Was viele aus dem Fitnessstudio kennen, ist mittlerweile auch bei Pferden üblich. Früher landete ein Arbeitsgaul beim Metzger, wenn er den Wagen des Bauern nicht mehr ziehen konnte. Heute dienen Pferde bei uns nur noch selten als Arbeitstiere. Viel öfter stehen sie in teuren Ställen von Liebhabern, springen über Hindernisse oder laufen auf Rennbahnen. Ein lukratives Geschäft. Vor allem deshalb braucht es Laufbänder.
Hat ein Reiter heute das Gefühl, dass mit seinem liebsten Pferd etwas nicht stimmt, dann bringt er es zur Abklärung ins Tierspital, zum Beispiel in Zürich. Dort steht eines der in der Schweiz eingesetzten Hochgeschwindigkeits-Pferdelaufbänder von Kagra. Sensible Messgeräte erkennen sofort, wenn von einem Huf zu wenig Druck kommt: Ein möglicher Hinweis auf Lahmheit.
Josef Stadelmann ist kein passionierter Reiter – und doch kennt er sich mit den Tieren aus. Er ist seit vielen Jahren Geschäftsleiter und seit dem Management Buyout vor zwei Jahren auch Inhaber der Graber AG. Sie ist weltweit Markführerin für Pferdelaufbänder im High-End-Bereich.
Tags zuvor besuchte er die verantwortlichen Personen im Tierspital Zürich, um Weiterentwicklungen zu besprechen: «Das Laufband im Sportmedizinischen Leistungszentrum ist unsere Vorzeigeanlage.» Das Gerät wurde laufend weiterentwickelt und mit immer mehr Elektronik aufgerüstet. Pferdeforschern hilft das Gerät unter anderem dabei, Erkenntnisse aus der Biomechanik oder Physiologie zu gewinnen. Und operierte Pferde bereiten sich so auf die Rückkehr in den Reiter-Alltag vor. Der Vorteil des Laufbandes: Es ist flach und hat keine Hügel, über die das Pferd stolpern könnte.
Ein typisches Nischenprodukt
Auf allen fünf Kontinenten stehen die Geräte aus Fahrwangen. Total über 60. Oft in Universitäten oder Tierspitälern sowie auf Gestüten. Letztere brauchen das Laufband in erster Linie für spezielle Trainings. Laktattest inbegriffen. Die maximale Geschwindigkeit: 60 km/h. Wirklich gross ist der Markt für hochwertige Pferdelaufbänder nicht. «Ein typisches Nischenprodukt», erklärt Stadelmann. Das aber mit viel Prestige verbunden sei. Ab 150000 Fr. ist der Mustang 2200 – so die offizielle Bezeichnung – zu haben. Der Absatz schwankt zwischen einem und fünf Geräten pro Jahr. Es ist die Ausnahme, wenn ein Scheich aus Dubai deren acht auf einmal bestellt.
Das Kerngeschäft der Graber AG besteht in der Entwicklung sowie Produktion von Förder- und Automatisierungstechnik. Eine Stärke des KMU sind Spezialanfertigungen. Die «New York Times» rollt über Anlagen, die im Aargau gefertigt wurden. In den Hallen in Fahrwangen wird Stahl geschweisst, gedreht und mit Laser bearbeitet. Das machte auch Franz Graber vor über 45 Jahren, als er die Firma gründete. Auf der Suche nach Diversifikationsmöglichkeiten stiess er 1986 auf ein Inserat, in dem jemand einen Partner für den Bau eines Pferdelaufbandes suchte. So begann die Geschichte. Für den Vertrieb wurde eine Tochterfirma gegründet. Doch der erzielte Umsatz der Kagra AG reichte nicht aus, um dauerhaft Leute zu beschäftigen: «Kagra besteht zwar heute noch, genutzt wird aber nur noch der Name», sagt Stadelmann. Denn dieser sei in der Reiterszene weltweit ein Begriff.
Obwohl finanziell nicht sehr attraktiv, entwickelt die Graber AG den Mustang 2200 weiter. Ein einfacheres Modell wurde kürzlich aus dem Angebot genommen. «Mit der Billigkonkurrenz wollten wir nicht mithalten. Wir konzentrieren uns auf High-End-Geräte», so Stadelmann. Und die geringe Produktionsmenge habe Vorteile. «Die Kundenwünsche sind ziemlich unterschiedlich.» Das sei mit einem zu fest standardisierten Pferdelaufband nicht möglich. So ist das Kamel-Laufband entstanden, eine Anpassung auf die Bedürfnisse dieser Tiere. Die Graber AG verkaufte bereits einige dieser speziellen Anfertigungen. Der neuste Interessent kommt aus Indien: Die Armee unterhält ein Kamel-Korps.
Brückenbauer für Weltmarkt
Die Pferdelaufbänder haben den Produkten der Fördertechnik etwas voraus: Sie sind weltweit bekannt. Die Pferdelaufbänder als Vorhut für den globalen Vertrieb der Fördertechnik aus Fahrwangen? «Tatsächlich führen sie uns in ganz verschiedene Kulturen», erklärt Stadelmann. Da könne man wertvolles Know-how gewinnen. «Diese Erfahrungen helfen uns beim Verkauf unserer Fördertechnik im Ausland», sagt Stadelmann. Und im boomenden Dubai interessiere man sich nicht nur für Pferdelaufbänder.