Bei 28 Prozent der Bauprojekte über 250 000 Franken im Kanton Bern waren in den vergangenen zehn Jahren Zusatzkredite erforderlich, hiess es vom Berner Regierungsrat als Antwort auf eine Interpellation im April dieses Jahres. Der Neubau des Polizei- und Justizzentrums in Zürich kam auf Baukosten von über 700 Millionen Franken – budgetiert waren ursprünglich 540 Millionen Franken. In Basel kostet der Biomedizin-Neubau 365 Millionen Franken – und damit fast das Doppelte des ursprünglich geplanten Betrags.
Auch bei viel kleineren Bauvorhaben kommt es regelmässig zu bedeutenden Kostenüberschreitungen, wie die unzähligen Gerichtsurteile in der ganzen Schweiz zeigen. Das sind indes keine Ausreisser, sondern das liegt an systematischen Problemen, sagt der emeritierte dänische Oxford-Ökonom Bent Flyvbjerg. Grundsätzlich sind die Probleme die gleichen, ganz egal, ob man eine Küche saniert oder die Olympischen Spiele ausrichtet.
Lernpotenziale nutzen
Flyvbjerg hat über 16 000 Projekte aus unterschiedlichen Bereichen gesammelt – bei lediglich 8,5 Prozent wurden die finanziellen und zeitlichen Vorgaben eingehalten. Und nur bei einem halben Prozent wurden darüber hinaus auch die Ziele erreicht, die man angestrebt hatte. Lediglich in ganz wenigen Bereichen werden die Budgets eingehalten. Das sind Projekte aus den Bereichen Windkraft, Strassenbauten und Stromübertragung. Bei solchen Projekten greift man oft auf einen grossen Erfahrungsschatz der Beteiligten zurück, man verwendet Standard-Komponenten und weil hier immer wieder die gleichen beziehungsweise sehr ähnliche Arbeitsvorgänge ausgeführt werden, lernen die Beteiligten aus den ersten Fehlern.
Daraus ergeben sich laut Flyvbjerg bereits Hinweise für Bauprojekte, welche die zeitlichen und finanziellen Vorgaben einhalten: Mit einer systematischen Standardisierung der Komponenten und Lerneffekte bei wiederholt ausgeführten Vorgängen sind zwei wichtige Ursachen für Kostenüberschreitungen entschärft. Viele Bauprojekte sind indes massgeschneidert – und in solchen Konstellationen rät Flyvbjerg zur Unterteilung in viele kleinere Schritte, die dann wiederholt werden und bei denen sich Lerneffekte einstellen. Darüber hinaus ist eine sehr präzise Planung ein weiterer Faktor, der das Kostenüberschreitungsrisiko senkt. Als Vorbild dient hier die Vorgehensweise bei den Pixar-Studios. Hier durchlaufen die Film-Ideen viele Feedback- und Verbesserungsrunden, bis die eigentlichen Arbeiten dann beginnen – und diese halten sich dann strikte an das in vielen Feedbackrunden verfeinerte sprichwörtliche Drehbuch.
Online durchrechnen
Laut Flyvbjerg ist es viel günstiger, während der Planung Fehler zu machen und diese dann zu bereinigen. Die Lösung auf die Umsetzungs- und Bauphase zu verschieben, ist dagegen ein sicheres Rezept für Kostenüberschreitungen.
Und da ist noch die Sache mit der Budgetierung: Neben psychologischen Fehleinschätzungen kommt hier der Druck aus unterschiedlichen Richtungen hinzu. Oft dienen die ersten Budgetzahlen bei grossen Bauprojekten lediglich dazu, die Vorhaben durch die politischen Gremien zu bringen. Ergänzungsbudgets sind dann die Regel, zumal mit einem solchen Vorgehen auch Sachzwänge geschaffen werden. Man stoppt in der Regel keine Projekte, wenn man bereits viel Geld ausgegeben hat.
Erste digitale Services wollen Abhilfe schaffen – wenigstens bei kleineren Projekten. Bei Keevalue, einer schweizerischen Firma mit Sitz in Brugg AG, hat man beispielsweise ein Online-Tool entwickelt, mit dem sich Neubau-, Umbau- und Lebenszykluskosten durchrechnen lassen. Die eigene Datenbank umfasst 100 000 Gebäude und 3800 detailliert abgerechnete Bauprojekte. Hier zu sparen, lohnt sich kaum.