe der Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) ist primär die Qualitätssicherung. Solange keine gravierenden Mängel festgestellt werden, entscheidet der Markt, wer sich um welche Revisionsmandate kümmern darf. Der RAB sind da die Hände gebunden.

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Beim zuständigen Revisionsunternehmen haben Sie nach dem UBS/CS-Merger ad hoc Prüfungen ausgelöst. Welche Erkenntnisse hat das gebracht?

Wir stehen vor dem Abschluss dieser Arbeiten. Die Kommunikation unserer Erkenntnisse koordinieren wir mit der PUK, die ihren Bericht vor dem Jahresende publizieren wird.

Was war der Grund für diese Überprüfungen? Gab es Druck von der Politik?

Nein, Druck aus der Politik gab es keinen. Wir sind eine unabhängige Aufsichtsbehörde und handeln weisungsungebunden. Wir überprüfen aus eigenen Risikoüberlegungen, ob die Prüfungsorgane der Credit Suisse einen guten Job gemacht haben. Angesichts der Bedeutung des Falles entspricht dies aber sicherlich auch der Erwartung von Öffentlichkeit und Politik.

Es gibt auch einen parlamentarischen Vorstoss zur Sicherstellung der Unabhängigkeit bei der externen Revision. Was halten Sie vom Vorschlag, dass die Auswahl der Revisionsstelle bei den systemrelevanten Banken durch die Finanzmarktaufsicht (Finma) erfolgen soll?

Aus der Direktmandatierung der aufsichtsrechtlichen Prüfgesellschaft durch die Finma resultiert unserer Ansicht nach nur eine geringe zusätzliche Steuerungsfähigkeit. Die Finanzmarktaufsicht kann ja schon heute den Wechsel der Prüfgesellschaft verlangen. Zudem wird allseitig ein grosser Aufwand betrieben, um die Unabhängigkeit der Prüforgane sicherzustellen. Sollte es zu einer solchen Regulierung kommen, dann sehen wir einige Nachteile. Zu denken ist an den erheblichen Aufwand für die WTO-Ausschreibung der Mandate. Überdies erhöht sich das Risiko der Staatshaftung, wenn der falsche Prüfer eingesetzt wird. Und es stellt sich die ordnungspolitische Frage, ob der Staat in die Kompetenz der Gesellschaftsorgane eingreifen soll. Das Revisionsstellenmandat folgt ja in der Regel dem aufsichtsrechtlichen Prüfmandat und umgekehrt.

Würde damit nicht ein Präzedenzfall geschaffen, bei dem unklar ist, welche Banken genau davon betroffen wären?        

Es wäre tatsächlich zu klären, ob dies nur die eine Grossbank betrifft, alle Banken der Aufsichtskategorien I und II oder gar sämtliche Finanzinstitute. 

Die Revisionsaufsicht überwacht und analysiert laufend die gesamte Branche. Wie stufen Sie die Qualität der Abschlussprüfung durch die Revisionsgesellschaften ein?

Der Revisionsmarkt besteht aus unterschiedlichen Segmenten. Da haben wir nicht überall den gleichen Einblick. Bei den zwanzig staatlich beaufsichtigten Gesellschaften, die wir regelmässig überprüfen, können wir grundsätzlich ein gutes Zeugnis ausstellen. Leider stellen wir bei einzelnen Mandaten nach wie vor Rückschläge fest. Die Qualität der Revision hängt nicht nur mit den Prozessen und Weisungen einer Unternehmung, sondern auch mit dem Fachwissen, der Integrität und der kritischen Grundhaltung der beteiligten Personen zusammen. Bei den übrigen rund 1900 nicht staatlich beaufsichtigten Revisionsunternehmen ist keine generelle Aussage möglich, weil wir nur alle fünf Jahre eine Zulassung aussprechen und keine Aufsicht ausüben. Wir führen bei Verdachtsfällen aber Gewährsverfahren durch. Fehlbaren Personen erteilen wir einen Verweis oder wir entziehen die Zulassung. Es gibt immer wieder Fälle, die einfach nicht passieren dürften. Die Zahl der Zulassungsentzüge ist allerdings abnehmend. Für die Zukunft sind wir grundsätzlich optimistisch, weil mit den technologischen Hilfsmitteln die Arbeit der Revisoren unterstützt wird.

Die Öffentlichkeit erwartet von den Revisorinnen und Revisoren immer mehr auch betrugsbezogene Prüfungshandlungen. Gibt es da noch Verbesserungspotenzial?

Ganz allgemein wird von der Revisionsstelle mehr erwartet, als es Gesetz und Prüfungsstandards vorsehen. Deshalb spricht man auch von der sogenannten Erwartungslücke. Die Abschlussprüfer müssen nicht allen möglichen Risiken für Betrug nachgehen und entsprechende Fälle aufdecken, aber sie haben die Risiken wesentlicher falscher Darstellungen in der Jahresrechnung aufgrund von dolosen Handlungen zu identifizieren. Die RAB hat vor zwei Jahren eine Aufsichtsmitteilung zu den Problemen und den Lösungsansätzen in diesem Bereich veröffentlicht. Wir sind insbesondere mit der Befragung der Repräsentanten des geprüften Unternehmens oder der Prüfung der Journalbuchungen nicht immer zufrieden. Ab und zu gibt es auch Fälle, bei denen klare Warnsignale für Betrug nicht berücksichtigt wurden. Derzeit werden die entsprechenden Prüfstandards überarbeitet. Bis Ende Jahr ist dies abgeschlossen. Im Entwurf ist vorgesehen, dass die Vorgaben an die Prüfer in den Bereichen der Risikoidentifikation und Dokumentation präzisiert werden. Im Revisionsbericht soll zudem mehr Transparenz zu Betrugsrisiken geschaffen werden. 

Eine wichtige Informationsquelle ist für die RAB das Whistleblowing. Neu wurde eine externe Meldeplattform aufgeschaltet, um die Anonymität der Hinweisgeber zu schützen. Wird das rege genutzt? 

Wir bieten schon seit Jahren die Möglichkeit, uns Hinweise über mögliche Missstände zu geben. Mit der neuen Plattform können wir nun auch unter der Wahrung der Anonymität Rückfragen stellen. Das verbessert die Qualität dieser Hinweisquelle deutlich. 2023 hatten wir 54 Hinweise, im Vorjahr waren es 39 gewesen. Die Tendenz ist leicht ansteigend.

Wie gross ist der Einfluss der Digitalisierung auf die Abschlussprüfung?

Die Zugriffsmöglichkeiten auf elektronische Informationen aus der Rechnungslegung haben mit den Data-Analytics-Tools schon vor einigen Jahren stark zugenommen. Das schafft einen vertieften Einblick in grosse Datenmengen. Diese Entwicklung wird mit der generativen künstlichen Intelligenz (KI) weiter voranschreiten. KI-Elemente werden schon bald in allen Teilen des Prüfprozesses genutzt werden.

Sind auch die Prüfungsstandards an die neue technologische Entwicklung angepasst? 

Das macht uns keine Sorgen. Die Prüfungsstandards werden schon seit längerer Zeit technologieneutral formuliert und weiterentwickelt.

Neu dazu kommt die Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung. Welche Herausforderungen stellt das für die Revisionsaufsicht?

Da tauschen wir uns intensiv mit den Aufsichtsbehörden in der EU aus, wo dies schon bald Realität ist. Sofern das Parlament den Vorentwurf des Bundesrats bestätigt, wird das für die RAB neue Aufgaben bringen. Wir müssen bis dahin insbesondere das Fachwissen zur Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten vervollkommnen, das sich vom Know-how in der Revision der Finanzberichterstattung wesentlich unterscheidet.

In der EU muss die Revisionsstelle alle zehn Jahre neu ausgeschrieben werden. Die Schweiz begnügt sich mit dem Wechsel des leitenden Revisors alle sieben Jahre. Reicht das aus?

Die RAB empfiehlt den börsenkotierten Gesellschaften, im Zeitfenster von zehn bis vierzehn Jahren zu prüfen, ob eine Ausschreibung sinnvoll ist. Die durchschnittliche Amtsdauer der Revisionsstelle beträgt bei diesen Unternehmen aktuell 13,7 Jahre. Der Markt liegt also relativ nahe bei unserer Empfehlung. Allerdings ist bei rund einem Fünftel der SPI-Gesellschaften die Revisionsstelle länger als 20 Jahre im Amt.  

Zur Person

Reto Sanwald ist seit 2020 Direktor der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde (RAB). Er hat an der Universität Bern das Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen und ist 2000 als Rechtsanwalt patentiert worden. Neun Jahre später promovierte er an der Universität Zürich mit einer Dissertation zum Gesellschaftsrecht. 2018 erwarb der heute 51-jährige Ostschweizer den Executive Master of Business Administration an der Universität St. Gallen.

Die unabhängige Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) stellt mit drei Dutzend Mitarbeitenden die ordnungsgemässe Erfüllung und Qualität der Revisionsdienstleistungen sicher. Derzeit sind rund 9800 natürliche Personen und 1900 Revisionsunternehmen von der RAB zugelassen. Beaufsichtigt werden zwanzig Revisionsfirmen, die Gesellschaften des öffentlichen Interesses prüfen.

Die Revisionsaufsicht vertritt auch die Meinung, dass die grossen Vorsorgeeinrichtungen bei der Abschlussprüfung gleich zu behandeln sind wie die Privatversicherer. Werden Sie bald auch die BVG-Revisionsstellen beaufsichtigen?

Es macht Sinn, künftig nicht nur die Zulassung des Revisionsunternehmens bei den Pensionskassen durch die RAB sicherzustellen, sondern bei grossen und komplexen Vorsorgeeinrichtungen ab einem gewissen Schwellenwert auch die Beaufsichtigung zu übernehmen. Dies speziell auch bei Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen, die generell über ein höheres Risikoprofil verfügen.

Sie denken an Pensionskassen mit verwalteten Vermögen von 500 Millionen Franken und mehr?

Wir denken an die Grössenordnung von 1 Milliarde Franken Bilanzsumme. Das Bundesamt für Sozialversicherungen erstellt derzeit einen Bericht, ob in diesem Bereich ein Handlungsbedarf besteht.  

Sehen Sie auch andere Bereiche von öffentlichem Interesse, bei denen die Kontrolltätigkeit der RAB nützlich wäre?

Seit den Vorfällen rund um Postauto Schweiz stellt sich die Frage, ob die Revisionsstellen von bundesnahen Unternehmen ebenfalls durch die RAB beaufsichtigt werden sollen. Dazu arbeitet das Bundesamt für Justiz derzeit an einer Vernehmlassungsvorlage.

Die Zahl der zugelassenen Revisionsfirmen nimmt ständig leicht ab. Steht das in einem Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung und Regulierung?

Rund 1900 Revisionsfirmen teilen sich heute etwa 92’000 gesetzliche Revisionsstellen-Mandate auf. Mit der Deregulierung aufgrund des neuen Revisionsrechts sind in den letzten zwei Jahrzehnten viele Revisionsmandate weggefallen. Zudem haben mit der Digitalisierung und neuen Regulierungen auch eine Spezialisierung und ein Streben nach einer kritischen Grösse eingesetzt. 

Wird es auch künftig eine weitere Konsolidierung geben?

Davon gehen wir aus. Vor allem die Zahl der Revisionsunternehmen, bei denen nur eine Person über eine RAB-Zulassung verfügt, wird weiter schrumpfen.