Links und Downloads zum Artikel:

Zwei Tendenzen bestimmen heute die boomende Luftfahrtbranche: Die Qualitäts-Airlines distanzieren sich vom Preiskrieg der letzten Jahre und wetteifern auf Interkontinentalstrecken um den ultimativen Komfort für geschäftsreisende Passagiere. Neben Essen aus Porzellangeschirr, feinsinnigem Service und immer grosszügiger konzipierten Liegesitzen sind edle Flughafen-Lounges eine Hauptwaffe im Kampf um viel fliegende Vollzahler. In der Touristenklasse hingegen verwischen sich die Grenzen zwischen Premium-Airline, Ferienflieger und Low-Cost-Carrier zunehmend. Immer mehr Fluggesellschaften führen auf Langstrecken die sogenannte Premium Economy ein: rund doppelt so teuer wie die Plackerei in der Economy Class und mit allerlei Vorteilen für den anspruchsvollen Flugreisenden mit beschränktem Spesenbudget.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

MASS DER DINGE AM HIMMEL. Den Massstab definiert derzeit Singapore Airlines. Sie steht auf praktisch allen «Welches ist die beste Airline der Welt?»-Listen zuvorderst und erhält sowohl in der BILANZ-Umfrage unter 34 viel fliegenden Managern als auch im BILANZ-Flugtest vom April 2008 die besten Noten.

Singapore Airlines ist nach all ihren Auszeichnungen als beste und profitabelste Airline der Welt keine bescheidene Gesellschaft. Sie setzt in vielen Bereichen Superlative, sodass ihre Konkurrenten tapfer die Zähne zusammenbeissen müssen: Der Service beeindruckt durch unaufdringliche Allgegenwart und ist in allen drei Klassen weitgehend unwidersprochen der beste der ganzen Luftfahrt. Die Business-Sitze bieten den Stand des technisch Machbaren und sind mit 75 Zentimetern Breite luxuriöser als praktisch jede First Class. Das beliebte «Book the Cook»-Konzept ermöglicht den First-Class- und Business-Class-Passagieren vor dem Abflug, aus einer Auswahl von zwei Dutzend west-östlichen Hauptgängen etwas Spezielles zu ordern. So war es auch keine Überraschung, dass die Singapurer mit Airbus das Recht auf den Erstflug mit dem A380 aushandelten. Nach langem Warten sind derzeit drei Maschinen dieses grössten Passagierflugzeugs im Einsatz, alle für Singapore Airlines, auf den Strecken nach Sydney, London und Tokio.

NEUE «KÖNIGIN DER LÜFTE». Die Business Class des A380 befindet sich in einer geräumigen 1-2-1-Konfiguration auf dem Oberdeck, das sich durch eine geschwungene Treppe vom Hauptdeck aus erreichen lässt. Ausser einer kleinen Stehbar unterscheidet sich das Angebot kaum von der Boeing 777 (die etwa zwischen Zürich und Singapur fliegt). Auch hier ist die Distanz zum Vordersitz mit 137 Zentimetern nicht enorm, doch lässt sich der Sitz in der Diagonale in ein 193 Zentimeter langes Flachbett verwandeln – mit den Füssen unter dem Vordersitz. Diese kurze Distanz hat den Vorteil, dass alle Ablagen und Schalter bequem ohne Stretching-Übungen zu erreichen sind. Das Bett ist überdurchschnittlich bequem, rekordmässig breit und mit flauschigem Duvet und Kissen ausgestattet.

Eine Klasse besser noch als das, was die Welt bisher als First Class kannte, sind die privaten Erstklassabteile vorne im Hauptdeck. Sie heissen «Suiten» und sind oben offene Einzelkabinen mit einem komfortablen Sitz und einem separaten, ausklappbaren Bett von zwei Metern Länge. Zwei Schiebetüren sorgen bei Bedarf für Privatsphäre, Rollos machen die beiden Fenster zum Gang hin blickdicht. Die beiden mittleren der jeweils vier in einer Reihe angeordneten Suiten lassen sich zu einer Art Doppelzimmer mit Doppelbett für gemeinsam reisende Passagiere umwandeln, wenn man den Raumteiler zwischen den Betten versenkt. Dazu gibt es vom Schreibset mit Füller über den Givenchy-Schlafanzug und die Leinenbettwäsche bis hin zu Ferragamo-Pflegeprodukten eine Fülle von erfreulichen Überraschungen.

Dahinter sitzen die Economy-Passagiere. Für sie ist es so eng wie eh und je – zu einem Preis von rund 1660 Franken für den Retourflug Zürich–Sydney. Im Vergleich kostet ein Platz in der Business Class für dieselbe Strecke 7600 Franken, in der First Class 17  200 Franken. Wer den doppelstöckigen Riesenvogel A380 erleben will, bezahlt in der Business und der First Class 15 bis 25 Prozent Aufschlag auf den bisherigen Tarif.

Knapp 200 Exemplare des neuen Airbus sind derzeit weltweit bestellt. Der erfolgsverwöhnte Carrier aus dem südostasiatischen Stadtstaat Singapur liegt einmal mehr ganz vorn, indem er nur 471 Sitze in seine 16 georderten A380 einbauen lässt, während der Standard bei den meisten anderen Gesellschaften, etwa der Lufthansa, bei 550 liegen wird. Emirates packt in ihre erste von 55 bestellten Maschinen sogar 644 Sitze. Anspruchsvolle Passagiere werden da vergeblich nach mehr Platz suchen. Nur die australische Qantas, die den ersten A380 in diesem Sommer erhält, hat lediglich 450 Sitze eingeplant.

FERNOST-AIRLINES VORN. A380 hin oder her: Mit der kaufkräftigen Kundschaft in Business und First Class erwirtschaften die Airlines die Hälfte ihres Umsatzes. Entsprechend tobt der Konkurrenzkampf am Himmel: Mit bequemeren Sitzen, höherem Schlafkomfort, attraktiveren Lounges, besserem Service und feinerer Küche werben die renommierten Airlines um Kunden. Der grosse BILANZ-Vergleich zeigt: Auf die Länge fliegt es sich mit fernöstlichen Gesellschaften besonders gut. Cathay Pacific, Thai Airways und Malaysia Airlines belegen die Plätze zwei, vier und fünf.

Die BILANZ-Testflüge mit Cathay Pacific und Thai Airways waren Studien asiatischer Dienstbereitschaft. Sowohl am Boden als auch in der Luft wird man in höchstem Masse zuvorkommend umsorgt, das Essen ist so vielseitig wie lecker, und wer gelegentlich behauptete, die Business Class von heute sei mindestens so gut wie die First Class vor fünf Jahren, könnte diese Einsicht an Bord der Fernostmaschinen gewonnen haben. In den neu ausgerüsteten Boeing 747 von Cathay Pacific erfreut die Business Class mit einer Sitzanordnung in der Art des Fischgrätenmusters, sodass niemand über einen schlafenden Nachbarn klettern muss. Vor allem aber lassen sich die Sessel zu komplett waagrechten Betten ausfahren – im Gegensatz etwa zu Singapore Airlines oder Thai Airways, wo flach nicht horizontal, sondern um einige Grad geneigt bedeutet. Wirklich flache Sitze in der Business Class bieten sonst nur British Airways, Virgin Atlantic, South African Airways, Air New Zealand und Etihad Airways.

Malaysia Airlines gewährt am meisten Platz in der «Holzklasse» – mit einer
2-5-2- anstatt der üblichen 3-4-3-Bestuhlung wie bei vielen anderen Carriern (also neun statt zehn Sitzen in der Breite) und überdurchschnittlichem Sitzabstand: Acht Zentimeter mehr oder weniger klingen zwar nicht nach viel, aber sie können darüber entscheiden, ob der Langstreckenflug zur Tortur wird.

Das beste Essen in der Economy haben Cathay Pacific und Qantas, das beste Unterhaltungsangebot bieten Singapore Airlines, Malaysia Airlines, Virgin Atlantic und Emirates. Bei vielen Airlines nähert sich das Inflight Entertainment der Touristenklasse stark jenem in den ersten Reihen. Das hat einen guten Grund: Während Business- und First-Fluggäste auf Langstrecken meist himmlisch schlafen, wird das Unterhaltungsangebot auf einem engen Economy-Sitz zum Rettungsanker für eingequetschte Passagiere und zum Profilierungsinstrument jeder Airline.

Der Wettkampf in der Luftfahrt entscheidet sich jedoch zunehmend am Boden. So beginnt ein Business-Flug mit der britischen Virgin Atlantic (Rang 3) in dem Moment, da der Fluggast sein Haus, Büro oder Hotel verlässt. Ein persönlicher Chauffeur steht für Transfers kostenlos bereit. Im Fall von London wird der Passagier in einer exklusiven Check-in-Zone abgefertigt und gleich in die ultraschicke Lounge «The Clubhouse» gebracht. Wer genug Zeit vor dem Abflug einplant, kann sich hier gratis die Haare schneiden lassen oder ins Spa abtauchen, wo auch die Massagen und Beauty Treatments kostenlos sind.

Auch Emirates (Rang 9) bietet ihren Business- und First-Passagieren einen kostenlosen Chauffeurservice für Fahrten vom und zum Flughafen an (im Umkreis von 80 respektive 90 Kilometern rund um den Flughafen Kloten). Das kulinarische Angebot an Bord indes ist vergleichsweise mager, die Attraktivität der Lounges unterdurchschnittlich, und dem Kabinenpersonal fehlt es an Esprit und Konstanz – auch wenn die Werbung von Emirates andere Botschaften aussendet. Des einen Freud, des anderen Leid: Nach Air France bricht nun Emirates mit dem Handyverbot. Die Passagiere können während des Fluges ihr Mobiltelfon benutzen und die Mitreisenden mit Klingeltönen und Gesprächen nerven.

KONTINUIERLICH IM AUFWIND. Qantas, die wie viele Airlines trotz stark gestiegenen Kerosinpreisen und verteuerten Tickets neue Passagierrekorde und auch Gewinne meldet, punktet auf allen Ebenen und landet auf Rang 6. Soeben führte sie die Premium Economy ein: Der Sitzabstand beträgt rund einen Meter, die Sitzbreite 50 Zentimeter, Gastronomie und Service stehen der Business Class mancher Liniengesellschaft kaum nach.

Positiv entwickeln sich Etihad Airways (11), die österreichische Austrian (13) und Air New Zealand (noch nicht bewertet). Letztere führt eine Neuheit im Luftreiseverkehr ein: Concierges an Bord, die touristische Fragen zu Neuseeland beantworten und Reservationen tätigen können.

British Airways (8) ist momentan auf Tauchstation und mit dem Terminal 5 in Heathrow beschäftigt. Langstreckenflüge mit anderen europäischen Traditionsfliegern verlaufen in der Regel ohne Enttäuschungen, aber auch ohne Höhepunkte. Das Flugerlebnis, das Lufthansa (10), SAS (16), KLM (18) oder Air France (19) bieten, ist Mittelmass auf hohem Niveau. Wirkliche Innovationen fehlen, die Dienstbereitschaft und das ambitiöse Selbstverständnis der Konkurrenten aus Fernost auch.

Und die Swiss? Sie kämpft sich langsam, aber sicher wieder nach vorn und erreicht Rang 7 in der BILANZ-Wertung. Ein lückenlos komfortables Reiseerlebnis wird zwar noch nicht geboten, doch taucht der Name Swiss vermehrt wieder auf den Bestenlisten internationaler Airline-Ratings auf. Auf dem BILANZ-Testflug von Bangkok nach Zürich beeindruckt der Service in der Business Class durch kompetent unaufgeregte Aufmerksamkeit. Das Fünf-Gang-Auswahlmenu ist tadellos und im Rahmen des kulinarischen «Taste of Switzerland»-Programms derzeit vom Küchenchef des Park Hotel Weggis konzipiert. Es gibt jede Menge Entertainment, doch die Liegesitze lassen sich lediglich 167 Grad weit ausklappen.

Die Erwartungen an eine Fluggesellschaft richten sich heute danach, wie viel man für ein Ticket bezahlt hat. Die neue Generation viel reisender Manager kann locker differenzieren, ob der Service vergleichsweise zuvorkommend oder schleppend, der Kabinenkomfort über- oder unterdurchschnittlich ist; und wo mit verdeckten Abgaben und Gebühren beim Buchen abgezockt wird.

Air Berlin macht es am besten und ist der klare Testsieger vor den Ferienfluggesellschaften Condor (Rang 2) und Edelweiss Air (3). Der Rivale der etablierten Linienflieger gefällt mit gepflegten Kabinen und freundlichem Personal. Auf jedem Flug werden kostenlos frische Sandwiches und Getränke angeboten, bei längeren Flügen hat man die Wahl zwischen zwei Menus. Auch Zeitungen und Zeitschriften sind gratis. Vielflieger schätzen zudem die Bonusprogramme, die Möglichkeit der Sitzplatzreservierung und die vergleichsweise hohe Flexibilität bei Umbuchungen und Stornierungen. Die grossspurigen britischen Billigbomber EasyJet (Rang 7) und Ryanair (10) fallen dagegen ebenso ab wie Germanwings (8), wo das Konzept «no frills» gnadenlos durchgezogen wird.

Passagiere als Herdenvieh. Ob man nun für die Strecke Zürich–New York 800 Franken in der «Sardinenklasse» bezahlt oder 8000 Franken in der «Päppelklasse» – Fliegen hat nichts Glamouröses oder Romantisches mehr an sich, sondern ist zum Geschicklichkeitswettbewerb verkommen: Wie schafft man es, nicht ins totale Chaos zu geraten und bei der Passkontrolle stundenlang anzustehen? Henry Mintzberg, weit gereister Wirtschaftsprofessor aus Kanada, bringt es in seinem satirischen Buch «Wie ich lernte, das Fliegen zu hassen» auf den Punkt: «Wer fliegen will, muss sich wie Herdenvieh scheuchen lassen – rein und raus, vor und zurück, hoch und runter.» Ebenso prägnant entlarvt der Professor den gelackten Kundenservice in der Airline-Branche: «Kundenservice findet statt, wenn man Sie vorne an der Theke anlächelt, während man hinten im Büro überlegt, wie man mehr Geld aus Ihnen herausquetschen kann.»