Eine Sommernacht über dem Indischen Ozean, im entspannten Ambiente eines A380 Superjumbos von Qatar Airways. Man räkelt sich im Business-Sitz, geniesst ein Steinbuttfilet mit Rahmspinat und wundert sich, dass das Weinglas nie leer wird – immerhin ein Château Talbot, der bei anderen Fluggesellschaften bestenfalls in der First Class ausgeschenkt wird. Danach taucht man in einen der hundert Kinofilme ein und freut sich, dass man vor der Ankunft in Sydney noch sieben, acht Stunden im kuscheligen, mit Duvet und Pyjama ausgestatteten Flachbett schlafen kann.
Das Beruhigende am diesjährigen Primus unter den Fluggesellschaften ist die Gewissheit, dass man an Bord der Langstreckenmaschinen überdurchschnittlich viel Platz und stets direkten Zugang zum Mittelgang hat, dass alles auf dem Stand des technisch Machbaren ist und der Verpflegung besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Das Essen wird zu jeder gewünschten Zeit serviert und es kommt ein grösseres Angebot auf den Tisch, als mancher Restaurantkoch am Boden im Repertoire hat. Jeder Gang, sei es beim Lunch, Dinner oder Frühstück, wird nicht vom Trolley serviert, sondern einzeln direkt aus der Bordküche an den Sitz gebracht. Diese Individualisierung des Caterings führt allerdings zu einem erhöhten Geläuf in der Kabine und zu Food-Gerüchen während des gesamten Flugs.
Die im letzten Jahr eingeführten «Qsuite»-Sitze in der Business Class erlauben dank verschiebbaren Trennwänden und Bildschirmen das Zusammenlegen von Mittelsitzen in private Zonen für zwei oder vier Passagiere. Paare geniessen einen Höchstgrad an Privatsphäre und können zwei Sitze zu einem Doppelbett umwandeln. Doch reichen diese technischen und kulinarischen Qualitätsmerkmale allein nicht aus, um Vielflieger wirklich zufriedenzustellen.
Unterschiedliche Servicequalität
Das zeigen die Urteile von 68 Schweizer Branchenprofis, die Erfahrungen von mehr als hundert eigenen Flugtests sowie die Einschätzungen von international massgeblichen Fachpublikationen und Testportalen, auf welche sich das Airline-Ranking der «Handelszeitung» stützt. Den Unterschied machen die Servicekultur an Bord sowie die Hilfsbereitschaft und Flexibilität der Airlines, wenn etwas schiefgeht. In beiden Bereichen hat Qatar Airways inzwischen das Niveau und die Konstanz des einstigen Vorbilds und heutigen Rivalen Singapore Airlines erreicht.
Die Bereitschaft der gut geschulten, liebenswürdig effizienten QR-Crews, ihren Passagieren eine möglichst angenehme Flugerfahrung zu bieten und auf jeden vernünftigen Sonderwunsch einzugehen, war in diesem Berichtsjahr bemerkenswert. Auch auf Nachtflügen kann man sich darauf verlassen, dass die Stewardessen rund um die Uhr nach dem Rechten sehen und selbst in der Economy Class pausenlos Getränke ausschenken und Snacks servieren.
Reibungsloser Service
Die Katarer haben erkannt, dass Flugreisende nichts mehr schätzen als eine optimale Unterstützung in Problemfällen. «Im Flugbetrieb läuft so vieles ausserhalb der Kontrolle der Airline-Crews, doch wie diese mit ihren Passagieren umgehen und auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren, ist durchaus in ihrer Kontrolle», meint ein Pharma-Manager, der jährlich einige hunderttausend Streckenkilometer unterwegs ist.
Als er auf einem Flug mit Qatar Airways einen Anschluss nach Johannesburg wegen schlechter Wetterbedingungen verpasste, bestätigte ihm der Purser noch vor der Landung in Doha, dass es mit dem Weiterflug am darauffolgenden Morgen definitiv klappen werde und für die unerwartete Übernachtung alles vorbereitet sei. Beim Aussteigen stand bereits eine Flughafen-Assistentin parat, die ihn zum Hotel begleitete und zwei Umbuchungen am Zielort Südafrika tätigte.
Den Dreh mit der reibungslosen Service-Exzellenz hat Singapore Airlines schon seit vielen Jahren raus – so überzeugend, dass der Vorjahressieger heute als eine der weltweit bekanntesten Marken im Reisebereich gilt. Die Crews stammen überwiegend aus Südostasien und geben der Fluggesellschaft eine gewisse authentische Identität, die man bei den meisten anderen Linien vergeblich sucht.
Zwar kommen die Kabinen in manchem Airbus A380 – auch diejenigen, die zwischen Zürich und Singapur im Einsatz sind – etwas in die Jahre, mit teilweise ausgeleierten Sitzen und reaktionsmüden Bedienungstasten, doch ist die neue Generation bereits ab Spätsommer im Anflug. Die modernisierten Business-Ledersitze werden den hohen Erwartungen zumindest in der Sitzposition gerecht und fühlen sich wie ein kleiner privater Raum statt nur als Sitz an. Auch stehen mehr als genug Staufächer und diverse verstellbare Lichter zur Verfügung und das Bordunterhaltungssystem mit 18-Zoll-Touchscreen lässt nichts zu wünschen übrig. Diese Sitze jedoch in flache Betten zu verwandeln, kommt einem Kunststück gleich, das kaum ein Passagier ohne Assistenz zu meistern versteht. Und beim Liegen muss man die Füsse in einen kleinen Hohlraum zwängen.
Ausgezeichnet ist die Premium Economy, mit eigener ruhiger Kabine in 2-4-2-Sitzanordnung, zwei eigenen Toiletten und der Möglichkeit, diverse Delikatessen im «Book the Cook»-Angebot vorzubestellen. Der Service ist erstklassig, ohne überkandidelt zu sein. Verschüttet ein Passagier aus Versehen seinen Drink, sind die Flight Attendants fast schon zur Stelle, bevor sich der Campari Orange am Boden ergiesst, und bieten ihm dann nach Möglichkeit an, zu einem trockenen Platz zu wechseln.
Erster Dreamliner im Dienst
Die japanische ANA, die als erste Airline den Boeing 787 Dreamliner in Dienst nahm (bekannt für die höhere Luftfeuchtigkeit und den tieferen Kabinendruck zur Linderung des Jetlags) und nun vermehrt auf den A380 umsattelt, rückt auf Rang 3 vor. Zu den Besonderheiten von ANA zählt die verhältnismässig grosszügig konzipierte Economy Class mit 86 Zentimetern Beinfreiheit, gutem Essen (dank ihrer Einfachheit eignet sich die japanische Küche bestens für Airline-Menüs) und viel Freigepäck: Jeder Passagier kann zwei Koffer à 23 Kilo einchecken und einen Carry-on-Bag bis 10 Kilo mit sich führen. Klassenlos ist die Empathie des Kundendiensts: Als der Autor dieses Rankings seine Steppjacke im Flugzeug liegen gelassen hatte und diesen Verlust zwanzig Minuten später am Flughafen Tokyo-Haneda meldete, vergingen keine zwölf Stunden, bis die Jacke in sein Hotel im Stadtzentrum geliefert wurde, begleitet von einer handgeschriebenen Karte: «From ANA with love».
Air New Zealand rutscht von Rang 3 auf 4, doch in puncto Innovation und Flexibilität gebührt der Kiwi-Airline die Goldmedaille. Vor sieben Jahren hat sie die überaus beliebten Skycouch-Reihen für Economy-Passagiere erfunden: Jeweils drei Sitze dieser Cuddle Class, wie die Neuseeländer die Holzklasse mit Schlafmöglichkeiten nennen, lassen sich komplett bis zum Vordersitz in eine ebene Liegefläche umfunktionieren. Seit diesem Frühjahr bietet auch ANA diese Couch-Option in insgesamt sechzig Reihen ihrer neuen Superjumbos A380 an – hier lassen sich drei oder vier Sitze gegen einen Aufpreis zu einer Couch für ein Paar oder für einen Erwachsenen mit Kind umwandeln.
Auch die Premium-Economy setzt Massstäbe, und um Vielflieger für die Sicherheitsbestimmungen an Bord zu interessieren, setzt Air New Zealand auf unterhaltsame Sicherheitsvideos, die sich regelmässig zu millionenfach angeklickten Youtube-Hits entwickeln.
Dass der Kunde nicht im Weg, sondern im Mittelpunkt aller Überlegungen steht, zeigt sich bei der
beherzten Airline daran, dass – wenn immer möglich – rasch und unkompliziert zu seinen Gunsten entschieden wird. Und dies selbst in der Economy, wie sich beim Testflug der «Handelszeitung» zeigte: Ein selbstverschuldeter Fehler bei der Planung eines Anschlussflugs unmittelbar vor der Rückreise von Auckland nach London zur Weihnachtszeit wurde vom Bodenpersonal unkompliziert und blitzschnell gelöst, obwohl der Zubringerflieger schon startklar war. Was sich zu einem finanziellen und organisatorischen Albtraum hätte entwickeln können, wurde zu einer Studie neuseeländischer Flexibilität und Dienstbereitschaft – und widerlegte das Vorurteil, wonach zuvorkommender Service bestenfalls Passagieren der Premiumklassen vorbehalten ist.
Boutiquehotel-Gefühl
Weitere Top-Airlines zeigen, dass nicht allein die Maschinen, sondern die Menschen gewinnen. So gelingt es der australischen Qantas (8), die unlängst mit der Etablierung des 17-stündigen Direktflugs zwischen Perth und London von sich reden machte, und den beiden europäischen Aufsteigern Finnair (10) und Edelweiss Air (17) recht gut, dem standardisierten Luxushotelketten-Gefühl der asiatischen und arabischen Spitzenreiter mit der eigenständigen Persönlichkeit und zwanglosen Herzlichkeit eines lässigen Boutiquehotels entgegenzutreten.
Unverändert gut im Rennen liegen Cathay Pacific (5), Emirates (6) und die japanische JAL (12), während bei manchen Durchstartern früherer Jahre die Luft draussen zu sein scheint. Auf Flügen mit der unlängst noch ambitionierten Etihad Airways (11) aus Abu Dhabi sowie mit British Airways (18) und Turkish Airlines (24) ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man sich über irgendetwas ärgern muss und es nicht einmal mit grundlegenden Dingen verlässlich klappt – wie beispielsweise mit wohlorganisierten Abläufen beim Ein- und Aussteigen, mit regelmässig nachgeschenktem Wasser während des Flugs oder konstant sauberen Kabinen und Toiletten.
Dieser Eindruck widerspiegelt sich nicht nur in den Umfragen bei Schweizer Luftfahrt-Insidern, sondern auch in überwiegend missbilligenden Passagierbewertungen bei den Onlineportalen Skytrax und Tripadvisor. Etihad verzichtet seit dem letzten Sommer sogar auf sein einst markantes Differenzierungsmerkmal: Den kostenlosen Chauffeur-dienst, der für Business- und First-Reisende in mehr als vierzig Städten (darunter auch Zürich und Genf) angeboten wurde, gibt es nun nur noch am Drehkreuz Abu Dhabi. Auf den nahtlosen Service, in der Branche «Seamless Travel» genannt, setzt als einzige Fluggesellschaft noch Virgin Atlantic (13). Wer in deren «Upper Class» (Business) fliegt, wird mit der Limousine in London abgeholt und vor der Hoteltür in New York, Havanna oder Schanghai wieder abgesetzt.
Im Mittelfeld halten sich KLM (14), Thai Airways (15) und Air France (16), während Austrian (19) fünf Plätze vorprescht und die spanische Iberia auf Rang 25 erstmals im Ranking landet. Letztere verblüfft mit der weltbesten Pünktlichkeitsquote, konkret mit nur 10 Prozent verspäteten Flügen im Jahr 2017. Diesbezüglich müssen die notorisch unpünktlichen Gesellschaften Lufthansa (7) und Swiss (9), beide mit 23 Prozent verspäteten Flügen, hinzulernen, etwa mit der Erstellung von Flugplänen, die mit der Realität mithalten können und Zeitreserven enthalten.
Lufthansa überflügelt Swiss
Doch die ansonsten beständige Gesamtleistung und die solide Geborgenheit an Bord sowie die vorwiegend einheimischen Crews, welche ein westeuropäisches Lebensgefühl vermitteln und sich damit klar vom oftmals roboterhaft wirkenden Service der Söldnerheere vieler Fern- und Nahost-Carrier unterscheiden, reichen Lufthansa und Swiss, um sich in den Top Ten der «Handelszeitung» behaupten zu können. Dies allerdings in umgekehrter Reihenfolge zum Vorjahr. Hauptgrund ist die fehlende Premium Economy bei Swiss. «Die Premium Economy bietet allgemein den besten Gegenwert am Himmel und ist für uns heute unverzichtbar», sagt der COO eines grossen Internetunternehmens und weist als Vorzeigebeispiel auf die Lufthansa hin. Im detaillierten Qualitätsvergleich toppt Lufthansa die Swiss auch mit dem First-Class-Angebot und den Flughafen-Lounges, dafür sind bei Swiss die Verpflegung und das Beschwerde-Management einen Lufthauch besser.
Über die Business-Sitze der Swiss scheiden sich die Geister. Angeordnet sind sie in reihenweise alternierender 2-2-1 respektive 1-2-2-Konfiguration sowohl im A340 als auch in der Boeing 777. Diese Sitze gibt es in unterschiedlichen Varianten (direkt am Gang mit wenig Ablagefläche, mit grossflächigem Sideboard, mit und ohne Zugang zum Mittelgang), weshalb das Borderlebnis stark vom richtigen Sitzplatz abhängt. Am begehrtesten sind die thronartigen Fenster-Einzelsitze, die auf beiden Seiten über je 40 Zentimeter Ablagefläche verfügen und nur gegen Extrazahlung angeboten werden (je nach Flugdistanz 99 bis 199 Franken pro Strecke). Statuskunden sitzen im «Stübli», also in den Reihen 4 und 5, die als abgeschirmtes Abteil besonders ruhig sind und bei Verfügbarkeit erst beim Online-Check-in frei gegeben werden. Wer den Sitz 4A ergattern kann, versteht etwas vom Geschäft. So oder so sind die Schlafkissen winzig, die Decken zu dünn und zu kurz, und auf so manchen Nachtflügen schaut die Crew gefühlt nur alle paar Stunden mal in der Kabine vorbei.
Passend zum Trend in der Fliegerei, jeden Kubikzentimeter höchstbietend zu verkaufen und Langstreckenflüge in den hinteren Reihen so unkomfortabel wie möglich zu machen, könnte die Swiss als Modell dienen: Bei der neuen Triple-Seven-Flotte sitzen die Eco-Passagiere speziell eng zusammengequetscht in einer Zehnerreihe (Konfiguration 3-4-3 anstelle 2-4-2 wie zuvor), ausserdem ist der Sitzabstand mit knapp 79 Zentimetern um zweieinhalb Zentimeter geschrumpft. Über die Tristesse der sinkenden Standards hinwegtrösten soll der 11-Zoll-Touchscreen und der kostenpflichtige WLAN-Empfang an Bord. Die eigentliche Botschaft ist aber: Fliegen ist entweder schmerzvoll oder teuer – und im letzten Fall ein Privileg, das es früher einmal war.