Frank Thelen, warum soll «Höhle der Löwen» auch in der Schweiz so erfolgreich werden wie in Deutschland?
Ein neues Format ist immer ein Risiko, aber auch eine Chance. Ich kann nicht sagen, wie es wird. In Deutschland haben viele am Anfang gedacht, die Sendung stosse nicht auf Interesse. Doch sie hat hervorragend funktioniert. Die Schweizer Ausgabe ist gut produziert, sie haben tolle «Löwen» gefunden, darunter auch zwei starke Frauen. Jetzt muss der Kunde – also der Zuschauer – entscheiden. Ich hoffe, es wird ein Erfolg. Es geht ja um mehr als Zuschauerzahlen.
Um was denn?
«Höhle der Löwen» fördert das Unternehmertum. Ich habe gesehen, was die Sendung in Deutschland bewirkt hat. Unternehmertum ist damit im breiten Volk angekommen. Man kann sich in Deutschland kaum mehr bewegen, ohne irgendwann ein Produkt aus «Höhle der Löwen» in der Hand zu halten. Egal, ob Eiscreme, auf der Toilette.
Klappt das in der Schweiz auch? Die Schweizer sind ja nicht so bekannt für ihre Risikofreudigkeit.
Wir hatten die gleiche Frage in Deutschland. Wie ihr Schweizer euch vielleicht gegenüber Deutschland in Sachen Unternehmertum sieht, vergleichen wir uns stärker mit den USA. Dort ist «Selfmade» gross, die Leute sind dynamisch und suchen das Risiko. In Deutschland schauen sich junge Leute – wohl genauso wie in der Schweiz – aber eher auch nach einem Job in einem grossen Unternehmen wie beispielsweise Siemens oder Deutsche Telekom um.
Sie wollen ein Umdenken fördern?
Ich glaube, die Zeiten haben sich geändert. Die Leute haben Bock, selbst etwas zu machen. Die Startup-Kultur kommt gut an und die Leute begreifen langsam, dass es viele Chancen gibt. Es ist einfacher als je zuvor, ein Unternehmen zu gründen. Es gibt die Cloud, es gibt Smartphones, man kann Millionen von Menschen über den App Store erreichen. Das Thema ist jetzt reif für die Schweiz. Die Sendung kann dabei einen starken Impuls geben.
Was ist der Unterschied, wenn Deutsche und Schweizer pitchen?
Erstmals waren die Pitchs auf «Schwiizerdütsch». Das ist für mich schon manchmal schwierig zu verstehen. Die Pitches waren sehr gemischt, starke Ideen, aber auch schwache Firmen. Unsere Pitches in der ersten Staffel in Deutschland waren aber insgesamt schlechter als hier in der Schweiz.
Schweizer Gründer können also mit Silicon Valley mithalten?
Eine Geschichte zu erzählen ist der kürzeste Weg zum Herzen. Deshalb sagen sich die Gründer aus dem Silicon Valley, ich mache bei meinem Pitch grosses Storytelling. «It will change the world» oder «We want to make the world to a better place». Das klingt doch nach was!
Ja, aber das können Schweizer Gründer kaum so rüberbringen.
Deutsche Gründer doch auch nicht. Deshalb ist «Höhle der Löwen» so wichtig. Gründer sagen sich: «Komm, wir machen das so wie bei «Höhle der Löwen». Diese Mentalität vermittelt die Sendung. Das hat einen positiven Impact. Es gibt heutzutage nach wie vor nichts besseres als Prime-Time-Fernsehen. Trotz all den Sozialen Medien – Prime Time TV bewegt.
Es soll Gründen im Mainstream verbreiten. Aber die grosse Mehrheit wagt sich doch nicht, selbständig zu werden.
Es geht nicht darum, dass nun alle ein Startup gründen. Wir brauchen die richtigen Leute, die gründen. Viel wichtiger ist, dass sich die Menschen mit ihren Unternehmen neu erfinden können. Der Café-Besitzer, der Student, der Ladenbetreiber, der CEO. Sie alle sollen die Startup-DNA leben. «Failure is an option», das muss sich hier verankern. Es geht darum, dass mehr Leute wie ein Startup denken.
Viele sind sich darüber wohl bewusst. Warum setzen Sie es nicht um?
Der erste Schritt ist der schwerste! Viele denken, warum soll man auf etwas Neues setzen? Aber man muss einfach machen. Die Chance ist gross, dass es funktioniert. Wir sehen oft nur das Risiko anstatt die Chance. Aber etwas zu wagen ist befriedigend.
Wie kann man bei «Höhle der Löwen» einen Pitch gewinnen?
Man muss hinter dem Produkt stehen und nicht einfach ins Fernsehen wollen, schnelles Geld einsahnen. Es braucht ein gutes Produkt, das skalierbar ist. Und das Team muss passen und glaubhaft rüberbringen, dass es etwas mit einem der Löwen aufbauen möchte.
Schweizer Startups expandieren nach Berlin, deutsche Startups in die Schweiz...
Ich hoffe, in ganz Europa! Weil wir müssen gegen die USA und China bestehen. Europa hat leider alles verpennt. Smartphone, Cloud, autonomes Fahren. Jetzt kommen aber neue Technologien wie KI, 3D-Druck, Blockchain, Quantencomputer. Da muss Europa nun seine Chance ergreifen.
Warum hadert der Kontinent so sehr? Warum arbeiten Politiker nicht zusammen?
Ich arbeite mit vielen Regierungen in Europa. Mit der Schweizer noch nicht. Aber jederzeit gerne. Für Deutschland kann ich nur sagen: Man kriegt die Dinge nicht durch, es braucht viel Zeit mit all den Parteien. In Liechtenstein ist es schon anders. Dort sind die Prozesse schneller. Dazu kommt: Der Schweiz im Speziellen geht es sehr gut. In solchen Zeiten ist es sehr schwer, einen Wandel durchzuführen. Weil es bequem ist, so wie es ist. Aber wer weiss. Auch die Schweiz könnte in zehn Jahren ein Entwicklungsland sein.
Ach Quatsch...
Niemand hört Dir bei einer solchen Aussage zu. Alle lachen gleich und denken, man sei verrückt. Deutschland geht es ebenfalls gut. Wenn wir jetzt aber neue Technologien nicht ernsthaft und progressiv nutzen und aufbauen, dann könnten schneller die Lichter ausgehen als wir glauben. Ich bin Pro-Europa, ich kämpfe für Europa, ich investiere nur in Europa. Jetzt müssen wir aber selbstbewusst sagen: «Europa wird Blockchain-ChampionI».
In die Schweiz fliesst nicht so viel Risikokapital in Startups. Viele Gelder kommen aus dem Ausland. Weshalb?
In der Schweiz hat man riesige Vermögen. Das sind Familienunternehmen oder sonstige Reiche. Die investieren aber vorwiegend in Immobilien, in Infrastruktur. Aber niemand getraut sich, in Chancen zu investieren. Auch bei Getyourguide ist kein Schweizer umfangreich dabei.
Ist das wieder die Angst vo dem Risiko?
Ja, sie sehen die Chance nicht. Deshalb ist mein Aufruf an die starken Familie: Ihr verpasst etwas! Der echte Werthebel sind Startups. Ihr werdet auch Geld verlieren. Aber glaubt daran, dass kleine Unternehmen gross und relevant werden können.
Wie sieht es bei Ihren Investitionen aus. Wie entwickelt sich die Performance?
Ich habe bisher null Euro Return. Ich habe viele Millionen investiert. Einige Unternehmen haben wir abgeschrieben. Aber es gibt auch einige, die sich gut entwickeln und einige sehr erfolgreiche Unternehmen. Wir verfolgen einen langfristigen Investitionsansatz, bauen die Firmen jetzt über viele Jahre auf, und erwarten einen 15-20-fache Return auf unser Kapital.
Wann platzt die Blase bei den Tech-Unternehmen?
Technologie wird teilweise zu hoch, aber auch zu tief bewertet. Ich glaube auch, dass Uber überbewertet ist. Andere Unternehmen wie Tesla sind nach meiner persönlichen Auffassung unterbewertet. Wir sehen verschiedene Sichtweisen am Markt. Wir haben aber keine Tech-Bubble. Aber es wird natürlich mal wieder 40 Prozent runtergehen. Investitionen in Technologie muss man immer langfristig sehen. Aber Mut und Ruhe fehlt uns in Europa.