Mehr als 20’000 Neuheiten präsentierten Hersteller auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. Einige davon werden es nie in die Geschäfte schaffen, weil sie schlichtweg nur absurd sind. Doch viele von ihnen zeigen erstaunlichen Erfindergeist.
Manchmal hilft es, der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Genau das bezweckt das südkoreanische Unternehmen Linkflow mit seinem Halsreifen Fitt360. Der Reifen ist nach vorn offen und hat drei HD-Kameras eingebaut. Zwei von ihnen filmen nach hinten, eine filmt nach vorn. Das Video wird dann für eine 360-Grad-Betrachtung automatisch zusammengesetzt.
Ein intelligenter Halsreifen
Das Ergebnis kann mit einer VR-Brille betrachtet werden. Viel einstellen lässt sich an dem Halsreifen nicht. Es gibt drei Knöpfe und einen Slider für das Anschalten, die Aufnahme, den Batterie-Check und die Verbindung per Bluetooth oder WLAN zum Smartphone. Fitt360 kann Videos mit einer Länge von maximal 90 Minuten aufnehmen. Das Bild wird dabei stabilisiert, damit es nicht allzu sehr wackelt.
Ein modernes «Chatzetöri»
Warum sollte Technologie nicht auch Erste-Welt-Probleme lösen? Petwalk dürfte in diese Kategorie gehören. Die Tür in der Tür – oder in der Wand – öffnet sich wie durch Geisterhand, wenn sich ein Haustier ihr nähert. Das kann ein Hund oder eine Katze sein.
Die einfachste Lösung: Man befestigt einen kleinen drahtlosen Chip am Halsband des Tieres, damit das System es auch erkennt und nicht einfach jedes Tier hineinlässt. Ein solcher Chip kann natürlich auch transplantiert werden. Nach Angaben des österreichischen Herstellers ist die vernetzte Haustiertür abgesichert gegen Einbrecher und das Eindringen von Kälte. Im Unterschied zu anderen Tierklappen öffnet ein kleiner Motor die Tür, das Tier muss sich also nicht dagegenstemmen.
Da die Mini-Tür vernetzt ist, lässt sich einiges einstellen. So kann das Tier nur zu bestimmten Zeiten ein- oder austreten. Oder es darf nur hinein, nicht aber mehr hinaus. Ein optionaler Regensensor könnte die Tür auch verschlossen halten, wenn der Tierbesitzer keinen Dreck im Hausflur wünscht. Je nach Verblendung und Zubehör wie Regensensoren kostet ein Petwalk etwa 2000 Euro.
Ein Kofferroboter für lange Reisen
Dass ein Roboter nicht unbedingt aussehen muss wie ein Roboter, zeigt Travelmate Robotics. Das Unternehmen aus San Francisco hat einen Koffer gebaut, der im Grunde ein Roboter ist. Travelmate folgt seinem Besitzer auf Schritt und Tritt. Im Grunde ist Travelmate wie ein autonomes Auto, nur eben als Koffer. Seine Sensoren sollen dafür sorgen, dass er nirgendwo Hindernisse umfährt. Mit einer Batterieladung kann Travelmate vier Stunden lang fahren. Der Nutzer muss den Koffer mit einer Smartphone-App verbinden und kann dort auch den Standort des Koffers sehen, weil er einen GPS-Chip für die Satellitenortung eingebaut hat. Ausserdem ist er mit dem Mobilfunknetz verbunden. Nutzer können den Travelmate auch per Sprache und Gesten steuern.
Fährt der Koffer in eine Kurve, blinkt er mit seinen LEDs. Die maximale Geschwindigkeit beträgt gut zehn Stundenkilometer. Eine eingebaute Waage gibt das Gewicht des Gepäckstücks an. Mit seiner eingebauten Batterie können auch andere Geräte wie Smartphones geladen werden. Nach Angaben des Herstellers wird der Travelmate dank maschinellem Lernen immer cleverer. Sollte er einmal seine Orientierung verlieren, sperren sich seine Rollen, sodass er auch nicht von Fremden weggeschoben werden kann, was allerdings ein Wegtragen nicht verhindert.
Die Entwickler von Travelmate Robotics wollen ihren Koffer, den es in drei Grössen gibt, noch weiterentwickeln. So soll ein digitaler Sprachassistent eingebaut werden, sodass der Koffer auch ein Hotelzimmer buchen oder ein Restauranttisch reservieren kann. Travelmate soll auch für andere Entwickler geöffnet werden. Neue Funktionen können dann über einen eigenen App-Store nachgerüstet werden. Über die Plattform Indiegogo kann der kleinste Travelmate S für 1100 Dollar reserviert werden. Ausgeliefert werden soll er im Februar.
Airbags gegen den Hüftbruch
Stürze auf die Hüfte können für alte Menschen tödlich sein. Ein Hüftbruch bedeutet lang andauernde Immobilität und damit den unwiederbringlichen Verfall der Kondition, auch holen sich viele Sturzopfer im hohen Alter im Krankenhaus Folgeinfektionen mit multiresistenten Krankenhauskeimen ab.
Die französische Firma Helite hat deswegen einen neuen Airbaggürtel für sturzgefährdete Senioren entwickelt, der die Hüfte bei einem Sturz mit Luftkissen schützt. Der Gürtel Hip’Air, der aussieht wie ein Fannypack-Vorratsgürtel für Marathonläufer, enthält neben doppelten grellneongelben Luftkissen und einer CO2-Patrone jede Menge Sensortechnik, die Stürze innerhalb von 0,2 Sekunden erkennen und den Airbag auslösen soll.
Die wiederaufladbare Batterie des Gürtels hält eine Woche. Helite ist kein kleines Startup – die Firma verdient seit über zehn Jahren bereits gut im Geschäft mit Lawinen-Airbags für Skifahrer. Deswegen kann man die Ankündigung, dass der Gürtel fertigentwickelt ist und im Frühjahr für 600 Euro auf den Markt kommt, durchaus ernst nehmen.
Eine Brille zum Telefonieren
Vuzix Corporation will sich offenbar nicht von Google entmutigen lassen. Obwohl der Internetkonzern mit seiner Datenbrille Google Glass krachend gescheitert ist, legt Vuzix mit seiner Blade einen ähnlichen Versuch vor. Die Brille sieht aus wie eine sehr markante Sonnenbrille, hat aber einiges an Technik eingebaut, darunter eine HD-Kamera, Mikrofone mit Geräuschunterdrückung und an der Seite ein kleines Touchpad eingebaut.
Über Bluetooth wird die Brille mit dem Smartphone verbunden, was sowohl mit Android-Geräten als auch mit dem iPhone funktioniert. Nutzer bekommen dann auf das Glas Informationen angezeigt. Das kann beispielsweise eine Navigation oder auch Wettervorhersagen und Börsenkurse sein. Dabei muss das Smartphone in der Nähe sein, kann sich aber auch in der Tasche befinden.
Auch ein Anruf wird mit Namen angezeigt, wenn er sich im Adressbuch befindet. Nutzer können mit der Brille die Gespräche sogar annehmen. Der Hersteller erlaubt auch externen Entwicklern den Zugriff auf die Blade, sodass noch einige Funktionen hinzukommen könnten. Den Preis hat Vuzix noch nicht genannt. Die ersten Brillen sollen noch im ersten Quartal ausgeliefert werden.
Schuh ruft Hilfe
Warum sollte ein Schuh nicht Hilfe rufen können, wenn sein Träger stolpert und hinfällt. Das dachte sich auch das französische Unternehmen eVone, eine Tochter des Schuhherstellers Parade. Die Sohlen der eVone-Schuhe stecken voller Elektronik und Sensoren, darunter ein Chip für die GPS-Satellitenortung, ein Bewegungssensor und ein Gyroskop.
Sollte der Schuhträger fallen, erfassen die Sensoren den Notfall und schicken eine Nachricht über ein Schmalbandnetz an das eVone-Callcenter. Von dort werden dann Personen benachrichtigt, die der Schuhträger vorher festgelegt hat. Als Zielgruppe hat eVone vor allem ältere Menschen, Arbeiter und Personen ausgemacht, die allein Wandern gehen. Die ersten Schuhe sollen in diesem Jahr verkauft werden, derzeit sind nach Angaben des Unternehmens 26 normale Modelle und drei bis vier Sicherheitsschuhe in Planung.
Die Batterie des Schuhs hält sechs Monate und kann gewechselt werden. eVone plant zwei Tarife. Kauft der Nutzer den Schuh für 100 bis 120 Euro, zahlt er für den Service monatlich 20 Euro. Alternativ zahlt der Nutzer 30 Euro und bekommt alle zwölf Monate ein neues Modell. Von aussen sieht der Schuh ganz normal aus und ist nicht als Hightech-Schuh zu erkennen.
Motorradhelm für sicheres Fahren
Die Ankündigungen des Motorradhelm-Startups Skully Technologies sollten mit Vorsicht betrachtet werden. Das Crowdfunding-Unternehmen musste bereits einmal Insolvenz anmelden, 3000 Mikroinvestoren mussten ihr Geld vorerst abschreiben. Doch nun haben neue Investoren die Technologie aufgekauft und den Skully-Helm fertigentwickelt.
Er soll mit einem integrierten Minidisplay im Sichtfeld des Motorradfahrers für mehr Sicherheit beim Fahren sorgen. Das Display zeigt per Pfeilsymbol Navigationsanweisungen und blendet Bilder einer 180-Grad-Rückfahrkamera ein. So sollen Motorradfahrer ihre Augen auf die Strasse gerichtet lassen, anstatt in Rückspiegel oder auf Navigationsgeräte zu blicken.
Der integrierte Akku hält sechs Stunden und lässt sich während der Fahrt laden. Auf der CES zeigt Skully einen voll funktionsfähigen Helm, der rechtzeitig zur Motorradsaison 2018 auf den Markt kommen soll. Eine Sicherheitszertifizierung der US-Verkehrsbehörde DOT hat der Helm bereits. Also könnte der Marktstart diesmal klappen. Dann will Skully auch die Investoren der ersten Runde besänftigen und ihnen mit zwei Jahren Verspätung ihre Helme nachliefern.
Ein Fahrradlicht mit Notruf
«Cosmo» heisst ein neues intelligentes Zweiradlicht, dass sowohl am Helm eines Motorradfahrers als auch am Gepäckträger eines Fahrrads befestigt werden kann. Das Cosmo-Licht misst mit Bewegungssensoren, ob der Fahrer bremst. Dann leuchtet es wie ein Bremslicht hellrot auf. Dieselben Sensoren sollen auch schwere Fahrrad- oder Motorradstürze erkennen.
Im Fall des Falles bekommt der Fahrer erst eine SMS mit der Frage: Sturz erkannt, alles okay? Antwortet der Fahrer nicht, wird er auf dem Smartphone angerufen. Erfolgt auch darauf keine Antwort, löst das Cosmo-Licht einen Notruf aus – entweder an Familienmitglieder oder direkt an den Rettungsdienst. Ebenfalls integriert sind gelbe Blinker-Dioden, die per Fernbedienung vom Lenker gesteuert werden. Damit können Fahrradfahrer auch im Dunkeln anzeigen, wenn sie abbiegen möchten.
Alternativ kann der Blinker auch automatisch vom Smartphone gesetzt werden, dazu koppelt Cosmo eine Smartphone-App mit Navigationsfunktion. Das smarte Licht soll für 59 Euro im September auf den Markt kommen. Zudem hat Cosmo Partnerschaften mit Elektrofahrrad-Herstellern geschmiedet, die das Licht in Serie verbauen wollen. Interessant ist die Technologie vor allem für schnelle Pedelecs, die bis zu 45 Stundenkilometer schnell fahren.
Smarter Elektro-SUV
Die spektakulärste Präsentation vor dem Messestart lieferte das Elektroauto-Startup Byton ab. Die Gründer, ein Team von deutschen Top-Automanagern um den Ex-BMW-Manager Carsten Breitfeld, zeigen auf der CES erstmals ihre smarte Elektroauto-Plattform. Der Byton soll als erstes Elektro-SUV für den Massenmarkt Teslas Model X klar unterbieten. 45.000 Dollar Basispreis kündigte Breitfeld an. Dafür gibt es ab 2019 ein Fahrzeug mit respektablen 400 Kilometer Reichweite und 272 PS.
Wer mehr will, kann 520 Kilometer Reichweite und 476 PS mit Allradantrieb ordern. Wie viel das Topmodell kosten wird, verrät Byton noch nicht. Die eigentliche Innovation steckt im Cockpit: Dort will Byton ein spektakulär grosses 130-Zentimeter-Display über die ganze Fahrzeugbreite verbauen. Wenn der Byton wie angekündigt ab 2020 auf der Autobahn autonom fährt, können die Passagiere auf dem Display Filme gucken oder Büroarbeit erledigen. Dabei soll das Fahrzeug per Innenraumkamera die Bedürfnisse seiner Fahrer erkennen und dessen Präferenzen lernen.
Finanzkräftige Investoren
Die Fahrzeug-Software soll auch mit smarten Geräten des Fahrers gekoppelt werden, etwa via Smartwatch dessen Herzfrequenz interpretieren. Bei der Präsentation blieb manches bewusst vage, auch durfte sich niemand in die drei Prototypen hineinsetzen – noch ist Byton weit von der Serie entfernt. Andererseits hat Byton mit den chinesischen Technologieriesen Tencent und Foxconn finanzkräftige Investoren mit Durchhaltevermögen.
In China soll das Byton-SUV auch gebaut werden, zudem planen Breitfeld und Kollegen auf derselben Fahrzeugplattform weitere Fahrzeuge. Dazu aber müssen sie erst einmal eine Serienproduktion in China auf die Beine stellen – im Autogeschäft die schwierigste Aufgabe.
Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Das sind die skurrilsten neuen Technik-Gadgets».