Er ist derzeit täglich in den Medien präsent in Wort und Bild. Als beschlagener Gesprächspartner und geschickter Verfechter der Strategie von Sterling Strategic Value wurde er bekannt. Aber wie sieht Adriano Agosti hinter der harten geschäftlichen Fassade aus? Auf vieles war man vor dem Gespräch mit ihm gefasst, nur nicht auf das, was er preisgab.

Der agile Vertraute von Tito Tettamanti antwortet auf die Frage, wie sich der Manager Agosti vom Privatmann Agosti unterscheide: «Ich bin ein binärer Mensch extravertiert und introvertiert zugleich. Im Geschäft liebe ich immer wieder neue Herausforderungen und möglichst viele verschiedene gleichzeitig. Ich liebe es, zu debattieren, und mag Menschen, die eine eigene Meinung haben. Das gilt speziell für jene, mit denen ich eng zusammenarbeite. Meine Mitarbeiter haben viel Freiheit; ich bin autoritären Attitüden abgeneigt.» Wie würde er seine «andere», die introvertierte Seite beschreiben?

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Yoga und Meditation

Adriano Agosti ist mit handgeschriebenen Notizen auf die Minute genau pünktlich erschienen. Er legt sie einfach beiseite und schaut während des ganzen Gesprächs nicht mehr darauf. «Ich mache regelmässig Yoga, meditiere und lese leidenschaftlich gerne. Immer mehrere Bücher gleichzeitig.» Hier gibt es doch eine erste Parallele zu seinen beruflichen Aktivitäten. Nicht nur bei der SIG hat der Exponent von Sterling dafür gesorgt, dass Spannung erzeugt wurde, auch bei Ascom oder bei Jean Frey gelang es ihm, Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte auf Trab zu bringen.

Agosti wird dann ungemütlich, wenn das Potenzial eines Unternehmens und die Einhaltung der Aktionärsrechte nur ungenügend wahrgenommen werden. Von einer Sache überzeugt, kämpft Agosti durchaus über Jahre für das Ziel, eine nachhaltige Verbesserung der Profitabilität des Unternehmens zu erreichen. Fiebert er der SIG-Generalversammlung vom 30. März entgegen? Was, wenn seine Anliegen und jene von VR-Präsident Tito Tettamanti nicht durchgesetzt werden können?

Agosti lächelt. «Der 1. April kommt trotzdem. Wir versuchen, unsere Sichtweise klar darzutun, und wenn wir die Aktionäre nicht überzeugen können, müssen wir unsere Argumente beim nächsten Mal noch vertiefter darlegen.» Seine Ruhe ist beinahe ansteckend. Dabei arbeitet er derzeit 60 bis 70 Stunden pro Woche, wirkt weder abgespannt noch unkonzentriert im Gegenteil. Er antwortet rasch, präzise und scheint Redundanz zu verabscheuen. «Ich brauche zum Glück wenig Schlaf», sagt er, darauf angesprochen, ob er ein spezielles Rezept für sein Time-Management habe. Agosti schüttelt den Kopf und erzählt, dass er sich nie von Terminen gehetzt fühle. Nichts scheint Agosti aus der Ruhe zu bringen.

Faszination Buddhismus

Liegt das Geheimnis in seiner Hinwendung zu Yoga und zur Meditation? «Ich liebe es, einen Ort zu haben, wo ich in mich gehen kann. Buddhismus übt eine grosse Faszination auf mich, aber auch auf meine Frau aus.» Die beiden nehmen sich jeden Morgen eine halbe oder eine ganze Stunde Zeit, um in diese Welt einzutauchen. Agosti steht um fünf Uhr auf. Ihn sich vorzustellen, wie er ausschläft, fällt schwer. Wahrscheinlich wäre das für ihn keine Erholung.

Vom Kunsthandwerker zum Unternehmer

Dabei ist er nicht nur Verwaltungsratsmitglied von Sterling Strategic Value, sondern auch noch Inhaber der Altamira Holding AG, ein Unternehmen, unter dessen Dach verschiedenste Betriebe zusammengefasst sind etwa der Handel mit Liegenschaften im oberen Segment, ein Unternehmen aus der Druckerei- sowie aus der Medienbranche. Dass auch das Baugewerbe vertreten ist, merkt man spätestens dann, wenn in Agostis Stützpunkt in Affoltern Handwerker im Tenu bleu auftauchen. Apropos Affoltern: Hier ist er aufgewachsen. Ist es Zufall, dass ein Teil der Altamira Holding AG an diesem Ort einquartiert ist? Er zerstört die Hoffnung auf einen nostalgischen Touch in seinem Porträt. «Der Grund für diese Standortwahl liegt ganz woanders: Wenn ich in mein Büro nach London fliege, ist es praktisch, nahe dem Flughafen zu sein.»

Auf die Frage, was ein so vielseitiger Mensch als kleiner Junge einmal werden wollte, sagt er kurz und bündig: «Unternehmer». Diesen Wunsch hat er sich aber nicht in der Direttissima erfüllt. Agostis Vater war Bauunternehmer und wollte, dass sein Sohn ins Geschäft eintrete. «Mein Sackgeld habe ich als verdient.»

Dass er dann aber doch nicht in die Fussstapfen seines Vaters trat, hängt damit zusammen, dass die beiden das Heu nicht auf der gleichen Bühne hatten. Agosti jun. beschloss, eine Lehre im bekannten Restaurations-Unternehmen Helbling Fontana AG zu machen. Und war mit von der Partie, als die Kathedrale von St. Gallen, Teil des Weltkulturerbes, restauriert wurde.

Nach zwei Jahren hat er dem Kunsthandwerk dann aber doch den Rücken gekehrt. Eine Frage der nachlassenden Begeisterung? «Nein. Die Erklärung ist viel einfacher: Ich war begabt, aber nicht so sehr begabt.» Agosti schrieb sich an der HSG ein und legte dort den Grundstein für das, was er schon als kleiner Junge wollte. Im Anschluss an das Studium der Betriebswirtschaftslehre besuchte er die London Business School. Wenn er über jene Zeit spricht, gerät er beinahe ins Schwärmen. «Mir gefiel diese internationale Atmosphäre.»

Auch beim Sport gehtalles gleichzeitig

Jahre später begegnete er dort das erste Mal seiner Frau. Ihre Lebensgeschichte ist ebenfalls nicht alltäglich. Sie wuchs in Puerto Rico auf, machte sich mit 14 selbstständig, war Model, Sängerin und Filmstar. Die beiden sind nicht nur dem Yoga zugetan. Sie treiben auch viel Sport zusammen. Und zwar nicht irgendeinen: Den Agostis hat es das Kitesurfing angetan. Es gilt, das Surfbrett mit einem Drachen zu steuern. Wenn Agosti mit seinen Armen beschreibt, wie das vor sich geht, kommt einem wieder seine Vorliebe für Gleichzeitigkeit in den Sinn. Als ob er es geahnt hätte. «Man muss gleichzeitig auf das Wasser, den Drachen und den Himmel aufpassen.»

Noch mehr Begeisterung klingt nur noch aus seinen Worten, wenn er über Polo spricht. «Das ist ein wettbewerbsintensiver, physisch fordernder Teamsport. Man kämpft gegen sich selber und lernt, seine Grenzen auszuloten.» Mit seinem Cartier-Team hat er den diesjährigen Polo World Cup on Snow in St. Moritz für sich entscheiden können. «Die Spiele waren schnell und technisch sehr anspruchsvoll. Es wurde hart gekämpft, blaue Flecken waren inbegriffen», sagt er lachend. Wenn er die Unterschiede zwischen einem Polospiel im Schnee oder auf dem Gras beschreibt, verwandeln sich Gestik und Mimik. «Reiter und Pferd brauchen im Winter ein Vielfaches an Energie. Die Atmosphäre und die Kulisse sind in St. Moritz unbeschreiblich, sogar die Pferde galoppieren hier kraftvoller, wenn auch Argentinien natürlich der Inbegriff des idealen bleibt.»

Mit persischen Gedichten

Und dieser Mann, der Polo als harten Sport liebt, liest besonders gerne die Gedichte von Salahudin Rumi, einem persischen Poeten. «Von 1000 bis 1300 war Persien eine Dichterhochburg», sagt Agosti und hätte noch lange über seine Leidenschaft für diese Literatur gesprochen, wenn nicht die Sekretärin hereingekommen und auf die Uhr gedeutet hätte. Mit persischen Gedichten hat er seine Frau beeindrucken können. Einmal etwas anderes als Rosen und Schmuck!

Steckbrief: Mit Tito Tettamanti im Boot

Name: Adriano Agosti

Funktion: Inhaber der Altamira Holding AG, Zürich; VR-Mitglied der Sterling Strategic Value Ltd, Monaco

Alter: 51

Familie: Verheiratet, vier Kinder

Karriere

- 1992 Gründung der Altamira Holding AG, Inhaber

- Seit 1999 Sterling Investment Group, VR-Mitglied

- 1997-2002 Jean Frey AG, Chairman und Investor

- 2002-2004 Teleplan Int., New York, operativer DirektorFirma



Altamira Holding AG

In dieser Gesellschaft, die Adriano Agosti gegründet hat und besitzt, sind zahlreiche Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen und ihre Investitionsplattformen zusammengefasst darunter der Liegenschaftenhandel, der grafische und der Medienbereich. Ein weiterer Pfeiler ist das Baugeschäft Agosti AG, das Adriano Agosti von seinem Vater übernahm. Die Sterling Strategic Value Ltd mit Sitz in Monaco ist eine grosse Investment-Gesellschaft im Besitz von Tito Tettamanti, der ihr als VR-Präsident vorsteht. Adriano Agosti ist Mitglied des Verwaltungsrates.