Das Besondere am ABC-Kartenverlag ist der Produktionsstandort Schweiz. «Wir wollen bei den einzelnen Produktionsschritten zusehen. Im Gegensatz zu manchen unserer europäischen und schweizerischen Mitbewerbern, die teilweise nur handeln, stellen wir die Karten von A bis Z selber her», betont Daniel Eicher, der das Geschäft seit 20 Jahren führt. Auf einem Rundgang durch den Betrieb im bernischen Schönbühl erzählt er, wie eine Glückwunschkarte entsteht. An die hundert freischaffende Designer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz entwerfen jährlich 1000 neue Sujets.
«Unsere Kunden wünschen jede Saison Neuheiten. An Lager haben wir nur Kunstkarten mit sehr beliebten Motiven wie beispielsweise Monet», erklärt Marketing- und Verkaufsdirektor Thomas Heinrich. Total sind zurzeit 2650 verschiedene Karten im Angebot. Das von Hand gemalte Original wird vom Art Director geprüft, allenfalls korrigiert, in die vier Grundfarben zerlegt und in die Produktion gegeben.
Gegründet wurde A. Boss + Co. AG vor bald 100 Jahren. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann man teilweise selber Karten zu produzieren. Vor elf Jahren zog der Betrieb in den Neubau, der sich durch eine ausgeklügelte Architektur auszeichnet. Der Betriebsökonom Daniel Eicher nutzte das Projekt, um sich aus persönlichem Interesse im Bereich Bauleitung weiterzubilden. Stolz weist er auf die Vorzüge des Gebäudes hin, das mit einem Berner Architekturpreis ausgezeichnet wurde: «Genügend Licht, angenehme Temperatur und möglichst wenig Lärm.» Ein Blick in die Fabrikationshalle zeigt, dass die Drucker und Verpackerinnen bei Tageslicht arbeiten. Die Druckmaschinen sind in einem Grauton gehalten, der das Auge nicht ermüdet.
In der Produktionshalle rattern auch Jahrzehnte alte Maschinen, die Goldfolien aufkleben oder aufwendige Stanzungen und Prägungen erstellen. Nach diesem so genannten Veredelungsprozess, bei dem vieles auch in Heimarbeit gefertigt wird, werden die Karten gerillt, gefalzt, mit Umschlägen in Zellophan eingeschlagen und in handelsübliche Verkaufseinheiten verpackt.
Ein Stapel Karten mit Tannenbäumen in einem Karton scheint in die aktuelle Adventszeit zu passen. «Das sind bereits die Weihnachtskarten für 2005. Für dieses Jahr wäre es längst zu spät. Wir produzieren bis zu anderthalb Jahre voraus», stellt Thomas Heinrich richtig und fügt an, dass auch Glückwunschkarten der Mode unterworfen seien. So war letztes Jahr die Farbe Orange im Trend, und dieses Jahr verschickt man häufiger Karten in den klassischen Weihnachtsfarben Rot und Grün. «Die Leute besinnen sich in Zeiten der Unsicherheit wieder auf Traditionen und wünschen erkennbare Motive, beispielsweise ein skizziertes Kirchenfenster.
Sujets in Richtung Skihüttenromantik und Karten, die eine liebliche, heile Welt darstellen, sind gefragt. Grafische und abstrakte Motive laufen weniger gut», führt Thomas Heinrich aus.
Festhalten am Standort
«Wenn die Leute sparen, verzichten sie eher auf ein Geschenk und kaufen stattdessen eine etwas aufwendiger gestaltete Weihnachtskarte», bestätigt Daniel Eicher. «Wir gehen davon aus, dass die Schweizer jährlich 10 Mio Weihnachtskarten schreiben. Weihnachten und Neujahr sind deshalb der wichtigste saisonale Anlass, mit dem wir 20% des Umsatzes erzeugen.» Nur ein Absatzbereich ist noch wichtiger: Jede zweite verkaufte ABC-Karte ist eine Geburtstagskarte.
Obwohl der Absatz in den letzten Jahren hierzulande leicht zurückging, ist ABC in der Schweiz unbestrittener Marktleader. Ohne Export in Länder wie England oder die Vereinigten Staaten wäre die aufwendige Produktion in der Schweiz aber nicht möglich. Daniel Eicher: «Die Schweiz ist ein guter Markt, aber kein sehr grosser. Wir können den Produktionsstandort Schweiz nur verantworten, weil wir sehr exportorientiert sind.» Im Jahr 2004 erarbeitete ABC 45% des Umsatzes in der Schweiz und 55% mit Exporten. Wachstumsmöglichkeiten sieht Eicher in Deutschland, wo vor allem getextete Karten gefragt sind. Neben Deutschland mit einem Exportanteil von 45% ist auch England ein interessanter Markt für ABC: Dort wird die Tradition des Kartenschreibens so hoch gehalten, dass die Karten in Packungen à 25 Stück verkauft werden. Daniel Eicher: «Die Briten schreiben durchschnittlich 50 Karten pro Kopf und Jahr, in der Schweiz sind es acht Stück.» Wenn es darum geht, ein so emotionales Produkt zu vertreiben, spielen auch kulturelle Unterschiede in den verschiedenen Regionen eine Rolle. Gemäss Thomas Heinrich verschickt man in Polen keine Kondolenzkarten, und in Frankreich ist dieser Brauch nur im Elsass üblich. Entgegen allen Vermutungen sind elektronische Karten kaum eine Konkurrenz zu den traditionellen Glückwunschkarten. Wie Daniel Eicher ausführt, werden E-Cards in der Schweiz vor allem zusätzlich genutzt, beispielsweise an Ostern. «Eine Substitution zur normalen Karte sind eher E-Mails und das Telefon mit all seinen Varianten wie beispielsweise SMS. Für mich entsprechen SMS jedoch einer Fastfood-Kommunikation und das Versenden von Glückwunschkarten einer Gourmetkommunikation. Eine Karte kann man aufstellen, ein SMS nicht», stellt Thomas Heinrich fest.
Soziales Engagement und Grundwerte
Dass Tradition im Hause ABC gross geschrieben wird, ist auch an den langjährigen Mitarbeitern erkennbar, von denen viele 15, 20 oder gar 25 Jahre der Firma die Treue halten. Dies hat wohl viel mit dem guten Betriebsklima und dem sozialen Engagement von Daniel Eicher zu tun. Einerseits beschäftigt er immer wieder Menschen, die andernorts durch alle Maschen gefallen sind, bei ABC angelernt wurden und jetzt als wertvolle Arbeitskräfte geschätzt werden. Andererseits hat Eicher vor knapp drei Jahren eine Kindertagesstätte ins Leben gerufen, in der 26 Kinder seiner Mitarbeiterinnen und auswärtiger berufstätiger Eltern betreut werden.
Das Engagement des Privatmannes Daniel Eicher geht noch viel weiter: Seine Adoptivkinder stammen aus Indien und Mexiko. Er hat in Schönbühl zwei Wohnheime für Alzheimerpatienten gegründet und ist Stiftungspräsident der beiden Institutionen. Nebenbei unterstützt er medizinische und schulische Projekte in Indien und Afrika. Daniel Eicher will sein Engagement bewusst vorleben, auch im Betrieb: «Der Profit ist wichtig, und ein paar Kennziffern müssen stimmen. Aber ich bin überzeugt, dass ein gutes Arbeitsklima und der Respekt vor dem Individuum letztlich zum Erfolg führen.»
Firmen-Profil
Name: ABC-Karten
Grubenstrasse 22, 3322 Schönbühl bei Bern, Tel. 031 859 61 11
Gründung: 1905
Geschäftsführer: Daniel Eicher
Umsatz: 25 Mio Fr.
Beschäftigte: 140
Produkte: Kunst- und Glückwunschkarten
Kunden: Papeterien, Warenhäuser, Grossverteiler sowie diverse markenorientierte Betriebskanäle
Internet: www.abc-cards.ch