Der bekannte Zürcher Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel öffnet im Frühsommer seine Amtsstube nur einen Spaltbreit: Man sei im Strafverfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung gegen die Ex-Aduno-Verwaltungsräte Pierin Vincenz und Beat Stocker auf «mögliche weitere, strafrechtlich relevante Transaktionen» gestossen, liess er in einem Communiqué verbreiten.
Bislang waren öffentlich nur drei Fälle von Firmenzukäufen bekannt, bei denen das Duo Stocker und Vincenz – mutmasslich – vorab auf eigene Rechnung investiert waren. Es sind dies Eurokaution und Commtrain beim Finanzdienstleister Aduno und das KMU-Vehikel Investnet bei der Raiffeisen Schweiz. Nun zeigen Recherchen der «Handelszeitung», dass es neben den bisher bekannten Fällen noch einen weiteren Verfahrenskomplex gibt. Es handelt sich um eine Firma aus der Romandie namens Genève Credit & Leasing (GCL).
Strafuntersuchung eröffnet
So steht der Präsident der GCL, die ab 2012 mit Aduno kooperierte, im Visier der Strafermittler. «Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich hat im Zusammenhang mit der GCL eine Strafuntersuchung gegen Stéphane Barbier-Mueller eröffnet», sagt eine Sprecherin. Es geht um den Verdacht auf Gehilfenschaft zur ungetreuen Geschäftsbesorgung. GCL-Präsident Barbier-Mueller reagierte nicht auf eine Kontaktanfrage.
Die Ausweitung des Vincenz-Falls über den Röstigraben ist brisant.
Die Familie Barbier-Mueller gehört in Genf nämlich zur Hautvolee mit einem geschätzten Vermögen von 850 Millionen Franken. Sie besitzt die stadtbekannte Immobiliengruppe Pilet & Renaud und betreibt an der Rue Jean-Calvin ein eigenes Kunstmuseum, das die Familiensammlung mit mehr als 7000 Objekten überseeischer Stammeskunst zeigt.
Stéphane Barbier-Mueller selbst kümmere sich, schreibt die «Bilanz», zusammen mit seinem Bruder um die «Verschönerung seiner Heimatstadt». Und der Pilet-Patron präsidiert seit ihrer Gründung im Jahr 2002 auch die Firma GCL. Diese vergibt Privatkredite und schliesst Leasingverträge ab. Offiziell gibt es erstmals eine Verbindung zwischen GCL und Aduno, als der Zürcher Finanzdienstleister im Frühjahr 2012 eine «exklusive Partnerschaft» mit der Genfer Kreditfirma bekannt gibt. Die Zusammenarbeit erfolgt über die Aduno-Tochter Cashgate, die ebenfalls im Leasing- und Konsumkreditgeschäft tätig ist.
«Durch die Kooperation mit GCL haben wir unsere Organisation in der Westschweiz gestärkt, sowohl im Leasingbereich als auch bei Privatkrediten», erklärt der damalige Aduno-Chef Martin Huldi in einer Geschäftspublikation. In der Westschweiz sehe man grosses Wachstumspotenzial, denn «die Romands sind Privatkrediten gegenüber aufgeschlossener als die Deutschschweizer». Huldi ist zu dieser Zeit nicht nur Aduno-Chef, er hat auch die Beteiligungen unter sich. Auch Huldi reagierte nicht auf eine Kontaktanfrage. Die Aduno selbst verweist auf eine Verfügung der Staatsanwaltschaft, die alle involvierten Parteien zur Geheimhaltung verpflichtet.
Verkauf der GCL-Aktien
Nur wenige Monate vor der Aduno-Kooperation kommt es bei der GCL Ende 2011 zu einer Kapitalerhöhung, im Zuge derer eine Aktionärin ausscheidet. Es ist dies die belgische Bank Fortis, die einen Anteil an GCL hielt. Gemäss Unterlagen sind die Vertragsparteien beim Aktienverkauf Stéphane Barbier-Mueller persönlich und eine Firma namens Nerilix mit Sitz im Wallis, in der Barbier-Mueller ebenfalls als Verwaltungsrat amtet. Wer die GCL-Aktien den Belgiern damals abkauft oder die Kapitalerhöhung mitträgt, geht aus den Unterlagen nicht hervor.
Am 7. Februar 2012 jedoch – kurz nach der Aduno-Kooperation – trifft sich die GCL zur Generalversammlung in den Räumlichkeiten von Barbier-Muellers Immobiliengesellschaft Pilet-Renaud. Der GCL-Präsident Barbier-Mueller erläutert gemäss Protokoll die Demission seines Geschäftsführers. Dieser habe 2007 die Geschäftsleitung übernommen und die GCL in einer «sehr schwierigen Lage» vorgefunden. Der Geschäftsführer habe hart gearbeitet, um die Firma ab 2010 in «die schwarzen Zahlen» zu führen. Und er habe ab Herbst 2010 «beträchtlichen Einsatz» darin geleistet, dass eine «Einigung mit der Bank Raiffeisen und Cashgate» habe erzielt werden können.
Raiffeisen-Manager befragt
Die Aussage von Barbier-Mueller lässt aufhorchen. Schliesslich ist es der bisher einzige Hinweis, dass bei den Geschäften der Genfer mit der Aduno-Tochter Cashgate längst auch die Genossenschaftsbank Raiffeisen unter damaliger Führung von Pierin Vincenz mit am Tisch sass.
Entsprechend befragt Staatsanwalt Jean-Richard-dit-Bressel nun nicht nur Manager der Aduno-Gruppe und ihrer Cashgate-Tochter zum GCL-Komplex, sondern auch aktives und ehemaliges Führungspersonal der Raiffeisen Schweiz. Darunter ein Geschäftsleitungsmitglied der Genossenschaftsbank. Raiffeisen Schweiz selbst nimmt zu «laufenden Strafverfahren oder Mutmassungen über Strafuntersuchungen wie auch zu allfälligen Geschäftsbeziehungen» keine Stellung.
Gemäss einer dem Sachverhalt nahestehenden Person soll Aduno zunächst nur am Kreditportfolio der GCL interessiert gewesen sein. «Aus der Partnerschaft wurde dann aber doch noch ein Kauf, wobei Raiffeisen den Kredit-Deal mitfinanziert hat», so der Mann. Vorab sei das Duo Stocker/Vincenz schon verdeckt beteiligt gewesen. Eine steile These, die nirgends dokumentiert ist. Aber eine, die ans Muster der übrigen bekannten Fälle wie Investnet oder Eurokaution erinnert. Zudem schreibt der Finanzblog «Inside Paradeplatz» im Frühjahr, dass die Strafermittler auf eine Zahlung der Immobilienfirma Pilet-Renaud gestossen seien: Beat Stocker habe von den Genfern eine «tiefe sechsstellige Summe» erhalten.
Fest steht, dass sich für den GCL-Geschäftsführer der «beträchtliche Einsatz» zugunsten eines Raiffeisen-Aduno-Deals ausbezahlt hat. Der Mann leitet ab Februar 2012 – also just ab dem Zeitpunkt der Kooperation – die Geschäfte von Cashgate in der Romandie und ist in dieser Funktion unter anderem für die «outgesourcten Aktivitäten der Genève Credit & Leasing» verantwortlich. Keine zwei Jahre später sitzt der einstmalige GCL-Direktor sogar in der Cashgate-Geschäftsleitung. Eine steile Karriere in jener Aduno-Tochter, die einst auch Vincenz-Geschäftspartner Beat Stocker präsidierte.