Als ob der Weltfrieden auf dem Spiel stünde, wettern Geschäftsbanker, Politiker und Notenbanker im Westen pausenlos gegen Facebook und monieren, wie gefährlich die geplante Währung Libra für unsere Gesellschaft wäre. Der Druck zeigt Wirkung. Bereits verzögert sich das Projekt. «Dead on arrival», jubeln die Kritiker. Tot, bevor es losgeht.
China schafft derweil Fakten ganz anderer Art. Eben verkündete Staatschef Xi Jinping, sein Land setze künftig voll auf die Blockchain-Technologie. Jene Technologie also, die allen neuen Währungen und neuartigen digitalen Rechten zugrunde liegt. Milliarden von Renminbi fliessen nun in chinesische Startups. Schon bald startet die chinesische Zentralbank mit ihrer eigenen Kryptowährung DCEP.
Die zwei Gesichter der Blockchain
Man soll sich nicht täuschen lassen. Blockchain-Tech hat zwei Gesichter: Sie kann das Individuum schützen, den Bürger ermächtigen und ihm Verantwortung etwa im Umgang mit Vermögenswerten übertragen – oder aber umgekehrt zur totalen Kontrolle der Bürger führen. Eben lancierte Chinas KP eine App, mit welcher Parteimitglieder ihre Loyalität gegenüber der Partei verewigen können. Unabänderlich, für alle einsehbar: Die App ist das perfekte Instrument, um Konformität zu fördern – gebaut mit Blockchain-Tech. China hat das Potenzial der Technologie längst erkannt. Und die Partei versteht es, sie für ihre Zwecke zu nutzen.
Der Westen steht am Scheideweg. In der Vergangenheit liess er tendenziell offene Systeme zu, welche das Individuum ermächtigen. Wie etwa das World Wide Web, das alle Bürger zu Publizisten machte. Blockchain-Tech verspricht eine ähnliche Welle von Umwälzungen. Vielleicht gehören neue Währungen und mehr Wettbewerb dazu. So genau weiss das niemand – und das birgt Risiken. Jede neue Technologie bringt ein bestimmtes Schadenspotenzial mit sich. Freiheit war noch nie gratis zu haben.
Zurzeit allerdings formiert sich eine mächtige Allianz von Etatisten, Zentral- und Geschäftsbankern, welche die neue Technologie zurückbinden wollen. Die ersten wollen mehr Sicherheit, die zweiten keine private Konkurrenz, die dritten keine in ihren Gewässern fischenden Tech-Giganten.
Libra ist ein Symbol für die Unterschiede zwischen Ost und West
Das ist alles nachvollziehbar. Und doch ist das in Paris, Berlin und Washington geforderte Verbot eben auch Ausdruck des langfristigen, übergeordneten Trends: mehr Überwachung, mehr Kontrolle in Alltagsbereichen. Heute trifft es Facebook. Morgen werden andere Firmen am Pranger stehen, welche die Freiheitsgrade des einzelnen Bürgers erhöhen.
Deshalb ist Libra mehr als ein Konzernprojekt. Die Währung ist ein Symbol für die Unterschiede zwischen China und dem Westen. Sie ist eine Frage an uns, wie viel Freiheit wir zulassen und dafür Unwägbarkeiten und potentielle Schäden in Kauf nehmen wollen.
Libra will seinen Sitz in der Schweiz haben. Gut so. Die Schweiz sollte die Sache unterstützen.