Jedes Jahr veröffentlicht das renommierte Massachusetts Institute of Technology MIT eine Liste der vielversprechendsten Technologien. Dabei sucht die Hochschule nicht einfach nach Gadgets, sondern nach Technologien, die unsere Lebens- und Arbeitsweise in Zukunft nachhaltig verändern und fundamental prägen werden – «making a real difference». Hier die Auswahl des Jahres 2020.
Forscher der Technischen Universität Delft arbeiten an einem Netzwerk, das vier Städte in den Niederlanden vollständig mit Hilfe von Quantentechnologie verbindet. Dieses Netzwerk hat einen gewichtigen Vorteil gegenüber den herkömmlichen – es lässt sich nicht hacken.
Damit werden Nachrichten, die über ein solches Netzwerk verschickt werden, nicht mehr durch Angriffe gefährdet sein – sie sind absolut sicher. Die Technologie der niederländischen Forscher beruht auf einem Quantenverhalten von Atomteilchen. Diese Photonen können nicht im Verborgenen gelesen werden, ohne den Inhalt zu stören.
Dabei gibt es noch eine Herausforderung: Die Teilchen lassen sich nur sehr schwer transportieren. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll aber der Betrieb eines zuverlässigen Netzwerks möglich sein.
«MIT Technology Review»: «10 Breakthrough Technologies». An annual list of technological advances that we believe will make a real difference in solving important problems. Februar 2020.
Seltene Krankheiten entstehen oft durch einen DNA-Fehler. Dieser ist mit allgemein erhältlichen Medikamenten kaum zu lindern, oft sind die – seltenen – Betroffenen ihrem Schicksal überlassen. Grosse Hoffnung lieft in der genetischen Medizin. Sie hat eine neue Generation von Medikamenten erschaffen, die auf die individuelle DNA eines Menschen zugeschnitten ist.
Die Entwicklung von Gen-Medikamenten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Sie können Gene ersetzen oder bearbeiten; das bedeutet: Sie funktionieren wie ein Radiergummi, der falsch entwickelte Gene auslöschen kann. Diese Medikamente werden auch mit Unterstützung von digitalen Tools entwickelt und programmiert – weil für die Bearbeitung von DNA eine hohe Rechenleistung erforderlich ist.
Ein Haken besteht aber: Die Medikament sind sehr teuer, weil ein ganzes Team an der Entwicklung arbeitet, aber nur ein einzelner Patient davon profitieren kann.
Mit ihrer «globale Digitalwährung» Libra hat Facebook im vergangenen Juni einen Stein ins Rollen gebracht. Chinas Nationalbank kündigte dann als Gegenmassnahme an, eine eigene Digitalwährung zu entwickeln; weitere Nationalbanken wollen folgen. Auch die SNB macht sich Gedanken darüber, eine eigene Digitalwährung zu lancieren. Damit ist Facebooks Idee zu einem geopolitischen Instrument geworden.
China könnte die erste Volkswirtschaft der Welt werden, die ihr Geld auch in einer digitalen Version herausgibt. Sie möchte einen Gegenpol schaffen zu ihren Reserven, die hauptsächlich aus US-Dollar bestehen. In die Hände spielt der chinesischen Führung, dass immer seltener mit Bargeld bezahlt wird.
Inzwischen kämpft Facebook aber weiterhin um Akzeptanz für Libra. Weil sich nun verschiedenste Player einschalten, wird Digitalgeld ein zunehmendes Gewicht in der Politik einnehmen. Es ist nicht nur für Staaten, sondern auch für Banken eine Herausforderung, weil es das Finanzsystem spalten könnte.
Bei neuen Anti-Aging-Medikamenten geht es nicht – wie man zuerst annehmen könnte – um ewiges Leben, sondern darum, den Alterungsprozess aufzuhalten oder zu verlangsamen, um so bestimmte Beschwerden zu lindern. Im Fokus stehen dabei Krankheiten wie Krebs, Herzkrankheiten oder Demenz.
Bei der Demenz-Forschung mischen auch drei Schweizer Wissenschafter mit dem Startup Neurimmune mit. Sie haben den Wirkstoff Aducanumab erforscht, für den die amerikanische Biogen bei der Zulassungsbehörde FDA die Zulassung beantragen will. Doch immer wieder gibt es Rückschläge in der Demenz-Forschung.
Eine Firma namens Alkahest hat Patienten jüngst Komponenten aus dem Blut junger Menschen iniziiert, um leichtes Alzheimer zu stoppen. Im vergangenen Dezember lancierten Forscher des Drexel University College of Medicine eine Creme, welche die die Alterung der menschlichen Haut tatsächlich verlangsamen könnte.
Forscher versuchen seit geraumer Zeit, Moleküle in Medikamente zu verwandeln. Die Bandbreite von Molekülen, die in lebensrettende Medikamente umgewandelt werden könnten, schätzen Forscher auf etwa 1060.
Das sind mehr als alle vorhandenen Atome in unserem Sonnensystem. Das heiss: Man muss Nadenl im Heuhaufen zu finden. Die Entwicklung eines Medikaments bis zur Marktreife kostet im Durchschnitt etwa 2,5 Milliarden Dollar. Ein Grund dafür ist die Schwierigkeit, vielversprechende Moleküle zu finden.
Dank künstlicher Intelligenz können Chemiker nun aber grosse Datenbanken mit vorhandenen Molekülen und ihre Eigenschaften schneller und billiger erforschen. Damit vergrössern sich die Möglichkeiten, neue Wirkstoffe zu finden. Im September zeigte ein Forscherteam aus Hongkong und der Universität Toronto auf, dass die Strategie durch die Synthese funktionieren könnte: Sie präsentierten durch KI-Algorithmen gefundene Arzneimittelkandidaten.
Der Einsatz von KI bei der Medikamentenforschung ist auch für die Schweizer Pharmaindustrie ein vielversprechendstes Feld. So suchen etwa auch die Forscher des Pharmariesen Novartis immer wieder nach neuen Molekülen für Medikamente.
Früher war es sehr teuer, einen Satelliten ins Weltall zu schiessen. Heute kann man relativ günstig Zehntausende von Satelliten im All betreiben. Elon Musk' Firma SpaceX will dieses Jahr 4,5 Mal mehr Satelliten ins Weltall befördern als die gesamte Menschheit in den letzten 60 Jahren. Sie hat im vergangenen Jahr über 120 Starlink-Satelliten hochgeschossen und möchte dieses Jahr alle zwei Wochen weitere 60 Stück ins All befördern. Diese sollen ein Netzwerk im All bilden, das von überall aus erreichbar ist.
Doch wofür braucht es so viele Ableger im All? Zum Beispiel, um Menschen in den entlegensten Regionen in den ärmsten Ländern einen Internetzugang zu ermöglichen. Andererseits fürchten Weltraumforscher, dass sich das Gewimmel am Himmel negativ auf die Astronomieforschung auswirken könnte.
Hinzu kommt die Angst, dass die Stücke aus dem Weltraum auf unseren Planeten zurückfallen und dort Zerstörung anrichten könnten. Der Beinahe-Zusammenstoss eines Starlink-Satelliten mit einem ESA-Wettersatelliten im September 2019 war ein Schuss vor den Bug und eine Erinnerung daran, dass die Menschheit noch nicht für einen Weltraumverkehr à la Star Wars gerüstet ist.
Die Quantentechnologie soll die IT revolutionieren. Die Versprechungen sind riesig, die Probleme ebenfalls. Quantencomputer funktionieren völlig anders als herkömmliche Computer. Theoretisch können sie bestimmte Problemen angehen, für deren Lösung der leistungsfähigste klassische Supercomputer Jahrtausende benötigen würde.
Ein Indiz bot Google im Oktober 2019: Ein Computer mit 53 Qubits – der Grundeinheit der Quantenberechnung – hat in drei Minuten eine Berechnung durchgeführt, für die der leistungsfähigste Supercomputer der Welt 10'000 Jahre gebraucht hätte. IBM stellte Googles Behauptung in Frage und sagte, dass die Beschleunigung bestenfalls das Tausendfache betragen würde. Trotzdem könnte das Experiment von Google eine neue Ära einläuten, in der jedes zusätzliche Qubit den Computer doppelt so schnell machen.
Das klingt vielversprechend, ist in der Praxis noch schwer umsetzbar: Je mehr Qubits man erzeugt, desto schwieriger ist es, ihren Quantenzustand aufrechtzuerhalten. Maschinen, welche die Kryptographie knacken können, werden Millionen von Qubits benötigen. Bis dahin werden noch ein paar Jahre vergehen.
Letztes Jahr erstellte Bill Gates als Gastkurator die Liste der «Breakthrough Technologies 2019». Die Auswahl des Microsoft-Gründers finden Sie hier.
Auch auf unserem Smartphone läuft Künstliche Intelligenz – sie hat aber ein Problem: Sie benötigt eine grosse Datenmenge und Rechenleistung. Um diese zu erreichen, setzen die Hersteller auf Cloud-Dienste. Diese erzeugen aber nicht nur einen hohen CO2-Ausstoss, sondern schränken auch die Geschwindigkeit und Leistung ein.
Tech-Giganten und Forscher versuchen deshalb, KI-Anwendungen zu verkleinern, damit sie auch autark auf einem Gerät funktionieren, ohne ständig auf die Cloud zugreifen zu müssen. Inzwischen verspricht eine neue Generation von speziellen KI-Chips mehr Rechenleistung auf engerem Raum. Im Mai 2019 kündigte Google an, dass «Google Assistant» nun auf dem Smartphone selbst Anfragen ausführen kann, ohne auf einen Remote-Server zuzugreifen. Ab iOS 13 führt Apple den Sprachassistenten Siri lokal auf dem iPhone aus.
Bestehende Dienste wie Sprachassistenten, Autokorrektur und Digitalkameras werden besser und schneller, ohne dass sie jedes Mal, wenn sie Zugang zu einem Deep-Learning-Modell benötigen, die Cloud «anrufen» müssen. Auch Datenschützer könnte die Mini-KI erfreuen: Daten müssen das Gerät nicht mehr verlassen, um einen Dienst oder eine Funktion zu verbessern.
Die Privatsphäre wird mit der Digitalisierung immer mehr zum Thema, welches viele Bürger bewegt. Das wird etwa bei der anstehenden Volkszählung in diesem Jahr in den USA eine grosse Herausforderung sein. Die Regierung muss Daten von 330 Millionen Einwohnern sammeln, aber gleichzeitig die Identität der Bürger geheim halten. Sie muss sicherstellen, dass man die Angaben nicht auf Einzelpersonen zurückführen kann.
Dabei wendet sie einen Trick an: Sie lässt ein «Rauschen» in die Daten einfliessen. Es macht Menschen jünger oder älter, Weisse werden als Schwarze bezeichnet, aber die Gesamtzahl der erhobenen Personen ist wiederum richtig. Diese sogenannte «differenzielle» Privatsphäre ist eine Technik, die auch von Apple oder Facebook verwendet wird, um aggregierte Daten zu sammeln, ohne dabei einzelne Nutzer zu identifizieren. Solche Verfahren werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Forscher können heute bei extremen Wetterereignissen erkennen, dass sie eine Folge des Klimawandels sind. Dies ist eine relativ neue Entwicklung: Anfang des letzten Jahrzehnts zögerten Wissenschaftler noch, einen Sturm oder Taifun explizit mit dem Klimawandel in Verbindung zu setzen.
In den letzten Jahren wurden jedoch mehr Studien zur Zuordnung von Extremwetterereignissen durchgeführt, beflügelt durch verbesserte Instrumente und Techniken. Zum einen helfen präzise Satellitendaten, die Vorgänge in der Natur zu verstehen. Zum anderen führt eine erhöhte Rechenleistung dazu, dass Wissenschaftler Simulationen mit höherer Auflösung erstellen und dadurch mehr virtuelle Experimente durchführen können. So konnte ein Forscherteam nach dem Tropensturm Imelda bereits nach zehn Tagen bekannt geben, dass der Klimawandel mit ziemlicher Sicherheit eine Rolle spielte.
Diese Informationen sind insofern wichtig, weil sie uns einen Input geben, wie wir künftig unsere Städte und Infrastruktur bauen sollen, um den Folgen des Klimawandels gerecht zu werden.