An diesem Freitag entscheidet der Bundesrat über die Umsetzung der jüngsten EU-Sanktionen gegen russische Reiche und Oligarchen. Mit auf der Liste ist auch Andrey Melnichenko, der in St. Moritz wohnt und Eigentümer des in Zug ansässigen Düngemittelriesen Eurochem ist. Der Milliardär gehört laut der «Bilanz» zu den 300 Reichsten der Schweiz. Der Russe verfügt über ein geschätztes Vermögen von 14 bis 15 Milliarden Dollar.
Um den drohenden Sanktionen zuvorzukommen, hat sich Melnichenko am Mittwoch aus dem Aktionariat seines Konzerns Eurochem zurückgezogen, wie das Wirtschaftsportal «Gotham City» berichtet. Seine Eurochem-Gruppe hatte sich 2015 in Zug niedergelassen, um vor dem schon damals brodelnden Ukraine-Konflikt sicher zu sein. Der Kanton Zug bot dem Milliardär den gewünschten Zufluchtsort für den Düngemittelhersteller mit einem Umsatz von 6 Milliarden Dollar und rund 27’000 Angestellten weltweit.
Zufluchtsort Zug
Melnichenko hatte sich nicht nur wegen der möglichen Sanktionen in Zug niedergelassen, sondern auch, weil gegen ihn ermittelt wurde, und zwar zum Thema «Illegale militärische Formationen». Sprich: Melnichenko unterstützte Paramilitärs aus Russland auf der Krim und im Donbass.
Der russische Konzern genoss nun beinahe sechs Jahre lang Schutz in der Schweiz, auch vor Sanktionen, da die Schweiz einen Sonderweg ging und keine Sanktionen aus der EU oder den USA automatisch übernahm. Bis zum 9. März 2022: Da fand Melnichenko seinen Namen auf der europäischen Sanktionsliste wieder – und wusste, die Schweiz wird mitziehen.
In Putins innerem Zirkel
Am 24. Februar 2022, einen Tag nach dem Einmarsch in die Ukraine, traf sich Melnichenko zusammen mit 36 anderen Geschäftsleuten mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und anderen Mitgliedern der russischen Regierung, um die «Auswirkungen und das weitere Vorgehen nach den westlichen Sanktionen zu erörtern», zitiert das Portal eine EU-Notiz.
Die Tatsache, dass er zur Teilnahme an diesem Treffen eingeladen wurde, zeigt, dass Melnichenko zum engsten Kreis um Putin gehört und dessen Handlungen zumindest billigt.
Vor nur vier Monaten bereitete Eurochem seinen Börsengang vor. Die Transaktion wurde von Goldman Sachs, JP Morgan, UBS und der russischen Bank VTB vorbereitet und sollte 1 Milliarde Dollar einbringen, wie Reuters berichtete. Drei Wochen vor dem Einfall in die Ukraine war Eurochem in Verhandlungen mit dem österreichischen Konzern Borealis, um dessen Düngemittelsparte für 455 Millionen Euro zu übernehmen.
Für Andrey Melnichenko schien es nicht besser laufen zu können: Er hatte sein Vermögen im Vergleich zu anderen russischen Oligarchen steigern können und gehörte laut «Forbes» zu den 100 reichsten Menschen der Welt. 2021 belegte der Russe auf der Reichsten-Liste der «Bilanz» den achten Platz.
Vermögen in Gefahr
Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Am selben Tag, an dem er auf die Liste kam, kündigte der Zuger Konzern den sofortigen Rücktritt von Melnichenko als «Non-Executive Director of the Board of Directors» an. In einer verschachtelten Formulierung liess das Unternehmen ausrichten, der Milliardär habe sich «als Hauptbegünstigter» aus der Eurochem-Gruppe zurückgezogen.
Auch seine Jacht droht Melnichenko zu entgleiten: Die «A», das grösste private Segelschiff der Welt, das von Philippe Starck entworfen wurde, liegt zurzeit im Hafen von Triest vor Anker. Die Jacht könnte von der italienischen Finanzwache beschlagnahmt werden, schreibt die Zeitung «Trieste Prima».