Die Delegation chinesischer Ingenieure zeigt sich beeindruckt vom eben Gesehenen. Mit Höchstgeschwindigkeit hat ihr Kollege von Acutronic die tonnenschwere Maschine sich schütteln und rütteln, neigen und winden lassen. Allein ein vom Fundament losgelöster, «schwimmender» Boden verhindert, dass das ganze Gebäude regelmässig den Gummitwist tanzt immer dann, wenn am Sitz des Hightechbetriebs in Bubikon Einführungen und Abnahmen anstehen. Was aussieht wie eine riesige, mit Halterungen und Aussparungen bestückte Roboterhand, ist in diesem Fall ein dreiachsiger Bewegungssimulator der neusten Generation.
Die über 1 t schwere und 1,2 Mio Fr. teure Anlage soll es den Helikopterfabrikanten aus Asien ermöglichen, die empfindlichen Fluginstrumente vor dem ersten Start und noch am (sicheren) Boden auf Herz und Nieren zu prüfen.
Aufstieg zur Spitzenposition
Still und unauffällig hat sich das Kleinunternehmen aus dem Zürcher Oberland im Verlaufe der letzten 30 Jahre in die Riege der weltweit führenden Hersteller von Bewegungssimulatoren vorgearbeitet. Die technisch und elektronisch höchst komplexen Anlagen finden ihre Anwendungen über die Luftfahrt hinaus auch in der Raumfahrt, im Automobilbau und in der Verteidigungsindustrie.
Dass die Öffentlichkeit hierzulande kaum Kenntnis nimmt vom erfolgreichen Tun des Hightechbetriebs, liegt gemäss Acutronic-Chef Thomas Jung primär an der Exportausrichtung des Unternehmens. «Wir haben keine Abnehmer in der Schweiz und liefern ausschliesslich ins Ausland, vorab nach Asien, Deutschland, Frankreich und Italien.» Dorthin eben, wo die grossen Flugzeug- und Fahrzeugbauer beheimatet sind. Der amerikanische Markt wird derweil vom in Pittsburgh beheimateten Schwesterunternehmen bearbeitet.
Zu den Kunden von Acutronic gehören denn auch namhafte Konzerne wie Boeing, Bosch oder der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, der unter anderem die Ariane-Rakete und den Airbus herstellt.
Insgesamt beschäftigt Acutronic 70 Mitarbeiter, 30 davon in der Schweiz. «Wir forcieren das Label zwar nicht explizit, die damit verbundenen Attribute allerdings geniessen sowohl bei uns als Produzent wie auch bei unseren Kunden oberste Priorität», führt Thomas Jung, der das Unternehmen 1996 übernommen hat, aus. Zuverlässigkeit, Präzision und Qualität «in unserer Branche muss dies zu 200% stimmen, ansonsten es zu Fehlfunktionen oder im schlimmsten Fall zur Katastrophe kommen kann».
Sechs bis zwölf Monate Entwicklungsarbeit stecken durchschnittlich in einem Bewegungssimulator, mit dem je nach späterem Einsatzgebiet Zentrifugalkräfte, Flugprofile oder Temperatur- und Druckverhältnisse simuliert werden können. Zumeist handelt es sich bei den ein- bis fünfachsigen Anlagen um Prototypen, mit denen sich Instrumente im Labor unter Vorspiegelung der Realität testen und kalibrieren lassen.
Die Konsolidierung der letzten Jahre im Bereich Luftfahrt, die Restrukturierungen und Fusionen von europäischen und amerikanischen Flugzeugherstellern, stellt auch die Zulieferer und damit Acutronic vor neue Herausforderungen. Und die Dynamik, welche der Markt den Anbietern abverlangt, ist gross. So sei denn auch die Hälfte der Anlagen, die Acutronic zurzeit baue, vor einem Jahr noch gar nicht im Angebot geführt worden, betont Thomas Jung.
Noch machen die Bereiche Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigungstechnik je ein Drittel des Jahresumsatzes aus in Zukunft allerdings verspricht sich Jung vor allem im Sektor Automobil (heute 10% des Umsatzes) Wachstumschancen. Was die geografische Situierung der Zukunftsmärkte anbelangt, baut man bei Acutronic momentan vor allem auf Länder wie Südkorea, Indien und China.
Immer einen Schritt voraus
Die Helikopteringenieure aus China machen sich bereit zu einer weiteren Vorführung mit dem AC3367. In wenigen Wochen werden sie den Simulator zu Hause in Betrieb nehmen und damit mitunter Manöver und Situationen nachstellen, die in Wirklichkeit nie eintreten sollen. Unkontrollierte Flugbewegungen etwa, Abstürze auch. Erst wenn die eingespannten Instrumente den Härtetest schadlos überstanden haben, werden sie ins Fluggerät eingebaut. «Wir beliefern unsere Kunden mit der Hardware», bemerkt Thomas Jung, «dazu kommt aber auch das Wissen, wie diese Anlagen funktionieren.»
Ein zweischneidiges Schwert, dessen ist sich der Acutronic-Chef bewusst, denn früher oder später würden die einstigen Kunden gerade jene aus Asien die Anlagen dank des erworbenen Know-hows selber herstellen und damit zu Konkurrenten werden. Die Strategie im Rennen um lukrative Aufträge in einer Branche, in welcher es der Auftraggeber immer weniger werden, ist denn für Thomas Jung auch klar: «Wir müssen der Konkurrenz einfach immer einen Schritt voraus sein.»
Firmen-Profil
Name: Acutronic Gruppe, Techcenter Schwarz, 8608 Bubikon/ZH, Tel. 055 253 23 23
Gründung: 1973 durch Leo Marxer
Geschäftsleitung: Thomas W. Jung, Besitzer, CEO und VR-Präsident
Umsatz: 25 Mio Fr.
Beschäftigte: 70, davon 30 in der Schweiz
Produkte: Bewegungssimulatoren für Luft- und Raumfahrt, Verteidigungs- und Automobilindustrie
Kunden: Bosch, Boeing, Honeywell, British Aerospace Systems, EADS (Airbus, Ariane).
Internet: www.acutronic.com