Bei der Schweizer Tochtergesellschaft des deutschen Medizintechnik-Unternehmens B. Braun Medical in Sempach hatten die Absenzen der Belegschaft in den Jahren 2000 und 2001 ein alarmierendes Ausmass angenommen. 2001 betrugen sie laut Personalchef Markus Hertig 8360 Krankheitsabsenztage dies bei einer Belegschaft von rund 800 Mitarbeitenden.

Drei Jahre später lagen sie noch bei gut der Hälfte. Was war passiert? Unter dem Projektnamen «Take Care» führte das Unternehmen ein umfassendes Gesundheitsmanagement ein, zu dem seither als wichtige Voraussetzung auch das Absenzenmanagement gehört. Das Konzept wurde gemeinsam mit der Krankenversicherung CSS entwickelt, begann mit einer grossen Gesundheitsumfrage bei der Belegschaft und wurde mit verschiedenen Workshops fortgesetzt.

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Heute sind an allen fünf Standorten Gesundheitsteams, bestehend aus Mitarbeitenden, aktiv und koordinieren die verschiedenen Aktivitäten. «Wichtig war uns der Bottom-up-Ansatz», betont Markus Hertig. Bleibt ein Mitarbeiter mehr als zehn Tage vom Arbeitsplatz fern, wird er von einem Case Manager telefonisch kontaktiert. Ab dem 20. bis 25. Tag folgt ein persönlicher Besuch, im Rahmen dessen das weitere Vorgehen besprochen wird. Hertig: «Wir wollen die Fälle frühzeitig erfassen, um eine langfristige Abwesenheit wenn möglich zu verhindern.»

Für den Personalchef ist klar, dass sich das Projekt ausbezahlt. Auch in Franken. Erstmals erhält die Firma von der CSS im nächsten Jahr einen Bonus rückvergütet, und bereits dieses Jahr kommt es zu keinem Prämienanstieg. Laut Hertig konnten mit dem Programm sowohl die direkten wie auch die indirekten Kosten gesenkt werden.

KMU haben oft Mühe mit professioneller Kontrolle

Immer mehr Schweizer Firmen arbeiten an einem professionellen Absenzenmanagement. Denn klar ist, dass Absenzen nicht nur die direkten Lohnfortzahlungskosten und steigende BVG-Prämien zur Folge haben, sondern aus zu häufigen Abwesenheiten auch diverse weitere Kosten entstehen.

Zu den kostspieligen Folgen gehören Überzeit, der Einsatz von Temporärkräften, erhöhter administrativer Aufwand, zusätzliche Ausfälle durch Stress oder gar Konventionalstrafen bei Lieferverzögerung.

Doch nicht alle Betriebe sind in der Lage, solche Projekte im Alleingang durchzuführen. Besonders KMU bekunden oft Mühe mit dem professionellen Absenzenmanagement. Und so gibt es inzwischen mehrere Anbieter entsprechender Dienstleistungen. Schon seit mehreren Jahren spezialisiert hat sich die SIZ Care AG, das ehemalige Schadensinspektorat Zürich. Es wickelt das Absenzenmanagement für 80 Unternehmen mit total 25000 Mitarbeitenden ab.

Mit welchem Effekt, schildert Kurt Mettler, Mitglied der Geschäftsleitung bei der SIZ Care AG, anhand eines Kundenbeispiels: Ein Unternehmen mit 320 Angestellten beklagte 2003 eine Absenzenquote von 5,8%. Es fehlten durchschnittlich pro Tag 18,5 Mitarbeiter. Umgerechnet auf 220 Arbeitstage ergaben sich, ausgehend von Ausfallkosten von 300 Fr. pro Arbeitstag, Kosten von 1,2 Mio Fr. pro Jahr.

Nach Einführung des Absenzenmanagement waren durchschnittlich noch 14,4 Mitarbeiter pro Tag krank. Die Kosten konnten um 250000 Fr. reduziert werden. Die SIZ-Dienstleistung kostete das Unternehmen jährlich 35000 Fr.

«In den Schweizer Unternehmen hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden», beobachtet Mettler. «Die Notwendigkeit sehen heute viele, wenn auch oft erst unter dem Druck steigender Versicherungsprämien. Die Frage ist, wie man ein solches Programm konkret ausgestalten soll.»

Bei SIZ Care sind es eigene Berater, die die krank geschriebenen Mitarbeiter eines Kunden in der Regel nach 10 Tagen kontaktieren, nachdem eine Meldung des Unternehmens erfolgte. Ein zweiter Kontakt folgt meistens nach 30 Tagen in Form eines persönlichen Besuches. «Die Besuche beruhen grundsätzlich auf Freiwilligkeit des betroffenen Mitarbeiters, werden aber so zusagen nie abgelehnt», weiss Mettler aus Erfahrung. SIZ Care versteht die Dienstleistung als Ergänzung und Unterstützung.

Führungsfragen sind auch hier entscheidend

Ein Unternehmen dürfe sich durch das Outsourcing nicht aus der Verantwortung stehlen. Aufgrund der Erfahrung der SIZ-Berater liegen die Gründe für die Abwesenheit denn auch nicht selten in den Firmen selbst. «Bei rund einem Viertel der Fälle ist der Arbeitsplatz oder das Arbeitsumfeld zumindest Mitursache für das Fernbleiben», so Mettler.

Das entspricht auch den Analysen von Brigitte Staub, Geschäftsführerin und Partnerin der Trianon Consulting AG. Das auf HR-Outsourcing-Dienstleistungen spezialisierte Beratungsunternehmen mit Niederlassungen in Lutry und Zürich-Flughafen bietet seit Anfang 2005 ein «Absence Management Program» an. «Meistens haben Krankheiten und Abwesenheiten eine Geschichte, und nicht selten auch mit Führungsproblemen zu tun», weiss Brigitte Staub.

So könne ein effizientes Absenzenmanagement auch helfen, Probleme in bestimmten Abteilungen aufzudecken. Voraussetzung dafür ist ein seriöses und regelmässiges Reporting. Trianon liefert ihren Kunden monatlich detaillierte Daten über die Abwesenheiten im Betrieb.

Vierteljährlich trifft man sich zu einem ausführlichen Auswertungs-Meeting, im Rahmen dessen auch konkrete Massnahmen vorgeschlagen werden. Diese fliessen dann unter Umständen in Massnahmen zur Organisationsentwicklung. Frühzeitiges Erkennen von Problemfällen fördert in der Regel die schnellere und problemfreiere Reintegration in den Arbeitsprozess.

Im Unterschied zum Vorgehen der SIZ Care AG melden sich die kranken oder verunfallten Mitarbeitenden bereits am vierten Tag direkt bei der Trianon-Hotline, was den ganzen Prozess in Gang setzt. Trianon macht dann Rückmeldung an die Vorgesetzten. Die persönliche Betreuung der Langzeit-Krankgeschriebenen besorgt im Fall von Trianon in der Deutschschweiz das Institut für Arbeitsmedizin (IfA), das auf dem Gebiet der betrieblichen Gesundheitsförderung tätig ist, in der Westschweiz die Firma RSM.

Fürs Case Management beim Ifa zuständig ist die gelernte Krankenschwester Julia Eugster. Eugster betont, dass es entscheidend sei, das Vertrauen der arbeitsabwesenden Menschen zu gewinnen, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen, und bezeichnet es wie Staub eher als Vorteil, dass sie keine direkte Firmenvertreterin sei. Sie erstellt einen Besuchsbericht, den sie an Trianon weitergibt mit Kopie an den Patienten.

Die vertraulichen Informationen werden nur mit Zustimmung des Patienten an den Arbeitgeber weitergeleitet. Durch das Vertrauensverhältnis und ihre Erfahrung gelingt es der Case Managerin des öftern, die tieferen Ursachen etwa eines Rückenleidens zu erkennen...

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Das Absenzenmanagement der Krankenkassen: Absenzenquote um 15 Prozent senken

Viele Krankenkassen haben die Zeichen der Zeit erkannt und werden selber aktiv. So berät beispielsweise die CSS ihre Kunden bei der Organisation und der Prozessoptimierung.

Dazu stellt sie laut Daniel Binkert, Leiter Unternehmensgeschäft, kostenlos eine Software zur Verfügung. Mit dieser können Statistiken und Absenzenspiegel erstellt werden, die Aufschlüsse über Absenzengründe- und -häufigkeit liefern. Ansonsten verrechnet die CSS ihre Dienstleistungen. So kann beispielsweise auch die Betreuung der kranken Mitarbeiter sowie die Koordination mit den verschiedenen involvierten Stellen zum Angebot gehören.

Auch die Helsana stellt kostenlos eine Software zur Verfügung, mit welcher Absenzen erfasst und ausgewertet werden können. Dazu unterstützt Helsana die Verantwortlichen in den Firmen mit eigenen Fachleuten, einem Leitfaden und speziellen Formularen bei der Vorbereitung und Durchführung von so genannten Rückkehrergesprächen.

Die Groupe Mutuel als weiteres Beispiel engagiert sich im Rahmen ihres Managed-Care-Enterprise-Konzeptes mit Workshops und Seminaren, an denen die Bereitstellung praxisrelevanter Werkzeuge und die Vermittlung von methodischem Wissen zur Absenzenkontrolle im Vordergrund stehen.

Natürlich erfolgt der Effort der Kassen nicht uneigennützig, da er dazu beiträgt, die eigenen Kosten in Form von auszuzahlenden Leistungen zu senken. Dafür belohnen einzelne Kassen Firmen je nach Versicherungsprodukt zum Beispiel mit höheren Überschussbeteiligungen.

«Firmen mit einem konsequenten Absenzenmanagement sollten grundsätzlich weniger Absenzen haben und entsprechend weniger Kosten verursachen. Unsere Erfahrun-gen zeigen, dass die Absenzenquote so im Schnitt um 15% gesenkt werden kann. Der Kunde trägt dazu bei, dass die Prämie stabil und kalkulierbar bleibt», so CSS-Manager Binkert. (top/miz)

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Nachgefragt: «Der Kontakt zwischen Chef und Mitarbeiter darf nicht abbrechen»

Brigitte Staub ist Geschäftsführerin der Trianon Consulting AG, eines auf HR Outsourcing-Dienstleistungen spezialisierten Beratungsunternehmens. Sie weiss, dass die entscheidende Aufgabe ist, die Reintegration der fehlbleibenden Arbeitnehmenden zu beschleunigen.

Welchen Einfluss hat die Einführung des Absenzenmanagements auf die Versicherungsprämien? Brigitte Staub: Im Fall unseres Kunden Orange hat allein die Einführung des Programms dazu geführt, dass die Versicherung die Prämien nicht im vorgesehenen Umfang erhöht hat. Als Broker konnten wir überzeugend darlegen, dass das Programm positive Auswirkungen auf die Schadensverläufe hat.

Helfen solche Programme auch, die IV zu entlasten? Davon bin ich überzeugt. Man weiss, dass bei Abwesenheiten von mehr als drei Monaten das Risiko einer Invalidisierung exponenziell ansteigt. Es kommen die Angst vor Arbeitsplatzverlust oder Unsicherheiten wegen eines neuen Vorgesetzten und dadurch immer grössere Blockaden dazu, die eine Rückkehr erschweren. Die Reintegration zu beschleunigen, ist deshalb so wichtig. Fürs Unternehmen ist sie sowieso entscheidend.

Und die Kosten? Die Kosten in den ersten drei Monaten werden in der Regel voll vom Arbeitgeber getragen, danach wird ein Teil der Lohnkosten von der Krankentaggeldversicherung bezahlt, was in der Folge bei einer hohen Absenzenquote zu höheren Prämien führt. Kommt es zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit, zahlt die PK der Firma eine Invalidenrente, selbst wenn der Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Invalidisierung nicht mehr angestellt war. Wird zum Beispiel eine 30-jährige Mitarbeiterin invalid, kostet das die PK schnell 0,5 bis 1 Mio Fr.

Worauf gilt es bei der Reintegrati-on an den Arbeitsplatz nach längerer Abwesenheit zu achten? Wir legen in unserem Programm grossen Wert auf den Prozess der Rückkehr. Die Vorgesetzten erhalten von uns standardisierte Rückkehrgesprächs-Fragebogen. Die HR-Abteilung unterstützt bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Gespräche. Es ist enorm wichtig, dass sich der Vorgesetzte dafür Zeit nimmt. Von grosser Bedeutung kann die Möglichkeit sein, zumindest in einer ersten Phase in Teilzeit arbeiten zu können. Das ist zwar für die Chefs oft anspruchs-voll, lohnt sich aber langfristig. Schliesslich hat man die Leute eingestellt, vielfach weitergebildet und hat auch eine gewisse soziale Verpflichtung.

Wie oft erleben Sie bei Absenzen Missbräuche? Bei Langzeitabwe-senden gibt es sehr wenig Missbräuche. Bei kurzen Absenzen kann es schon mal vorkommen. Weil sich aber alle Mitarbeitenden unserer Kunden am vierten Tag direkt bei uns melden müssen, steigt die Hürde für Schummeleien.

Besteht nicht die Gefahr, dass sich das Management durchs Outsourcing aus der Verantwortung zieht? Es ist wichtig, dass der Kontakt zwischen Chef und abwesendem Mitarbeiter nicht abbricht. Diese Beziehungspflege ist nicht delegierbar. Darauf machen wir immer wieder aufmerksam. Im Fall unseres Kunden Orange ist dieses Bewusstsein vorhanden. Ich werde des öftern direkt von Managern mit konkreten Anliegen kontaktiert. Die Gratwanderung zwischen Wahrung der Privatsphäre und ehrlicher Empathie für den Mitarbeiter ist für die Vorgesetzten manchmal schwierig. Doch eine gute Beziehung zum Vorgesetzten kann wesentlich zu einer schnelleren Genesung beitra-gen.