Facebook treibt seine Digitalwährung Libra voran. Letzte Woche bekräftigte der Projektverantwortliche David Marcus, dass Libra wie angekündigt Anfang 2020 lanciert werden soll. Doch wenige Monate vor dem Start sind noch sehr viele Fragen offen.

 

In einem viel beachteten Artikel kommt der deutsche Professor Stefan Eichler als Co-Autor zum Schluss: Die Digitalwährung könnte vor allem in Schwellenländern zum Erfolg werden. «Ich sehe durchaus Chancen, dass sich Libra in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern durchsetzen kann», sagt Eichler im Interview.

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Stefan_Eichler_Dozent_TU_Dresden

Stefan Eichler ist Professor für Internationale Monetäre Ökonomik an der TU Dresden und leitet die Forschungsgruppe Marktstrukturen im Finanzsektor und Finanzstabilität am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Er forscht zu Wechselkursen, Finanzkrisen, Geldpolitik und internationalen Investitionen.

 

Quelle: ZVG

Libra wird als Projekt von Facebook wahrgenommen. Ist das der Geburtsfehler dieser digitalen Währung?
Libra besteht ja nicht nur aus Facebook. Da machen auch Visa, Mastercard, Ebay, Uber und eine Reihe anderer Konzerne mit. Facebook ist nur ein Spieler in dem Konsortium, wenn auch ein sehr wichtiger. Die meisten Bürger nutzen bereits eine oder mehrere Dienstleistungen des Konsortiums. Da ist ein gewisser Vertrauensvorschuss vorhanden. Doch wir haben es mit einer privatwirtschaftlichen Währung zu tun, die nicht demokratisch legitimiert ist. Das grösste Problem von Libra sind aber die volkswirtschaftlichen Kosten.

Was meinen Sie damit?
Libra hat für den einzelnen Nutzer viele Vorteile. Es wird ein niederschwelliges Angebot und bringt beispielsweise geringe Transaktionskosten. Würde sich Libra grossflächig durchsetzen, hätte das allerdings gravierende Folgen. Beispielsweise garantiert eine Währung wie der Euro, dass die Zentralbank Geldpolitik machen kann. Verdrängt Libra die angestammte Währung, wäre dies nicht nicht mehr möglich.

Um was es bei diesem Projekt geht

Diese Risiken entstehen nur, wenn Libra in vielen Wirtschaftsbereichen und grossflächig zum Einsatz kommt. Ist das eine realistische Annahme?
Ich sehe wenig Chancen, dass Libra in den grossen Industrieländern massenhaft verwendet wird. Das liegt daran, dass wir diese Vorteile von Libra – Kostenersparnisse bei Transaktionen, und ein wertstabiles Geldmittel – schon haben. Wir haben beispielsweise den stabilen Euro, Franken und Dollar. Für Entwicklungs -und Schwellenländer besteht hingegen sehr grosses Potential. In einigen Schwellenländern könnte Libra tatsächlich zu einer dominanten Währung werden.

Weil es die Bevölkerung in diesen Staaten will?
Das bringt Libra als grosses Argument. Es gibt viele Menschen, die nicht im Finanzsystem partizipieren, weil das Finanzsystem in vielen Ländern noch in den Kinderschuhen steckt. Wenn sich Libra durchsetzt, könnten Teile der Bevölkerung Kredite bekommen und Unternehmen gründen, die heute keine Chancen dazu haben.

Dann sehen Sie nur Vorteile?
Für die Bürger und Unternehmen sehe ich grösstenteils Vorteile. Weil sie zum ersten Mal die Möglichkeit erhalten, mit einem stabilen Geld zu sparen, zu zahlen und Kredite zu bekommen. Für den Staat ist das natürlich auch eine Bedrohung. In vielen Ländern missbraucht der Staat die Zentralbank für seine Zwecke.

Wie wird sich das Projekt entwickeln?
Viele politischen Akteure in den USA und Europa stehen dem Projekt ablehnend gegenüber. Die politischen Signale sind negativ. Das kommt nicht überraschend, weil wir ein gut funktionierendes staatliches Geldsystem haben.

Kann dieser Widerstand Libra verhindern?
Vonseiten der Regulierung kann man das Projekt so stark torpedieren, dass es unattraktiv wird. Elektronische, auf der Blockchain basierte Währungen haben eine Zukunft. Die Frage ist aber, ob sie von privaten Anbietern angeboten werden müssen. Geld ist gutes Geld, wenn es Vertrauen geniesst. Und in unseren Gesellschaften setzt der Staat dieses Vertrauen durch. Der Staat bestimmt, was Geld sein soll.

«Dass sich eine chinesische Blockchain-Währung weltweit durchsetzt, bezweifle ich.»

Und wenn jetzt Projekte von supranationalen Konsortien kommen, von Libra oder chinesischen Konzernen, muss sich zeigen, ob sie genügend Vertrauen schaffen können. Viele Bürger verbinden mit Facebook Datenskandale und sind Libra gegenüber deshalb sicherlich skeptisch eingestellt. Dass sich eine chinesische Blockchain-Währung weltweit durchsetzt, bezweifle ich.

Rechnen Sie mit einem Gegenprojekt der westlichen Notenbanken zu Libra? Der britische Notenbankchef Mark Carney schlug vor, ein Netzwerk von digitalen staatlichen Währungen zu schaffen.
Das halte ich für realistisch. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir irgendeinmal einen Blockchain basierten Euro erhalten. In den Industriestaaten wäre das eine harte Konkurrenz zu Libra. Wieso soll ich in Libra nutzen, wenn ich auch mit einem Blockchain-Euro bezahlen kann?

POLAND - 2019/07/08: In this photo illustration a facebook crypto currency Libra logo seen displayed on a smartphone. (Photo Illustration by Omar Marques/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)

Libra: Hinter dem Projekt stehen nebst Facebook derzeit 27 weitere Grosskonzerne.

Quelle: SOPA Images/LightRocket via Gett

Wagen wir einen Blick in die Kristallkugel: Wie wird Libra in fünf Jahren aussehen?
In fünf Jahren wird es Libra auf jeden Fall geben. Ich sehe durchaus Chancen, dass sich Libra in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern durchsetzen kann.

Mit allen Funktionen einer Währung?
Ja, weil in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern der Staat es nicht schaffen wird, eine staatliche Währung auf Basis der Blockchain zu starten.

Und in Europa und den USA?
Hier sehe ich geringe Chancen, dass sich Libra als wichtige Währung durchsetzt. Ich kann mir vorstellen, dass die Kryprowährung zugelassen wird, aber nicht so erfolgreich wird, wie sich dies das Konsortium wünschen würde.