Wie viel Geld in Pensionskassen und Freizügigkeitseinrichtungen mittlerweile «vergessen» herumliegt, weiss niemand. Sicher ist nur: Es muss ein Betrag in einstelliger Milliardenhöhe sein.
Daniel Dürr vom Sicherheitsfonds BVG, wo alle Freizügigkeitskonti gemeldet werden müssen, hält allerdings jede Schätzung für unseriös. «Niemand kann sagen, wie viele von unseren 1,8 Mio Datenmeldungen nachrichtenlose oder vergessene Rentenkonti sind. Und schon gar nicht, um welche Summe es sich total handelt.»
Denn aus Gründen der Einfachheit melden viele kontoführenden Einrichtungen den ganzen Bestand ihrer Freizügigkeitskonti oder Policen.
Auf diesen sollen sich bei Banken und Versicherungen nach Schätzungen des Vermögenszentrums mittlerweile rund 80 Mrd Fr. angesammelt haben. Die Mehrheit dieses Vermögens weiss, wohin es gehört; ein Teil davon jedoch wartet darauf, von den Eigentümern «wieder entdeckt» zu werden.
Die dem Sicherheitsfonds BVG angeschlossene Zentralstelle 2. Säule, welche sich seit 1999 um die «nachrichtenlosen und vergessenen» BVG-Guthaben kümmert, kennt zwar Namen, Adressen, AHV-Nummern und Geburtsdaten der Kontiinhaber. Nur: Wie hoch die Guthaben sind und wo sich deren Eigentümer befinden, weiss auch die Zentralstelle nicht.
Als «nachrichtenlos» gilt ein Freizügigkeitskonto, wenn kein Kontakt mehr zum Eigentümer besteht und dieser das Pensionsalter noch nicht erreicht hat. Als «vergessen» hingegen werden Guthaben bezeichnet, deren Inhaber im Rentenalter sind, ihre Pension aber nicht beziehen.
Bei der grössten Freizügigkeitsstiftung im Lande, die von der BVG-Auffangeinrichtung verwaltet wird und wo der Löwenanteil der vergessenen Guthaben und nachrichtenlosen Konti lagern dürfte, schätzt Geschäftsführer Markus Stieger, dass rund die Hälfte der etwa 405000 Konti seit Jahren nichts mehr von ihren Besitzern gehört hat. Doch zu wem gehören diese Konti und Policen, und wieso gingen sie vergessen? «Das Geld gehört überwiegend Personen, die vom Sozialversicherungsdschungel überfordert sind», weiss Markus Kaltenrieder, AHV-Zweigstellenleister in Frutigen. Kaltenrieder hat es sich zur nebenberuflichen Aufgabe gemacht, brachliegende BVG-Guthaben und Eigentümer zusammenzubringen. Total hat er in den letzten drei Jahren bereits über 1 Mio Fr. an die rechtmässigen Besitzer vermittelt. Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich bei den Anspruchsberechtigten weniger um Ausländer: «Diese sind erstaunlich gut organisiert», stellt Kaltenrieder mehrheitlich fest.
Seit die Zentralstelle existiert, erfolgt die Suche aktiver als früher. Die Schweiz hat aus dem Skandal um die nachrichtenlosen Vermögen der Kriegszeit etwas gelernt. Aktiv suchen darf der Fonds allerdings nur nach Anspruchsberechtigten im Pensionsalter. Im Ausland wird in Zusammenarbeit mit den Sozialversicherungseinrichtungen vor Ort nachgeforscht. «Wir erhalten pro Woche aber auch rund 100 direkte Anfragen. Für die Hälfte lassen sich die verschwundenen Vermögen aufspüren», präzisiert Dürr.
Doch was passiert mit Geld, das nie mehr den Weg zu den Besitzern findet? Die BVG-Revision hat dazu im letzten Herbst endlich eine Regelung verabschiedet: Geld auf Freizügigkeitskonti oder -policen, das auch zehn Jahre nach Pensionsantritt noch nicht eingefordert wurde, fällt an den Sicherheitsfonds und hilft dort, die laufenden Kosten zu decken.
Weitere Informationen: Zentralstelle 2. Säule, Belpstrasse 23, Postfach 5032, 3001 Bern.