In der Nacht haben die Pilotinnen und Piloten der Lufthansa zum ganztägigen Streik am Freitag aufgerufen. Die Gesellschaft streicht notgedrungen Hunderte Flüge. Die Auswirkungen werden noch tagelang spürbar bleiben.
Der angekündigte Pilotenstreik wirkt sich nahezu auf das komplette Flugprogramm der Lufthansa aus. Es fallen an den Drehkreuzen München und Frankfurt rund 800 Flüge mit voraussichtlich 130’000 betroffenen Passagieren aus, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte.
Auch das grösste Drehkreuz der Schweiz ist betroffen. Es sind jeweils vier Hin- und Rückflüge von Zürich nach Frankfurt gestrichen worden, wie der Flughafen Zürich am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP mitteilte. Details zu Anpassungen des Flugplans sollen Passagiere aber direkt bei der Fluggesellschaft Swiss einsehen.
Gemäss einem Swiss-Sprecher werden Flüge zwischen Zürich und Frankfurt derzeit vollumfänglich von Lufthansa durchgeführt. So auch die Flüge von Zürich und München – diese wurden aber bisher nicht gestrichen. Die Swiss erwartet zum jetzigen Zeitpunkt «keine grösseren Auswirkungen», hiess es.
Eurowings und Eurowings Discover nicht betroffen
Der ganztägige Streik führe zu starken Auswirkungen auf den Flugbetrieb in der Hauptrückreisezeit zum Ende der Schulferien in mehreren Bundesländern. Auch am Donnerstag sowie am Samstag und Sonntag könne es zu Flugausfällen kommen.
Die Gesellschaften Eurowings und Eurowings Discover sind von dem Streikaufruf nicht betroffen und sollen planmässig fliegen. Auch Lufthansa-Flüge von nicht deutschen Startpunkten finden statt, sofern Flugzeuge und Crews bereits im Ausland sind.
Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hat die Piloten und Pilotinnen der Kerngesellschaft wie auch der Frachttochter Lufthansa Cargo zu einem ganztägigen Streik aufgerufen.
Rückkehr an den Verhandlungstisch gefordert
Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann forderte die VC zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Er sagte laut Mitteilung: «Uns fehlt jedes Verständnis für den Streikaufruf der VC. Die Arbeitgeberseite hat ein sehr gutes und sozial ausgewogenes Angebot gemacht – trotz der nachwirkenden Lasten der Corona-Krise und der unsicheren Aussichten für die Weltwirtschaft.» Die Eskalation gehe zulasten Tausender Kunden und Kundinnen.
Laut Lufthansa würden die Forderungen der VC die Personalkosten im Cockpit um 40 Prozent erhöhen. Zuletzt habe das Unternehmen eine Erhöhung der monatlichen Grundvergütung um pauschal 900 Euro angeboten. Bezogen auf die Laufzeit von 18 Monaten würde das Zuwächse von 18 Prozent für Berufsanfängerinnen und -anfänger sowie 5 Prozent für Kapitäne in der Endstufe ergeben, teilte die Lufthansa mit. Ein Berufsanfänger käme dann unabhängig vom Flugzeugtyp auf ein Jahresbruttogehalt von rund 81’000 Euro und eine Kapitänin in der Endstufe auf knapp 289’000 Euro Grundgehalt.
Die VC hatte neben 5,5 Prozent mehr Geld in diesem Jahr einen automatisierten Ausgleich oberhalb der Inflation ab 2023 verlangt. Dazu kämen eine neue Gehaltstabelle sowie mehr Geld für Krankheitstage, Urlaub und Training. Auf eine Laufzeit von zwei Jahren würde das eine Mehrbelastung von 900 Millionen Euro bedeuten, erklärte die Lufthansa. Die VC wollte sich zu diesen Zahlen nicht äussern.
Besseres Angebot gefordert
«Um Arbeitskämpfe abzuwenden, muss die Lufthansa ein deutlich verbessertes Angebot vorlegen», erklärte VC-Tarifchef Marcel Gröls. Offizieller Anlass des Arbeitskampfes sind die aus Sicht der Gewerkschaft gescheiterten Verhandlungen über einen neuen Gehaltstarifvertrag. Im Hintergrund schwelt zudem ein Konflikt über die Konzernstrategie.
Die VC hatte sich in der Vergangenheit die Zahl von 325 Flugzeugen garantieren lassen, die ausschliesslich von den rund 5000 Kapitänen und Ersten Offizieren geflogen werden durften, die dem Konzerntarifvertrag unterlagen. Die Lufthansa hatte diese Vereinbarung unter dem Eindruck der Corona-Krise gekündigt, sich nun aber bereit gezeigt, die Flottengarantie wiederzubeleben. In welcher Grössenordnung, blieb unklar.
(sda/awp/gku)