Die Mauer war gefallen, der Kalte Krieg vorbei und der Scorpions-Song «Wind of Change» um die Welt geweht. Über 170 Staaten wollten 1992 nun auch Armut und Umweltverschmutzung von der Erde verbannen. 25 Jahre später zeigt sich: Das ist nur sehr bedingt gelungen.
Innerhalb von nur einer Generation hat der Mensch Wald von der 6,5-fachen Fläche Deutschlands vernichtet, seinen jährlichen Kohlendioxidausstoss um rund 50 Prozent gesteigert und gewaltige Plastikstrudel in den Ozeanen geschaffen.
Der Vorläufer von Kyoto und Paris
Dabei wollten vor 25 Jahren über 170 Staaten die Menschheit erstmals zu einer nachhaltigen Entwicklung lenken – einer, die die Lebensgrundlagen für alle nachfolgenden Generationen bewahrt.
Am 14. Juni 1992 beschlossen sie auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro eine Anleitung dazu, die 350 Seiten dicke Agenda 21, und unterzeichneten auch Rahmenverträge zum Schutz des Klimas und der Artenvielfalt. Rio war ein Startschuss für weitere Verträge wie die Klimaabkommen von Kyoto und Paris.
Langsam und unverbindlich
«Es war ein historischer Moment», sagt Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch, einer Organisation für Umwelt und Entwicklung. «Heute würde man eine Weltkonferenz mit einer solchen Bereitschaft zur umfassenden Zusammenarbeit – siehe Trump und andere Populisten – wahrscheinlich nicht mehr zusammenbekommen», meint Milke.
«Das war damals eine Aufbruchstimmung. Was aber viele zu dem Zeitpunkt nicht geahnt hatten, war, dass das Ganze das Tempo einer Schnecke haben würde.» Die Agenda 21 war unverbindlich, und reiche Länder gaben laut Milke zu wenig Geld, um eine nachhaltige Entwicklung in den armen zu fördern.
Wirtschaft hält sich raus
«Schon in Rio war klar, dass wir nicht so weiterwirtschaften können wie zuvor. Es gab aber keinerlei Umkehr, unser Wirtschaftssystem zu überdenken. Und gleich nach Rio wurde die Welthandelsorganisation gegründet, ein Beschleuniger für Globalisierung ohne Grenzen», kritisiert auch Barbara Unmüssig. Sie koordinierte in Rio die deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen und ist heute Vorstandsmitglied der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung.
«Die Themen wurden an Umwelt- und Entwicklungspolitiker delegiert – also an Nischenbereiche und nicht an die Wirtschaftspolitik», ergänzt Unmüssig. «In Rio wurden zudem keine Obergrenzen festgelegt für Abholzung, Fischfang, Treibhausgasausstoss. Heute sehen wir, dass wir viele Grenzen überschritten haben.»
Armut wurde weniger
Dennoch hat die Weltgemeinschaft zumindest im Kampf gegen Hunger, Armut und Krankheiten Fortschritte gemacht. So sank die Zahl der sehr Armen von 1,9 Milliarden Menschen 1990 auf 836 Millionen 2015 – trotz Bevölkerungswachstums. Die Rate der Hungernden sowie die Kinder- und die Müttersterblichkeit halbierten sich in der Zeit in etwa. Masern, Malaria, Aids und andere Krankheiten wurden stark zurückgedrängt.
Als ein Grund gelten die im Jahr 2000 von den Staatschefs initiierten UNO-Millenniumsziele, auch wenn sie nicht komplett erreicht wurden, als weiterer das Wirtschaftswachstum in Ländern wie China und Indien.
«Tatsächlich sind Menschen aus der Armut geholt worden», sagt Unmüssig. «Aber Rio hatte eigentlich den Anspruch, Leute aus der Armut zu holen, ohne die Umwelt zu zerstören.» Zudem sei noch viel zu verbessern, so hungerten noch immer rund 800 Millionen Menschen, zwei Milliarden seien mangelernährt.
Umwelt als grosser Verlierer
Bei der Umwelt sieht es schlecht aus: Von 1990 bis 2015 hat der Mensch 229 Millionen Hektar Wald vernichtet, vor allen in den Tropen und dort vornehmlich für Viehfutter und andere Agrarprodukte. Wald von grossen Aufforstungsprogrammen hingegen, etwa in China, ist oft in schlechtem Zustand.
Das Ziel, bis 2010 das Artensterben deutlich zu reduzieren, wurde nach UNO-Angaben verfehlt. Auch das Ziel von Rio, eine gefährliche Erderwärmung zu verhindern, scheint schwer erreichbar zu sein – auch schon, bevor US-Präsident Donald Trump dem Klimaschutz den Rücken kehrte.
Derzeit hat der Mensch die Erde nach Daten der Weltwetterorganisation schon um rund ein Grad erwärmt, bei deutlich unter zwei Grad soll dies gestoppt werden.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
2015 beschlossen die Staaten neben dem Pariser Klimaabkommen auch die Agenda 2030 mit 17 globalen Entwicklungszielen. Damit sollen Hunger und extreme Armut bis 2030 völlig verschwunden sein und zugleich die Natur geschützt werden.
«Ich halte sie absolut für erreichbar, und ich halte sie vor allem auch für enorm wichtig», sagt der Leiter des UNO-Entwicklungsprogramms, Achim Steiner. Noch 1992 sei erst Wirtschaft beachtet worden, dann Soziales und dann Umwelt und Nachhaltigkeit. Die Felder seien nun ganz neu verknüpft worden.
Auch Unmüssig sieht noch Hoffnung – etwa darin, dass die Investitionen in erneuerbare Energien inzwischen grösser sind als die in fossile und dass immer mehr Anleger ihr Geld aus letzteren zurückziehen. Zudem: «Viele Millionen Menschen arbeiten überall auf der Welt für Ökologie, Gerechtigkeit und Demokratie.»
(sda/jfr)