Airbus verkauft grosse Teile seines Sicherheits- und Elektronikgeschäfts und treibt damit seine Umstrukturierung voran. Die Rüstungssparte Airbus Defence & Space kündigte am Dienstag an, sie werde sich von ihren Beteiligungen an Atlas Elektronik und der Firma ESG in Deutschland trennen sowie das Geschäft mit dem digitalen Behördenfunk und der kommerziellen Satelliten-Kommunikation veräussern. «Wir reden über ein Geschäftsvolumen, das wir abgeben werden inklusive aller Beteiligungen, in der Grössenordnung von zwei Milliarden Euro», sagte der Chef der Rüstungssparte, Bernhard Gerwert, der Nachrichtenagentur Reuters. Der Raumfahrtbereich, der Bau von Militärflugzeugen sowie die Herstellung von Lenkflugkörpern bei MBDA zählten dagegen mit dem zugehörigen Service zum Kerngeschäft und sollten ausgebaut werden.
Raumfahrtgeschäft, Militärflugzeuge und Lenkflugkörper künftig Kerngeschäft
«Wir haben ein Ziel: Wir wollen in den Geschäften, in denen wir aktiv sind, eine globale Führungsposition haben», sagte Gerwert, dessen Sparte im vergangenen Jahr 14 Milliarden Euro umsetzte. Nach einer eingehenden Analyse sei der Konzern zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses Ziel im Raumfahrtgeschäft, bei den Militärflugzeugen einschliesslich der Drohnen und bei den Lenkflugkörpern erreichbar sei. «Diese Bereiche werden in Zukunft unser Kerngeschäft sein - und natürlich die damit verbundenen Service-Geschäfte», kündigte Gerwert an.
Auch Zukäufe in den drei Sparten seien denkbar. «Das hängt von den Gelegenheiten ab, die sich bieten», sagte Gerwert. «Wir werden hier alle Möglichkeiten eruieren und offen halten». Airbus Defence & Space baut mit seinen rund 40'000 Mitarbeitern nicht nur die europäische Trägerrakete Ariane, sondern fertigt und betreibt auch Satelliten. Im militärischen Flugzeugbau stellt der Konzern den Kampfjet Eurofighter und den Transporter A400M her und engagiert sich in der Entwicklung von Drohnen. Zudem ist er an der Firma MBDA beteiligt, die unter anderem die Panzerabwehr-Rakete Milan baut.
Thyssenkrupp hat Vorkaufsrecht für Atlas Elektronik
Andere Bereich dagegen gehörten nicht zum Kerngeschäft und sollten verkauft werden, sagte Gerwert. Dazu zählten die kommerzielle Satellitenkommunikation, der zugehörige Service und der digitale Behördenfunk, den auch deutsche Sicherheitskräfte nutzen. «Wir sind der Meinung, dass wir in beiden Geschäftsbereichen heute zwar gut aufgestellt sind», sagte Gerwert. «Aber um dieses Geschäft langfristig abzusichern, müssten wir erhebliche Investitionen tätigen». Der Konzern habe sich entschlossen, diese Mittel eher in das Kerngeschäft zu investieren. Auch von den Tochterfirmen Fairchild Controls in den USA, Rostock System-Technik (RST) in Deutschland und AvDef in Frankreich will sich das Unternehmen trennen.
Das gleiche gilt für die Beteiligungen an den Unternehmen ESG in Deutschland, das Auto- und Flugzeugelektronik produziert, und Atlas Elektronik, das für den maritimen Bereich fertigt. Einen Käufer für Atlas Elektronik habe der Konzern noch nicht im Auge, sagte Gerwert. Die ersten Gespräche würden aber sicher mit dem Mehrheitseigner ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) geführt, der 51 Prozent an der Firma hält und ein Vorkaufsrecht habe. Airbus besitzt die übrigen 49 Prozent. Auch einen Verkauf ins Ausland schloss Gerwert nicht aus. «Es ist nichts undenkbar», sagte er.
Mit dem Verkauf grosser Teile des Sicherheits- und Elektronikgeschäfts rückt Gerwert von der Strategie seines Vorgängers Stefan Zoller ab. Dieser hatte den Konzern bewusst breiter aufgestellt und wollte sich über das zivilere Geschäft mit Sicherheitstechnik für das Schrumpfen des Rüstungsmarktes in den westlichen Ländern wappnen.
Keine weiteren Investitionen in Rest-Sicherheitsgeschäft
Die Zukunft des bei Airbus verbleibenden Sicherheits- und Elektronikgeschäfts, zu dem auch die erst vor zwei Jahren von Carl Zeiss gekaufte Sparte Optronics gehört, ist noch unklar. «Wir werden unser Security- und Verteidigungselektronik-Geschäft nochmals stärker unter dem Aspekt anschauen, wie wir es weiterentwickeln können - aber klar unter der Massgabe, dass sie nicht mehr Kerngeschäft sind», sagte Gerwert. «Das heisst, wir werden in diese Geschäfte nicht weiter investieren». Für eine führende internationale Position wäre dies aber nötig. «Das heisst, durch die Entscheidung, dass wir es nicht tun, müssen wir hier auch andere Alternativen finden», erklärte der Manager. Er äusserte sich nicht dazu, ob er eher an einen Verkauf, eine Weiterentwicklung oder Joint Ventures denkt.
Wegfall von 5800 Stellen bis 2016
Mitte kommenden Jahres solle der Verkauf aller Beteiligungen und Tochterfirmen weitgehend abgeschlossen sein, sagte Gerwert. Wie viele Stellen von den Verkaufsplänen betroffen sein werden, lässt sich nach seinen Worten noch nicht sagen. Der Gesamtkonzern hat im Zuge seiner Neuausrichtung den Wegfall von 5800 Stellen bis 2016 angekündigt, davon 5200 bei Airbus Defence & Space. Bei den aktuellen Plänen gehe es nicht um weiteren Personalabbau oder Standortschliessungen, sagte der Manager.
Der Schritt sei auch keine Reaktion auf die Politik der Bundesregierung, die zuletzt einen restriktiveren Kurs in der Rüstungsexportpolitik angekündigt hatte, betonte Gerwert. «Natürlich sehen wir das weiter als Gefahr für unsere Geschäfte hier in Deutschland, aber das hat nicht direkt etwas mit dem aktuellen Thema der Portfolio-Strategie zu tun». Auch ein kompletter Ausstieg von Airbus aus der militärischen Produktion, wie ihn Konzern-Chef Tom Enders in der Vergangenheit angedroht hatte, stehe nicht zur Debatte. «Wir stehen sowohl zum Rüstungsbereich als auch zur Raumfahrt», erklärte Gerwert.
(reuters/ccr)