Sein Name ist Juan Carlos Torres Carretero. Mit den Medien spricht er nicht. Aber es besteht kein Zweifel: der siebzigjährige Spanier ist der starke Mann beim Basler Reisedetailhändler Dufry. Als exekutiver Präsident fädelt er Übernahmen ein, definiert die Strategie und kassiert dafür ein selbst für hiesige Verhältnisse fürstliches Salär, was ihm zuweilen auch Kritik einbringt.
Der jüngste Deal stammt aus den USA und ist Wasser auf die Mühlen der Skeptiker. Torres hat 300 Millionen Dollar eingesammelt und ein Unternehmen aus der Taufe gehoben – eine sogenannte «blank-check company». Dabei handelt es sich um eine Firma in der Entwicklungsphase, deren Ziel es ist, eine andere Firma aufzukaufen und weiterzuentwickeln. Zahlreiche ehemalige Topmanager aus den USA nutzen dieses Vehikel für eine zweite Karriere als Private-Equity-Unternehmer. Die Deutsche Bank und Goldman Sachs agierten als Bookrunner beim Wiegenfest von Torres’ neuem Kind.
Pikanterweise kann es bei diesem Deal zu einer Kollision der Interessenslage kommen. Bei der Suche nach einem geeigneten Übernahmekandidaten durchforstet Torres die Sektoren Luxus, Konsum und Reisedetailhandel. Er fischt also in jenem Teich, in dem Dufry selbst tätig ist. Die Corporate-Governance-Expertin Monika Roth ist deshalb überrascht. «Der Interessenkonflikt ist klarerweise gegeben», sagt sie. Travel-Retail sei die Kernkompetenz von Dufry. «Wenn er diese Zielsetzung nun verfolgen will, muss er gehen», fordert die Juristin.
Dufry-Sprecher Renzo Radice hält dagegen: «Unternehmen und Verwaltungsrat sind über das Vorhaben informiert.» Bei einem tatsächlichen Konflikt, so Radice weiter, würde das Interesse von Dufry höher gewichtet als jenes von Torres’ neuem Unternehmen.
Gut bezahlter Architekt
Die Vorgehensweise des Spaniers erinnert an die frühen Tage bei Dufry. Seit über 14 Jahren steuert der Siebzigjährige die Geschicke des Basler Reisedetailhändlers. Sekundiert wird er von jeher von Dufry-Chef Julián Díaz. Als das Duo antrat, machte der Reisedetailhändler einen Jahresumsatz von 660 Millionen Franken. Mittlerweile setzt das Unternehmen mehr als das Zehnfache um.
Für seine Dienste erhielt Torres zuletzt ein Salär von über 5 Millionen Franken – nur die Präsidenten von Lindt & Sprüngli, Roche, UBS und Temenos kassierten 2017 mehr. Credit-Suisse-Präsident Urs Rohner erhielt fast 1 Million Franken weniger. Lafarge Holcim-Präsident Beat Hess begnügte sich mit der Hälfte. Die Aktionäre bestätigten Torres an der letzten Generalversammlung, denn auch mit dem schlechtesten Ergebnis aller Dufry-Verwaltungsräte.
Vier Akquisitionen haben aus einem Basler Handelshaus einen international führenden Konzern gemacht. Einige Weggefährten aus dieser Zeit sind nun auch beim neuen US-Unternehmen engagiert. Torres wird unter anderem unterstützt von Luis Solórzano, Raffaele Vitale und Domenico De Sole.
Solórzano war an der Entscheidung beteiligt, als das Private-Equity-Unternehmen Advent sich bei Dufry breitmachte und Torres als Präsidenten installierte. Vitale begleitete den 1,55 Milliarden Franken schweren Kauf der einstigen Swissair-Tochter Nuance Group vor fünf Jahren. Und De Sole leitete einst die Geschäfte des Dufry-Kunden Gucci, ist Mitgründer des Modelabels Tom Ford und präsidiert derzeit das Auktionshaus Sotheby’s.
Wie wichtig Torres für das neue Unternehmen ist, zeigt sich daran, dass dem Dufry-Präsidenten ein faktisches Vetorecht bei Kaufentscheiden eingeräumt wurde. Im Börsenprospekt, der als Grundlage diente für das Einsammeln der 300 Millionen Dollar, heisst es, dass sowohl Torres als auch Solórzano einer allfälligen Übernahme zustimmen müssen.
Zwei Jahre Zeit
Die Geldgeber dagegen haben kein Mitspracherecht. Es gibt keine ausserordentliche Generalversammlung, die einen Kauf absegnen müsste. Die Investoren vertrauen blind auf die Expertise des Managements. Einzige Sicherheit: 90 Prozent der eingesammelten 300 Millionen Dollar sind auf einem Sperrkonto blockiert, bis Torres und seine Entourage einen geeigneten Kaufkandidaten auserkoren haben. Der Deal muss laut Börsenregeln innert der nächsten 24 Monate abgeschlossen werden. Andernfalls erhalten die Investoren ihr Geld zurück.
Immerhin: Die laufenden Kosten des Vorhabens sind gering. Gerade einmal 37 000 Dollar sind als monatlicher Aufwand veranschlagt für ein Büro bei einem Beratungsunternehmen im 21. Stock des JP-Morgan-Chase-Towers in Miami, Florida. Gegenüber ist das Fünf-Sterne-Hotel Four Seasons, die Atlantikküste ist nur ein Steinwurf entfernt. Torres selbst verzichtet auf einen Lohn. Anders als bei Dufry lässt er sich nur die Spesen auszahlen.