Langsam, aber sicher breitet sich auch bei Schweizer Chefs die Lust an Social Media aus. Ganz vorne dabei ist Adecco-Chef Alain Dehaze, der täglich twittert und jeden zweiten Tag einen Beitrag auf Linkedin schreibt oder teilt. Auch Novartis-CEO Vas Narasimhan ist neben Twitter und Linkedin gleich noch auf Instagram aktiv und versorgt seine 5093 Follower mit einem Foto pro Woche. Kürzlich veröffentlichte er sein Ernährungs- und Schlafprotokoll auf Linkedin und verriet seine Bettlektüre und seinen Menüplan.
Erst seit ein paar Monaten dabei, aber dafür umso aufmerksamer verfolgt, ist UBS-Chef Sergio Ermotti, der sich gerne auch mal angriffig gibt und mit Journalisten und Journalistinnen über ihre Artikel diskutiert.
Lautes Schweigen
Die Hoffnung der Wirtschaftselite: endlich einen direkten Draht zum Publikum zu haben. Ohne die komplizierten Bedenkenträger im Legal, bei Communications und Compliance. Authentisch und nahbar wirken, eine Inspiration für Mitarbeitende sein. Ermotti, Dehaze, aber auch SBB-Chef Meyer und ABB-Präsident Voser wollen neben ihrem Topjob auch den Traumjob der Jugend: Influencer auf allen Kanälen.
Schweizer Topchefs meiden soziale Netzwerke. Eine Handvoll hingegen ist sehr aktiv. Welche lesen Sie hier.
Das Problem ist: Keiner der aktiven Schweizer CEO nutzt die Chancen von Social Media richtig. Gerade die auf Social Media aktivsten Schweizer Chefs haben in den letzten Wochen in ihrer Kommunikation auf Twitter, Linkedin und Co. für alle sichtbar versagt.
Ein paar Beispiele: Narasimhan erklärt zwar, wie viele Stunden er pro Tag fastet. Aber zu den manipulierten Tierversuchsdaten, die in den letzten Wochen die US-Behörden auf den Plan gerufen haben, hat man bisher nichts gelesen. Adecco-Chef Dehaze twittert zwar ein Foto von seiner Teilnahme am G7-Gipfel in Biarritz. Über den Umsatzeinbruch bei seinen Personalvermittlern und Gegenmassnahmen hört man leider nichts. SBB-Chef Meyer tritt auf Social Media im Hoodie auf und retweetet, was das Zeug hält. Zum Tod des Zugbegleiters, der wegen einer defekten Türschliesstechnik mitgeschleift wurde, liest man keinen Post des Bedauerns.
Bitte nicht nur Feelgood-Posts
Und auch die Tweets von Sergio Ermotti haben die bleierne UBS-Aktie nicht merkbar beflügelt. Im Ausland ist es meist nicht besser: Tesla-Chef Elon Musk liefert sich einen Tweet-Kleinkrieg mit der Börsenaufsicht, Siemens-Chef Joe Kaeser verstrickt sich mit Anti-AfD-Postings in die deutsche Parteienpolitik.
Tatsächlich ist es doch so: Wenn es ernst wird, nehmen Chefs Social Media nicht ernst. Die Kanäle sind aber nicht nur Schönwetterveranstaltungen. Sie wären eine Chance, gerade in heiklen Lagen Präsenz zu zeigen, die Linie vorzugeben, eine Vision oder mindestens Empathie zu vermitteln. Tatsächlich verbieten die Legal- und Compliance-Abteilungen ihren Chefs bei Problemen das Twittern. Aber: Entweder man hat als CEO zu drängenden Fragen der Firma etwas zu sagen – gerne auch rechtlich wasserdicht –, oder man spart sich auch die restlichen Feel-Good-Postings.