Mati Kochavi liebt den grossen Auftritt – egal ob am St. Gallen Symposium, im Fernsehtalk mit Bill Clinton oder mit Ex-CIA-Chef Michael Hayden auf dem Fachpodium. Kochavi, der Gründer und Chef von AGT International, wird nicht müde, die Sicherheitslage für Staaten und Unternehmen in dunklen Farben zu malen. Die Globalisierung und das Internet hätten unser Verständnis von Raum und Zeit verändert, sagt der studierte Philosoph. Und im gleichen Atemzug verspricht Kochavi, die sich daraus ergebenden Sicherheitsrisiken möglichst zu antizipieren. «Wir haben Tools, mit denen wir das Internet auf profunde Weise lesen können», erklärt der Israeli mit New Yorker Wohnsitz freimütig.
So überrascht es nicht, dass Wikileaks jüngst ein Dokument von AGT publizierte. Die Enthüllungsplattform macht jene privaten IT-Firmen publik, welche im Auftrag von Staaten und Unternehmen ausgeklügelte Überwachungssysteme entwickeln und betreiben. Auch AGT mit Sitz in Zürich gehört zu diesen «mass surveillance»-Spezialisten, die Internetdaten aus Sozialen Netzwerken mit Sensorik und Videoüberwachung verknüpfen und so fragwürdigen Rundumschutz verheissen. Man biete Kunden aus dem privaten und öffentlichen Sektor «integrierte Sicherheitslösungen zum Schutz von Menschen, Anlagegütern und Infrastrukturen» an, lässt die Pressestelle ausrichten.
2007 gegründet, setzt der Sicherheitskonzern jährlich rund 1 Milliarde Dollar um. Nach eigenen Angaben ist AGT damit «eine der am stärksten wachsenden Sicherheitsfirmen». Wem die Firma gehört, bleibt im Dunkeln. Im Handelsregister findet sich eine zypriotische Gesellschaft namens Apexon. Auf der Mittelmeerinsel verliert sich die Spur. «Eine ordnungsgemäss registrierte Holding in Privatbesitz», hält AGT fest.
Auftrag über 800 Millionen Dollar
Am Hauptsitz in Zürich arbeiten mehr als 100 der 2400 Mitarbeiter. Es sind Angestellte in Stabsfunktionen wie Unternehmensstrategie, Vertriebsleitung, Kommunikation oder Finanzen. Auch Kochavi ist häufig in der Schweiz. Den Zürcher Sitz will AGT stärken: Ein Forschungshub für «Smart-City-Projekte» sei geplant. Erst kürzlich konnte AGT den autokratischen Stadtstaat Singapur mit einer Lösung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit beliefern. Dabei wurden unter anderem Sensoren platziert, die Verhaltensmuster erkennen, und «intelligence platforms» für soziale Medien aufgebaut.
Das eigentliche Überwachungsbusiness spielt sich jedoch anderswo ab. Zum Beispiel im arabischen Raum, wo der Sicherheitskonzern in mehreren Ländern kritische Infrastrukturen sichert. So in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wie die französische Zeitung «Le Figaro» schreibt.
Von den dortigen Sicherheitsbehörden erhielt das Unternehmen einen Grossauftrag über 800 Millionen Dollar. Das Ziel: Ölförderanlagen zu schützen. So rühmt sich AGT im Wikileaks-Dokument, gegenwärtig den Erdölbedarf Deutschlands für 109 Jahre zu sichern. Dazu liefert der Zürcher Konzern unter anderem Überwachungskameras mit Gesichtserkennung, elektronische Zäune, Sensorik sowie Experten-Know-how in den Nahen Osten.
Welche menschlichen Fähigkeiten der Schweizer Sicherheitskonzern dabei benötigt, offenbaren die Stellenbeschriebe von AGT im Internet. Da wird beispielsweise für den Mittleren Osten und Afrika ein Command & Control Trainer mit «militärischem Background» und Kenntnissen im Betrieb von Radaranlagen gesucht. Diese Nähe zu staatlichen Sicherheitsbehörden ist bei AGT Programm, was gerade bei den arabischen Auftraggebern für Unbehagen sorgt. Denn Firmengründer Kochavi rekrutiert ehemalige israelische Militärs und Kader des Geheimdienstes Mossad, schreibt «Le Figaro». Darunter General Amos Malka, der zwischen 1998 und 2001 den israelischen Militärgeheimdienst leitete.
Eigenes Forschungszentrum
Die Aussagen seien nicht haltbar, betont hingegen die Pressestelle. «Wir haben keine geschäftlichen Beziehungen zu amerikanischen und israelischen Sicherheitsdiensten.» Man beschäftige Mitarbeiter aus 54 Ländern, die zuvor in über 100 Unternehmen gearbeitet hätten. Nebst auf militärischen Hintergrund baut AGT auf IT-Kenntnisse, die sich die Sicherheitsfirma bislang 400 Millionen Dollar kosten liess. In Darmstadt unterhält AGT ein eigenes Forschungs- und Entwicklungszentrum, denn die Stadt in Hessen beherbergt unter anderem das Fraunhofer Institut für sichere Informationstechnologie. AGT sucht diese Nähe zu Computercracks: So arbeitete der langjährige Forschungschef von SAP, Lutz Heuser, bis 2012 als Technologiechef für den Sicherheitskonzern. Mehrere Anfragen der «Handelszeitung» liess Heuser unbeantwortet. Wolfgang Wahlster, ein Experte im Bereich der Künstlichen Intelligenz, präsidiert den Forschungsausschuss einer Firma von AGT-Chef Kochavi. Wahlster wollte sich zu seinem Engagement ebenfalls nicht äussern.