Sie reiste nach Italien und Frankreich, als ihre Zeitgenossinnen kaum aus ihrem Wohnort herauskamen. Sie hatte Umgang mit Königinnen, Fürsten und Bundesräten, als Frauen nur Kontakte in der Familie zu pflegen hatten. Sie wanderte als schwerreiche Frau nach Amerika aus, als die Ozeandampfer mit armen Emigranten gefüllt waren. Sie nahm Malunterricht beim berühmten Maler Edgar Degas in Paris. Kurz: Adelheid Page (1853–1925) war eine Dame von Welt.
Als Halbwaise in Zug aufgewachsen, machte sie mit der unkonventionellen
Heirat des amerikanischen Industriellen George Page einen schnellen Aufstieg: Aus Heidi Schwerzmann wurde Adelheid Page. Sie hatte durchaus Einfluss auf die Geschäfte ihres Mannes: Sie war ihm, der sich von niemandem dreinreden liess, die wichtigste Beraterin. Verschiedene geschäftliche Entscheidungen gehen auf ihren Einfluss zurück, unter anderem die Einführung der Kleinkinderschule der Fabrik in Cham. Sie stellte die weltliche Lehrerin «Jungfer Brandenberg» an, liess diese nach der Reformpädagogik von Friedrich Froebel unterrichten und verfasste eigenhändig eine Liste mit Erziehungs- und Verhaltensregeln. Das Schlagen von Kindern war ausdrücklich verboten.
Adelheid Page vergass diejenigen auf der Schattenseite des Lebens nicht. Mit ihrem enormen Vermögen wirkte sie als Wohltäterin und spendete so viel, dass sie im Scherz meinte, deshalb wohl einmal unter Vormundschaft gestellt zu werden. Die Spuren ihres Wirkens sind bis heute sichtbar. Die Klinik Adelheid in Unterägeri trägt ihren Namen, weil sie diese erbauen liess und der Gemeinnützigen Gesellschaft Zug schenkte. In Cham existiert eine Adelheid-Page-Strasse, in Unterägeri ein Adelheid-Page-Brunnen, aber auch im Heimatort ihres Mannes, im amerikanischen Dixon im Bundesstaat Illinois, existiert eine Adelheid Street.
Michael van Orsouw, Judith Stadlin, Monika Imboden: Adelheid. Frau ohne Grenzen. Das reiche Leben der Adelheid Page-Schwerzmann. NZZ Verlag, Fr. 48.–, ISBN 3-03823-145-2.