Manchmal, wenn die Laune sie packt, öffnen sie ein Bürofenster und steigen über die Brüstung hinaus auf die Dachterrasse. Hier treffen sie sich zu Gesprächen, haben den Überblick über die Stadt und über ihr Reich, die Akad, ein wichtiger Teil der mittlerweile zu einem Bildungskonzern herangewachsenen Gruppe Kalaidos. Sie führen das Unternehmen zu dritt, fällen keinen Entscheid ohne Einstimmigkeit, müssen manchmal so lange an einem Thema herumreden, bis es für alle stimmt. Kein Wunder, schätzen sie das informelle Freiluft-Sitzungszimmer hoch über Zürich-Oerlikon.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Gegenseitige Sparringpartner

Jakob Limacher, Christian Zindel und Thomas Suter sind eingefleischte Akadianer, haben im Unternehmen die Matura gemacht oder hier lange Zeit als Dozent gewirkt. Seit sieben Jahren gehört die Gruppe ihnen, quasi als Dreifamilien-AG. Ob so etwas gut geht? «Immer besser», sagt Jakob Limacher. Der ungewöhnliche Führungsstil hat seine Vor- und seine Nachteile. «Wir teilen das Büro zu dritt», sagt Zindel, «da müssen wir gegenseitig einiges voneinander ertragen.» «Der Zindel telefoniert viel zu laut», sagt Suter. «Wart nur, ich mach dich nachher beim runter», sagt Zindel.

«Wenn ich morgens ins Büro komme, und die andern beiden sind nicht da, dann fehlt mir etwas», meint Limacher. Zindel: «So bekommen wir auf informellem Weg sehr viel voneinander mit, und wenn einer mal einen Stossseufzer rauslässt, und der andere fragt, hey, was hast du, dann beginnt dieser Pingpong.» Limacher: «Das gibt dann diese für uns typische Art der Zusammenarbeit. Wir denken gemeinsam nach, wir kennen nicht diese Einsamkeit, die manche Leitungspersonen beklagen. Wenn etwas nicht stimmt, sind wir einander Sparringpartner.» Und es gibt keine Hierarchie? «Der Limacher spricht, der Suter denkt», und der Zindel? «Der schaut genau hin.»

50 Jahre Akad

Mittlerweile führen die drei insgesamt 21 Unterfirmen. Bei allen sind sie zu dritt im Verwaltungsrat, wobei immer einer den Präsidenten gibt. «Natürlich hat so jeder seine Themen und seinen Vorsprung an Know-how», sagt Limacher. «Aber jeder muss die andern beiden überzeugen, muss sich den Fragen und Zweifeln stellen, und wenn das Zeit braucht, dann nehmen wir sie uns», sagt Zindel.

«Es hat viel Qualität in der Entscheidungsfindung», sagt Suter, «wenn man seinen Partnern die eigenen Vorlieben erklären muss.» «Und es hält uns davon ab, schnell ein neues Kürslein oder sonst ein angepapptes Gadget zu produzieren. Wir machen nur, was zur Kultur, zur Substanz gehört», ergänzt Limacher. «Und», toppt Suter, «wir halten uns gegenseitig an, ein Ziel über längere Zeit zu verfolgen. Das lernt man übrigens bei uns im Akad-Studium.»

Am 9. Juni feiert die Akad ihr 50-Jahr-Jubiläum. Aus der ehemaligen Akademikervereinigung, die jungen Leuten ohne Matura auf dem zweiten Bildungsweg einen Zugang zur Universität verschaffen wollte, ist in den letzten Jahren eine Unternehmensgruppe geworden, die 16000 Studenten von der Volksschulstufe bis zur Hochschule betreut, 1800 pädagogische und 313 administrative Mitarbeitende zählt und an 13 Standorten rund 114 Mio Fr. umsetzt. Und die drei Chefs sehen noch eine Menge Möglichkeiten, weiter zu expandieren.

Ab September dieses Jahres wird die Akad im Leistungsauftrag der Bankiervereinigung eine höhere Fachschule in Banking + Finance anbieten in allen drei Landesteilen. «Vollkommen praxisorientiert, mit eigenen, in Zusammenarbeit mit Praktikern erstellten Lehrmitteln», betont Limacher. Unter dem Namen «SIS Swiss International School» lancieren sie vorerst in Basel und in Zürich eine durchgehende zweisprachige private Alternative von der Preschool bis hin zur Matur oder zum International Baccalaureate. Und die Ideen zielen weiter, über die nächste Hürde hinweg.

«Unsere Konkurrenz ist der Staat», sagt Zindel. «Warum sind staatliche Schulen gratis, subventioniert, während wir mit Vollkostenrechnung durchkommen müssen?» «Warum», sagt Limacher, «definiert der Staat das Bildungsziel und stellt zugleich die Schulen zur Verfügung?» «Warum», sagt Suter, «bleibt er nicht bei der Definition und beim Controlling, und lässt auch private Anbieter mit Leistungsaufträgen teilnehmen?» «Wir würden gerne für den Staat ein Gymnasium betreiben», sagt Zindel. «Wir wären flexibler und günstiger», sagt Suter. «Und erst noch effizienter», sagt Limacher.

Das Selbstbewusstsein der Akadianer wird gebremst durch die Furcht vor amerikanischen Verhältnissen, in denen teure Privatschulen die Chancen der unteren Bevölkerungsschichten in den zwar kostenlosen, aber qualitativ ungenügenden Volksschulen schmälern. «Gerade die Zweiklassengesellschaft könnte man aber mit unserem Modell verhindern», sagt Zindel, «wenn wir unser Angebot im Leistungsauftrag und durch Bezahlung durch den Staat gleichberechtigt zu den staatlichen Schulen auf den Markt bringen könnten.» «Das müsste man in den Parteien diskutieren», sagt Limacher. «Ach, die Parteien», sagt Suter, «die sind da noch viel zu etatistisch; leider auch die rechten Parteien.» Und schon sind sie wieder mitten in der Diskussion. Von der Akad, darauf kann man wetten, wird man auch in den Jahren nach dem Jubiläum noch einiges hören.