Es wurde bereits darüber spekuliert, jetzt ist es Fakt: Viola Amherd tritt mit 62 Jahren als Verteidigungsministerin der Schweiz zurück. Sie verlässt den Bundesrat per Ende März 2025. Der Landesregierung gehörte die Mitte-Politikerin seit 2018 an. Sie nahm Armeereformen in Angriff, kümmerte sich um die Anliegen der Schweiz als Sportnation und um den Bevölkerungsschutz. Ihre Bilanz in Rüstungsfragen ist durchwachsen.
Immerhin hat sie die Einsicht: «Die Wichtigkeit der Sicherheitspolitik wurde offensichtlich.» In Ihrem Kündigungsschreiben an Nationalratspräsidentin Maja Riniker schreibt sie von «herausfordernden Zeiten mit sich überlappenden Krisen».
Gescheiterte Munitionslieferungen und ein Panzerdebakel
An einigen Krisen war Viola Amherd auch selbst mit beteiligt. Man erinnere sich an die Debatte über Munitionslieferungen an die Ukraine, damit diese sich gegen den Aggressor Russland verteidigen kann. Es gab zwar Krieg in Europa, aber keine Munitionslieferungen an die Ukraine, die letztlich auch für die Schweiz ins Feld ging. Was es hierzulande unter Amherds Führung gab, war nur der Hickhack drumherum.
Beim gescheiterten Munitionsgeschäft blieb es nicht. Auch Panzer konnten nicht geliefert werden, welche die Ukraine so dringend gebraucht hätte. Das Argument dagegen war letztlich ähnlich: Die Schweiz ist neutral und soll es bleiben. Derlei Lieferungen können daher nicht stattfinden. Und das Ganze wurde angereichert um die Frage, ob dem staatlichen Rüstungsunternehmen Ruag die Panzer überhaupt gehörten. Und die Ruag ergo nicht berechtigt sei, die Leopard-Panzer überhaupt zu verkaufen. Was schwerer wog, ist dabei fast egal. Der entsprechenden Diskussion darüber ging sie eher aus dem Weg. Auch wenn sie sich damit nur an das Gesetz gehalten hat, das erst vor wenigen Jahren beschlossen wurde. Der Preis dafür war hoch: Das gute Einvernehmen mit Deutschland in Rüstungsfragen ist getrübt. Berlin ist wegen des Panzerdebakels und der verbotenen Munitionslieferungen bis heute sauer auf Bundesbern.
Die Panzerdebatte hatte die damalige Ruag-MRO-Chefin Brigitte Beck den Kopf gekostet. Dabei hatte sich Amherd hinter den Kulissen noch für ihren Schützling starkgemacht und Beck dazu ermuntert, sich über die Gegner des Panzerexports hinwegzusetzen. So erzählt man es sich in Bundesbern. Als der Gegenwind aber zu heftig wurde, gelang Amherd das Kunststück, aus dieser Affäre unbeschadet herauszukommen: Sie konnte und musste die Details als oberste Aufseherin nicht kennen, so das Argument. Amherd versteckte sich hinter Juristinnen und Juristen. Andere waren schuld, Beck musste gehen, später zog auch der Ruag-Präsident Nicolas Perrin die Konsequenzen.
Zu wenige Gegengeschäfte
In Amherds Zeit fällt auch die Beschaffung supermoderner Kampfjets, made in USA. Die Bundesrätig setzte Prüfteams, Projektkommissionen und Unterhändler in Sonderzahl ein, um gegenüber den Steuerzahlenden das richtige Argument für den Sechs-Milliarden-Deal zu finden. Gegengeschäfte würden es richten, die Schweiz und ihre Unternehmen davon profitieren. Doch die Anzahl der Gegengeschäfte für diese Armeebeschaffung des Jahrzehnts ist bis heute unter den Erwartungen der Schweizer Industrie geblieben. Das gute Geschäft haben die Amerikaner gemacht. Und die neutrale Schweiz hat demnächst Nato-Flieger aus Übersee im Bestand. Sofern sie überhaupt pünktlich geliefert werden.
Dabei machte Amherd stets klar, dass es mit der Nato nur eine Zusammenarbeit gebe, mehr auch nicht. Dennoch sprach sie sich für eine Teilnahme am europäischen Verteidigungsschirm Skyshield aus. Indirekt Rückenwind bekam sie von der Debatte in Österreich, das als neutrales Land Skyshield beigetreten ist. Vor zwei Jahren erklärte sie die Schweiz reif für einen Beitritt. Eineinhalb Jahre später ging es los mit Fragen rund um die Schweizer Neutralität und dazu, wie diese mit dem Beitritt zu Skyshield vereinbar wäre.
Hürden bei teurem Drohnenkauf
Eine Beschaffung aus ihrer Amtszeit wäre da noch, mit der sie sich bald nicht mehr auseinandersetzen muss: der Kauf von Drohnen der Firma Elbit für eine Viertelmilliarde Franken. Seit bald zehn Jahren murkst man herum bei der Anpassung an alpines Gelände und an einer geeigneten Drohne Schweizer Zuschnitts. Erst kürzlich wurde bekannt, dass man nach vielen Jahren nicht viel weitergekommen ist. Bezahlen muss der Steuerzahler das Geschäft trotzdem.
Die jüngste Fragwürdigkeit leistete sie sich vergangenen Herbst. Die Ruag International wollte sie ursprünglich zum eigenständigen Aerospace-Technologiekonzern Beyond Gravity umbilden, dies sogar kurz nachdem sie ihr Amt als Bundesrätin antrat. Fünf Jahre später hiess es vonseiten der Sicherheitskommission, der Verkauf von Beyond Gravity widerspreche den wirtschafts- und weltraumpolitischen Interessen der Schweiz. Den Argumenten der Prüferinnen und Berater verlieh sie offenbar mehr Gewicht als ihren Überzeugungen
Was bleibt: Amherds Ideen waren oft gut, ihr Ansinnen integer. Doch bei den grossen Rüstungsgeschäften leistete sie sich Patzer. In der Summe eine durchzogene Bilanz.