Die 1:12-Initiative verlor wie viele Volksbegehren im Verlauf der Abstimmungskampagne an Zuspruch. Bei der ersten SRG-Umfrage hatten sich das Ja- und das Nein-Lager mit je 44 Prozent noch die Waage gehalten. Am Ende scheint sie ausserhalb des linken Lagers kaum Unterstützung gefunden zu haben.
Die Initianten konnten nicht an den Erfolg der Abzocker-Initiative von Thomas Minder anknüpfen, die weit ins bürgerliche Lager hinein Anhängerinnen und Anhänger gefunden hatte. Die Stimmenden sagten damals deutlich Ja zur Stärkung der Aktionärsrechte - im Willen, ein Zeichen gegen Millionenlöhne zu setzen.
Mit der 1:12-Initiative schlugen die Jungsozialisten (JUSO) einen direkteren - und radikaleren - Weg vor, um Lohnexzesse zu unterbinden: Der Staat sollte eingreifen und vorschreiben, dass kein Chef in einem Monat mehr verdienen darf als seine Angestellten in einem Jahr. Im deutlichen Resultat offenbart sich auch ein klassisches Links-Rechts-Konfliktmuster.
Frage erledigt
Nach dem Ja zur Abzocker-Initiative war die Nervosität bei Wirtschaftsverbänden und bürgerlichen Parteien gross gewesen. Entsprechend erleichtert zeigten sie sich nun. Das Resultat sei ein klares Bekenntnis zum Erfolgsmodell Schweiz, schreibt das bürgerliche Nein-Komitee. «Die Bevölkerung liess sich nicht von der Initiative verführen», sagte der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser.
Erfreut zeigte sich auch Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Mit dem Entscheid sei der Wirtschaftsstandort weiterhin zuverlässig, berechenbar und wettbewerbsfähig, sagte er vor den Medien in Bern. Aus Sicht von SVP-Nationalrat Jean-François Rime hätten die Bürger sehr wohl den Unterschied zwischen der Abzocker-Initiative und der JUSO-Vorlage verstanden. Die Frage der Lohnexzesse sei damit erledigt, sagte der Präsident des Gewerbeverbands.
Ein gutes Omen
Sowohl die Sieger als auch die Verlierer fokussierten am Sonntag bereits auf die Mindestlohninitiative des Gewerkschaftsbundes, über die das Stimmvolk voraussichtlich kommendes Jahr entscheiden wird. Die Initiative «für den Schutz fairer Löhne» verlangt einen Mindestlohn von rund 4'000 Franken im Monat. In der kommenden Wintersession befasst sich der Nationalrat damit.
Betont gelassen geben sich dabei die heutigen Abstimmungssieger. Das heutige Resultat sei ein gutes Omen für ein Nein bei der Mindestlohn-Initiative, das im nächsten Jahr an die Urne gelangt. «Aber man darf das Volksbegehren nicht unterschätzen und muss weiter auf der Hut bleiben», sagte CVP-Präsident Christophe Darbellay auf Anfrage.
Starke AHV
Zu diskutieren geben wird weiter die Erbschaftssteuerinitiative aus linken und christlichen Kreisen. Die Volksinitiative «Millionenerbschaften besteuern für unsere AHV» sieht vor, dass der Bund Erbschaften und Schenkungen mit 20 Prozent besteuert. Die Einnahmen kämen zu zwei Dritteln der AHV und zu einem Drittel den Kantonen zu.
Es gälten ein Freibetrag von 2 Millionen Franken sowie Erleichterungen für die Vererbung oder Schenkung von Unternehmen. Ebenfalls bereits eingereicht wurden die Unterschriften zu einer Volksinitiative, die ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert. Noch in der Sammelphase sind die Urheber der Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV». Diese fordert eine Erhöhung der Altersrenten um 10 Prozent.
(sda/ama)