In nur fünf Tagen haben sich hundert Millionen Nutzer bei Threads angemeldet. Den Kurznachrichtendienst hat die Facebook-Muttergesellschaft Meta von Marc Zuckerberg als direkte Konkurrenz zu Twitter lanciert. Twitter brauchte nach seiner Lancierung im 2006 noch fünf Jahre, um auf die gleichen Anmeldungen zu kommen. Und während Chat GPT es in einer Rekordgeschwindigkeit von fünf Tagen auf eine Million Nutzer brachte, schaffte das Threads in wenigen Stunden. Dabei ist der Dienst in Europa und der Schweiz aus Datenschutzgründen vorerst noch gar nicht verfügbar.
Eine ernsthafte Alternative zu Twitter zu haben, ist eine gute Sache. Eine solche bieten können aber nur die grössten Techfirmen wie eben Meta. Das liegt daran, dass der Wert eines Nachrichtendienstes wie Twitter und jetzt Threads davon abhängt, wie viele ihn bereits weltweit nutzen und sich über ihn austauschen (das nennt man Netzwerk-Effekt).
Zudem sind die Kosten pro Nutzerin oder Nutzer umgekehrt umso geringer, je mehr ihn bereits nutzen (das nennt man Skalen-Effekt). Mit Facebook, Instagram und Whatsapp erreicht Meta bereits einen grossen Teil der Weltbevölkerung. Damit verfügt das Unternehmen über ausreichend potenzielle Nutzerinnen und Nutzer für das neue Angebot und das erklärt die zahlreichen Anmeldungen in kürzester Zeit ebenfalls.
Diese simple Ökonomik bedeutet aber auch, dass ein anhaltender Erfolg von Threads zu Lasten von Twitter gehen wird. Deshalb ist das Meta-Angebot für den Multimilliardär, Tesla-Gründer, Mehrfach-Unternehmer und Twitter-Besitzer Elon Musk wirtschaftlich verheerend. Twitter war für ihn schon so eine Fehlinvestition. Wirtschaftlich stand das Unternehmen auf schwachen Beinen, im zweiten Quartal 2022 musste das damals noch börsenkotierte Unternehmen noch einen Verlust von 270 Millionen Dollar ausweisen.
Erklärung für die Aufforderung zum Zweikampf durch Musk
Im vergangenen Oktober musste Musk für den Kurznachrichtendienst dennoch 44 Milliarden Dollar hinblättern. Es war ihm aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich, sich vom Deal wieder zurückzuziehen, was er zuerst versucht hat.
Die Einführung von Threads mag deshalb die Absurdität erklären, weshalb Musk schon bei der Ankündigung der Pläne Meta-Chef Marc Zuckerberg zu einem wortwörtlichen Zweikampf in einem Käfig aufgefordert hat. Solche Ausbrüche an Spontanität ist man von Musk gewohnt. Ein weiterer Ausdruck des Frusts ist auch der Vorwurf an die Threads-Gründer, sie würden Geschäftsgeheimnisse von Twitter verwenden, was Meta bestreitet.
So sehr die neue Konkurrenz und deren Anfangserfolg Elon Musk jetzt ärgern mag, er hat daran einen wesentlichen Anteil. Musk konnte nie Befürchten ausräumen, dass unter ihm Hassbeiträge und Aufhetzungen gegen Andersdenkende verhindert werden. Das hat dem Ruf von Twitter geschadet. Abschreckend wirken zudem eingeführte und geplante Beschränkungen und Bezahlmodelle.
Doch die Zweifel an Musk und seinen Plänen sollten nicht vergessen machen, dass auch Meta keinesfalls über alle Zweifel erhaben ist. Das gigantische Online-Unternehmen hat bereits gezeigt, dass es wenig zimperlich ist, wenn es darum geht, seine Macht auszunützen, etwa wenn es um die Daten seiner Nutzer geht.
Als Kommunikations- und Informationskanal konnte Twitter einen grossen Nutzen bieten, es sei denn, man bleibt kritisch und offen für unterschiedliche Ansichten. Aber Twitter hat zugleich wie andere soziale Medien die Gefahr weiter befeuert, dass sich alle nur noch in ihrer eigenen Blase informieren, also jeder nur noch diejenigen Informationen bezieht, die eigene Vorurteile bestätigen.
An dieser für Demokratien gefährlichen Entwicklung ändert die Gründung von Threads als Alternative zu Twitter kaum etwas. Und ob Meta mehr als Twitter dafür tut, für ein Mindestniveau der Auseinandersetzungen zu sorgen, bleibt vorderhand ebenfalls offen.