Die Aktien von Roche sind jüngst so stark gefallen wie seit mehr als einem Monat nicht mehr, nachdem das viel beachtete experimentelle Adipositaspräparat mit Nebenwirkungen in Verbindung gebracht worden war. Das wirft Fragen über die Wettbewerbsfähigkeit des Arzneimittelherstellers auf dem heissesten neuen Pharmamarkt auf.

Roche fiel am Donnerstag im frühen Handel in Zürich um bis zu 5 Prozent, nachdem die Ergebnisse einer kleinen Studie veröffentlicht worden waren, die hohe Raten von Übelkeit und Erbrechen sowie andere Nebenwirkungen des Medikaments zeigte. Das Unternehmen präsentierte die Ergebnisse am späten Mittwoch an der Tagung der European Association for the Study of Diabetes in Madrid vor einem vollen Saal.

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Eine Reihe an Nebenwirkungen

Die Studie von Roche dauerte nur vier Wochen und wurde von den Anlegern und Anlegerinnen mit grossem Interesse erwartet. Dies, nachdem ermutigende frühe Daten über die Wirksamkeit des als CT-996 bezeichneten Medikaments die Aktien des Unternehmens im Juli in die Höhe schnellen liessen. Roche treibt seine Adipositasmedikamente zügig voran, um Novo Nordisk und Eli Lilly auf dem Markt für Gewichtsreduktion einzuholen, für den bis zum Ende des Jahrzehnts ein jährliches Umsatzvolumen von 130 Milliarden Dollar prognostiziert wird.

Roche argumentierte, dass eine schrittweise Erhöhung der Dosis die Nebenwirkungen abmildern könnte. Fünf von sechs Patienten und Patientinnen, die die Dosis langsam erhöhten, hätten über Übelkeit berichtet, während ein Patient chronischen Reflux und zwei Patienten Erbrechen entwickelten, so der Schweizer Arzneimittelhersteller. Bei Patientinnen und Patienten, die ihre Dosis schneller erhöhten, traten häufiger Nebenwirkungen auf: Sechs von sieben entwickelten Übelkeit und chronischen Reflux, und fünf von sieben berichteten über Erbrechen.

«Roche hat noch einen langen Weg vor sich», sagte Emily Field, Analystin bei Barclays. Wenn das Unternehmen den üblichen Zeitplan für die Patientenstudien einhalten will, die für die Zulassung erforderlich sind, kann es sein erstes Medikament zur Gewichtsreduktion nicht vor 2030 auf den Markt bringen.

Die Aktien von Novo stiegen im frühen Handel in Kopenhagen um bis zu 3,8 Prozent. Die Aktien von Lilly legten am Mittwoch in New York um 2,2 Prozent zu.

Roche plant grössere Studien

«Roche hat die biopharmazeutische Feuerkraft, um in diesem Bereich potenziell konkurrieren zu können, aber die nicht definitiven Daten lassen die Investoren wahrscheinlich an der Seitenlinie stehen. Sie werden zuerst sehen wollen, wie die Pille in grösseren Studien abschneidet», äusserte sich Evan David Seigerman von BMO Capital Markets in einer Notiz.

Die Ergebnisse kamen wenige Stunden, nachdem Novo Daten zu seiner Adipositaspille, die unter dem Namen Amycretin bekannt ist, vorgelegt hatte; sie wurden von vielen Investoren als beruhigend empfunden: Nahmen Patientinnen und Patienten zwölf Wochen lang die höchste Dosis der Novo-Pille, lag die Übelkeitsrate bei 75 Prozent – bei einer niedrigeren Dosis sank sie auf 31 Prozent.

Roche sehe die Ergebnisse der ersten Phase der klinischen Studien als ermutigend an und plane grössere Studien, sagte Manu Chakravarthy, globaler Leiter der Produktentwicklung für Herz-Kreislauf-, Nieren- und Stoffwechselerkrankungen bei Roche. «Der Sinn einer Phase-eins-Studie besteht darin, die Dosis zu erhöhen und an die Grenzen der Verträglichkeit zu gehen, um zu verstehen, wo diese liegen.»

Erhöhte Herzfrequenz

Neben der Übelkeit und dem Erbrechen, die bei vielen Patientinnen und Patienten auftraten, wies eine Person laut Roche auch erhöhte Werte des Verdauungsenzyms Lipase auf. Erhöhte Lipasewerte können ein Anzeichen für ein Problem mit der Bauchspeicheldrüse sein. Auch die Herzfrequenz der Patienten und Patientinnen erhöhte sich tendenziell um etwa 15 Schläge pro Minute. Das ist ein Wert, der nach Ansicht einiger Fragesteller während der Präsentation viel höher war als bei Medikamenten zur Gewichtsabnahme üblich.

Neben der Pille, die ähnlich wie die Wegovy-Spritze von Novo wirkt, stellte Roche diese Woche Daten zu einem injizierbaren Medikament vor, das wiederum dem Zepbound von Lilly ähnlicher ist. Die Nebenwirkungen der Spritze waren stärker als erwartet, können aber laut Bloomberg Intelligence in den Griff bekommen werden.

Die Pille von Roche ist ein einfacheres Mittel als die Spritzenmedikamente Wegovy von Novo und Zepbound von Lilly. Dies könnte es dem Pharmaunternehmen ermöglichen, die Lieferengpässe zu umgehen, die die bisherigen Marktführer auf diesem Gebiet plagen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.

«Wir müssen erst einmal sehen, wie das Medikament in einer grösseren Patientengruppe wirkt», sagte Jared Holz von Mizuho Securities in New York. «Wir sehen Novo und Lilly immer noch als die klaren Marktführer in diesem Bereich.»

(Bloomberg/spi)