Bei der Vorstellung seines neuen iPhones 15 und der Apple Watch 9 hat Apple dieser Tage viele Neuerungen angekündigt. Neben den typischen Verbesserungen bei Chips, Gestensteuerung und Kamera findet nun endlich die USB-C-Schnittstelle in das iPhone. Das klingt wie ein unbedeutendes technisches Detail, birgt aber einen politischen Erfolg Europas, gegen den sich Apple lange gewehrt hat. Seit Jahren kämpfen die Europäer – neben der EU auch die Schweiz – gegen die Schwemme an Ladegeräten, die unnötigen Elektroschrott produzieren. Die Gerätehersteller versuchten, möglichst viel Umsatz aus dem lukrativen Markt für Ladezubehör zu kitzeln, indem ihre Stecker nur auf ihre eigenen Geräte passten.
Apple gibt seinen Widerstand auf
Apple hat USB-C zwar massgeblich als weithin gültige Industrielösung mitentwickelt. Sie ist ihren Vorgängerinnen technisch weit überlegen. Apple setzt sie von iPads über Macbooks bis zu iMacs überall ein. Nur beim iPhone behauptete der Konzern standhaft, der Lightning-Stecker sei USB-C überlegen. Weil jeder wusste, dass das nicht stimmen kann, gibt Apple mit dem iPhone 15 nun seinen Widerstand auf. Künftig kann man iPhones mit Steckern laden, die überall passen – bei Apple und bei vielen Mitbewerbern.
Christoph Keese ist Verwaltungsratspräsident von World.Minds sowie Unternehmer und Unternehmensberater aus Berlin. Der Autor von sechs Büchern schreibt regelmässig über Technologie und Innovation, neuerdings auch zweiwöchentlich in der «Handelszeitung».
Die Causa zeigt, dass Beharrlichkeit sich in der Politik lohnen kann, wenn es darum geht, multinationale Konzerne zu mehr Nachhaltigkeit zu zwingen. Europa setzt Standards, die zu Weltstandards werden können, weil es sich beispielsweise für Apple nicht lohnt, iPhones auf anderen Kontinenten mit anderen Steckern auszuliefern.
Noch bemerkenswerter als der Fall USB-C ist bei der diesjährigen Produktvorstellung jedoch der Preis. Zum ersten Mal in der Geschichte von iPhone und Watch hat Apple die Preise reduziert, anstatt sie zu steigern. Je nach Modell sinken die Preise leicht oder bleiben gleich, bieten aber höhere Speicherleistung an. Diese Nachlässe machen 100 bis 150 Franken, Dollar oder Euro aus.
Was die Preissenkung zu bedeuten hat
Warum ist das bemerkenswert? Mit seiner Luxusstrategie legt es Apple seit Jahren darauf an, Topmodelle des iPhones mit rund 2000 Franken, Euro oder Dollar rund doppelt so teuer zu verkaufen wie durchschnittliche Laptopmodelle anderer Hersteller. Ein Telefon doppelt so teuer wie ein Computer – zu Zeiten von Nokia und vor der Erfindung des iPhone wäre dies ein aberwitziger Gedanke gewesen. Damals waren die meisten Menschen daran gewöhnt, maximal die Hälfte des Preises für einen Computer in ein Telefon zu investieren. Apple ist es über die Jahre gelungen, die subjektive Preiserwartung zu vervierfachen – vom halben Computerpreis zum doppelten.
Nun erscheint erstmals ein iPhone, dessen Preis unter denen des Vorgängers liegt. Dies dürfte eine direkte Folge der Spannungen zwischen den USA und China sein. Apple muss wie jeder andere Konzern damit rechnen, dass der Handel mit China noch weiter erschwert wird. Die Umsatzerwartungen an Apple bleiben weitgehend gleich, doch die Umsätze mit China geraten immer mehr unter Druck.
Apple kommt in der Realität an
Also muss Apple seine iPhone-Verkäufe im Rest der Welt steigern, dies aber unter den Bedingungen der in weiten Teilen der Welt vorherrschenden Inflation erreichen. Würde Apple in diesem Umfeld die ohnehin hohen Preise weiter erhöhen, wären Absatzschwäche und sinkende Auslastung der Produktionskapazitäten vermutlich die Folge. Daher setzen CEO Tim Cook und sein Team erstmals auf den Preis als Marketinginstrument – genau wie der Rest der Welt. Apple kommt in der Realität an, mit der sich fast alle Unternehmen der Erde ebenfalls herumschlagen.
Sorgen muss man sich um Apple sicher nicht machen. Die Margen bleiben auch nach den Preissenkungen hoch. Doch sie geraten leicht unter Druck. Weniger Freihandel führt zu weniger Wohlstand – der Fall iPhone liefert dafür ein anschauliches Beispiel.