Da geht noch was, könnte das neue Mantra der Technologiewelt sein, die sich ab Dienstag in Las Vegas auf der Consumer Electronics Show (CES) einfindet. Während der grössten Leistungsschau der Unterhaltungselektronik zeigen 4500 Aussteller in der Wüstenstadt Nevadas, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Ob das am Ende auch der Rest der Welt so glaubt, ist zweifelhaft.
Denn eine grosse Zahl der dort vorgestellten 20’000 Neuheiten schafft es nie in die Hände der Konsumenten. Zu skurril und abwegig sind einige der präsentierten Geräte. Ihnen gemein dürfte aber die künstliche Intelligenz sein, ohne die sich kaum noch ein Hersteller vor die Tür traut, auch wenn vieles davon nur Marketing ist.
LG zeigt den faltbaren TV
Oft treiben die Hersteller bisherige Trends weiter voran – und erfinden das Rad nicht unbedingt neu. Während die meisten Verbraucher schon davon ausgehen, mit ihren 4K-Fernsehern ganz oben in der Gruppe der Technologieanwender angekommen zu sein, wird es in Las Vegas gleich eine ganze Reihe von neuen 8K-Fernsehern geben.
War auf der IFA im vergangenen Jahr Samsung der Vorreiter bei den Fernsehern, die eine viermal grössere Auflösung haben als die 4K-Geräte, so wird der Klub auf der CES deutlich grösser. Der südkoreanische Hersteller LG zeigt seine 8K-Geräte sowohl mit LCD- als auch mit Oled-Displays. Angeblich hat LG auch seinen flexiblen Fernseher zur Marktreife gebracht, der sich bei Bedarf einrollen lässt.
Samsung setzt auf Oled
Der TV-Marktführer Samsung springt Berichten zufolge in Las Vegas sogar gleich zweimal über seinen Schatten. Zum einen soll der Hersteller künftig ebenfalls wieder auf Oled setzen, nachdem man sich bisher davon ferngehalten hat.
Zum andern könnte der Google Assistant auf den Smart-TVs der Südkoreaner zum Einsatz kommen, obwohl Samsung mit Bixby einen eigenen digitalen Sprachassistenten im Angebot hat, der in der Vergangenheit mit grossem Aufwand vorangetrieben wurde.
5G verändert den Mobilfunk
Auch wenn die Mobilfunkwelt mit dem MWC in Barcelona im Februar eine eigene Messe haben wird, dürfte die nächste Mobilfunkgeneration 5G auch in Las Vegas in aller Munde sein. Zwar werden sich die Smartphone-Hersteller dort weitestgehend zurückhalten. Doch die US-Mobilfunker Verizon, AT&T und T-Mobile treibt das Thema längst um, die ersten Dienste laufen bereits. Auch die Automobilbauer und Zulieferer haben 5G-Nachrichten im Gepäck.
Trotzdem wird es auch die eine oder andere Smartphone-Neuheit geben. Die Royole Cooperation zeigt ihr Gerät mit einem faltbaren Display unter dem Namen FlexiPai. An ähnlichen Lösungen arbeiten Samsung und Huawei, auch wenn sie dies auf der CES wohl nicht zeigen werden.
Dafür bringt Samsung möglicherweise eine neue Displaytechnologie mit der Bezeichnung «Sound on Display» mit, bei der das Display durch Vibration den Ton ausgibt, ein Lautsprecher ist dann nicht mehr nötig. Das ist hilfreich bei Geräten, deren Display sich dann über die gesamte Front zieht. Sharp und der chinesische Hersteller Xiaomi haben ähnliche Lösungen.
Ein smartes Katzen-WC
Das vernetzte und smarte Zuhause war schon in den vergangenen Jahren in Las Vegas der Star der Show. Hier kann sich das Internet der Dinge richtig austoben. Dieses Mal wird es sogar ein smartes Katzen-WC geben, das sich selbst reinigt und dem Besitzer per Nachricht auf dem Smartphone mitteilt, wann das Tier sein Geschäft erledigt. Bei vielen der Lösungen dürfte die Motivation eher lauten: Weil man es kann.
Ein Déjà-vu wird es mit dem Zweikampf von Amazon und Google geben. Welcher digitale Sprachassistent wird in die meisten Geräte eingebaut? Auf der CES wird es entsprechende Mikrowellen und Wanduhren zu sehen geben, mit denen man sprechen kann. Einer der Favoriten dürfte ein E-Bike von Cybic Legend sein, in das Alexa eingebaut ist. Wer es also will, kann nach Hause radeln, per Sprache das Licht anschalten und dabei schon mal die Pizza bestellen.
Roboter gehen zu Hand
Hatte der Roboter mit dem Namen Pepper auf den vergangenen Shows noch Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wird es in diesem Jahr wimmeln von diesen kleinen Helfern. Roboter – so viel lässt sich jetzt schon sagen – werden uns in Zukunft immer häufiger zur Hand gehen. Der südkoreanische Hersteller LG bringt neben mehreren Servicerobotern auch seinen CLOi SuitBot nach Las Vegas mit, eine Art Exoskelett, das sich Menschen von der Hüfte abwärts anlegen können. Sobald sie dann einen schweren Gegenstand heben, hilft der Roboter.
Zu sehen gibt es aber auch mehrere Lieferroboter, unter anderem von Starship und Nuro, die autonom Bestellungen an die Kunden ausliefern können. Bei Robotern wird es, wie auch bei vielen anderen Gerätegattungen, zum guten Ton gehören, dass sie künstlich intelligent sind. Einige der Roboter sollen sogar in der Lage sein, Gefühle zu erkennen. Das sollte Pepper eigentlich auch können. In der Praxis ist davon aber nicht allzu viel zu bemerken.
Es ist auch eine Automobilmesse
Die Veranstalter der Consumer Electronics Show wollen ihre Messe gar nicht mehr so genannt wissen und sprechen nur noch von der CES. Tatsächlich ist sie längt über die Unterhaltungselektronik hinausgewachsen. In diesem Jahr sind sogar elf grössere Automobilhersteller in Las Vegas vertreten. Lange galten die Messehallen im Zentrum Detroits als der Ort, an dem Autohersteller die ersten Neuigkeiten des Jahres verkünden. Aber diese Zeit ist wohl vorüber, die Motor Show in dem US-Bundesstaat Michigan verliert an Bedeutung.
Daimler etwa ist gar nicht mehr in Detroit vertreten. Die Stuttgarter haben Las Vegas gewählt, um ihre jüngste Schöpfung zu enthüllen: Auf der CES stellt das Unternehmen den neuen CLA vor. Der sportlich aussehende Viertürer soll in seinem Cockpit Navigationssysteme besitzen, die mit Augmented Reality arbeiten. Zudem soll das Auto Sprachbefehle verstehen.
Daimler präsentiert sein E-Auto
Keine Weltpremiere, aber immerhin eine US-Premiere feiert der EQC, Daimlers erster Elektro-Pkw – und das ist ein wichtiger Schritt, um den Rivalen Tesla auf seinem Heimatmarkt anzugreifen. Der EQC ist nicht nur einfach ein weiterer Stromer, er gilt als Gradmesser dafür, ob Daimler der Sprung in die Ära der Elektromobilität gelingt.
Der Hersteller führte das Fahrzeug bereits im vergangenen Jahr in Stockholm vor. Es handelt sich um einen mittelgrossen SUV, ein Modell, das sich zuletzt in den meisten Regionen der Welt als beliebt erwies. Der EQC soll eine Reichweite von 450 Kilometern haben und so nicht nur für den Stadtverkehr geeignet sein, sondern auch für längere Fahrten über Land.
Die Zukunft der Mobilität
Aber Daimler präsentiert auf der CES nicht nur einzelne Autos. Man will auch erklären, wie man sich die Zukunft der Mobilität insgesamt ausmalt. Dazu zeigt das Unternehmen zum ersten Mal in Amerika sein Konzept namens Urbanetic. Die Idee sieht ein elektrisch angetriebenes Chassis vor, das je nach Einsatzzweck mit unterschiedlichen Aufbauten versehen wird.
Als Ride-Sharing-Fahrzeug – auf Abruf verfügbar wie heute Autos von Uber, Lyft oder Via – bietet es zwölf Passagieren Platz. Mit einem Cargoaufsatz wird es zum Gütertransporter. Im morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr, so stellt Daimler es sich vor, könne die Flotte verstärkt mit dem Passagiermodul bestückt werden, in anderen Zeiten mehrheitlich mit dem Frachtmodul. Fahrgäste oder Unternehmen sollen die Autos per App bestellen können.
Bosch hat ein Shuttle im Angebot
Etwas Ähnliches plant Bosch, der grösste deutsche Automobilzulieferer. Es geht um das Konzept eines autonomen, elektrischen Shuttles. Solche Fahrzeuge werden bald das Strassenbild in den Metropolen der Welt prägen, heisst es von dem Konzern. Bosch will Hardware und Software zeigen, mit denen Nutzer die Shuttles buchen und bezahlen können.
Aber Bosch beschäftigt sich in Las Vegas nicht nur mit der Zukunft, sondern auch mit dem Hier und Jetzt. Man will eine kleine Veränderung präsentieren, die eine grosse Wirkung haben soll: die Mirror Cam. Sie macht die Aussenspiegel an Lkw überflüssig. Zwei Kameras, rechts und links am Dachrahmen angebracht, zeichnen auf, was hinter und neben dem Truck geschieht – und spielen dem Fahrer die Bilder auf zwei grosse Displays. Das System soll eine bessere Rundumsicht bieten. Zudem soll es den Spritverbrauch senken, denn die kleinen Digitalkameras sind deutlich windschlüpfriger als klobige Spiegel.
Russen erproben ein Robotertaxi
Auch ein anderer deutscher Autozulieferer wird in Las Vegas vertreten sein. Continental will auf der CES vorführen, wie sich Staus, Unfälle und Verschmutzung verringern lassen, sagt Helmut Matschi, Mitglied des Vorstands. Das Unternehmen hat zum Beispiel eine intelligente Kreuzung entwickelt, die zurzeit in der kalifornischen Stadt Walnut Creek getestet wird. Auf der CES verdeutlicht eine Augmented-Reality-Ansicht, wie die Kreuzung arbeitet. Die Ampeln, so die Idee, kommunizieren mit den herannahenden Autos. Sie warnen die Fahrer, wenn Fussgänger die Kreuzung überqueren wollen. Zudem informieren sie Linksabbieger über entgegenkommende Autos und Rechtsabbieger über von links kommende Fahrzeuge.
Dass die Träume der Zukunft schon fast alltagstauglich sein sollen, will die russische Internetfirma Yandex beweisen. Das Unternehmen wird eine Fahrt mit einem Robotertaxi anbieten – und das nicht auf einer abgeschirmten Teststrecke, sondern direkt auf den Strassen von Las Vegas. Das Unternehmen erprobt seine Technologie, verbaut in einen Toyota Prius, bereits seit einigen Monaten in russischen Städten. Bisher ist stets noch ein Sicherheitsfahrer mit an Bord, aber bald sollen die Computer vollständig das Kommando übernehmen. In Las Vegas wird sich erahnen lassen, wie bald diese Vision Wirklichkeit wird.
Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Es gibt sogar noch ungewöhnlichere Ideen als Daimlers Baukasten-Auto».