Es war eine jener Massnahmen, die das in den letzten Wochen arg strapazierte Vertrauen in den Rückversicherungskonzern Converium festigen sollten: Per 10. September ernannte der Verwaltungsrat den Briten Terry Clarke zum Delegierten des Verwaltungsrates. Seine Aufgabe ist es, «Dirk Lohmann und sein Managementteam künftig aktiv bei der Führung des Unternehmens zu unterstützen».
Unterstützung hat das Management in der Tat nötig: Seit Monaten jagt eine schlechte Nachricht die nächste. Seit Lohmann in diesem Frühling ausserordentliche Nachreservierungen fürs US-Geschäft von rund 400 Millionen Dollar bekannt geben musste, ist der Aktienkurs um 70 Prozent eingebrochen. Börsenvermögen von über einer Milliarde Franken wurden vernichtet.
Die Wahl von Clarke hatte – zumindest kurzfristig – tatsächlich einen stabilisierenden Effekt: Am Tag seiner Berufung stieg der Kurs um 3,5 Prozent. Dies auch, weil der 62-jährige Brite als einer der erfahrensten Rückversicherungsspezialisten überhaupt gilt. Angesichts der Freude ging aber unter, dass Clarke mitverantwortlich ist für die heutige Misere des Konzerns.
Vor seiner Berufung in den Verwaltungsrat von Converium im Jahr 2002 war Clarke geschäftsführender Partner von Tillinghast Towers Perrin, einem auf die Versicherungsbranche spezialisierten Beratungs- und Prüfungsunternehmen. Just diese Firma war es, die vor dem Börsengang von Converium im Herbst 2001 die Reserven und das Portefeuille des Schweizer Rückversicherers durchleuchtete – und mit einem positiven Testat bestätigte.
Dies war, wie sich inzwischen gezeigt hat, zu voreilig: Wegen risikobehafteter Policen aus den Jahren 1997 bis 2001 musste Converium Hunderte von Millionen nachschiessen. Die betreffenden Policen stammen aus den USA. Bereichschef bei Tillinghast für Nordamerika war zu jener Zeit kein anderer als Terry Clarke.
Converium betont, Clarke sei «persönlich überhaupt nicht in diese Studie involviert» gewesen. Als geschäftsführender Partner lag die Gesamtverantwortung aber bei ihm. Tillinghast muss sich vorwerfen lassen, unter Clarkes Führung die «Würmer» («Cash») in den Eingeweiden von Converium nicht gesehen zu haben.
Die «Neue Zürcher Zeitung» warf bereits im Juli die Frage auf, ob die im Vorfeld des Börsengangs durch Tillinghast erstellte Prüfung zur Angemessenheit der gebildeten Schadensreserven «fehlerhaft» gewesen sein könnte. Hans Peter Boller, Risikochef von Converium, stellte dies in Abrede: Die Häufung von Schadenforderungen sei damals nicht vorhersehbar gewesen.
Dennoch ist der Interessenkonflikt offenkundig. Clarke ist wie grosse Teile des heutigen Managements in die Misere involviert – keine gute Voraussetzung für eine unvoreingenommene Aufarbeitung der herrschenden Krise. Dem Aufsichtsgremium von Converium gehört Clarke seit längerem an: Ende 2001 wurde Clarke bei Tillinghast pensioniert, wenige Monate später wurde er in den Verwaltungsrat von Converium berufen. Dass es diesem Verwaltungsrat unter Peter Colombo dabei selber nicht ganz wohl war, zeigt die Tatsache, dass man Clarke zunächst im VR nur eine zweite Geige spielen liess, ihn unter anderm bis im Frühling 2004 nicht ins wichtige Audit-Committee hievte. Begründet wurde diese Zurückhaltung seitens Converiums explizit mit dem «Tillinghast-Hintergrund von Clarke». Warum dieser Hintergrund heute kein Hindernis mehr sein soll, leuchtet nicht ein.
Die Berufung von Clarke zeigt, dass Converium noch immer Mühe mit der Vergangenheitsbewältigung bekundet. Immer klarer wird, dass die Krise ihren Ursprung schon vor dem Börsengang von 2001 hat. Sie geht zurück auf die Zeit, als Converium noch Zurich Re hiess und Teil der Zurich Financial Services (ZFS) unter Rolf Hüppi war. Hüppi und sein Management waren Ende der Neunziger einer kollektiven Euphorie verfallen. In den Boomjahren von 1997 bis 2001 war die «Zürich» bereit, Risiken zu äusserst günstigen Konditionen zu übernehmen. Man war froh um die eifrig fliessenden Barmittel seitens der Kunden – Mittel, die man im Börsenboom profitabel anlegen konnte. Mit dem Crash von 2001 brach das Ganze zusammen. ZFS rutschte in eine veritable Krise. Hüppi brauchte Geld und beschloss, den Rückversicherungsteil Zurich Re im Rahmen eines Devestitionsprogramms zu verkaufen.
Hüppis ursprünglicher Plan war es, Zurich Re an einen der grossen Player der Branche zu verkaufen. Er nahm Gespräche auf mit Münchener Rück und Swiss Re. Doch sowohl die Deutschen wie der Hüppi-Wunschkandidat Swiss Re zeigten kein Interesse. Laut dem Ex-Swiss-Re-Konzernchef Walter Kielholz passte «Zurich Re nicht in unser Portfolio».
Da keines der im Stillen angegangenen Unternehmen kaufen wollte, beschloss Hüppi, den Verkauf der Firma offen anzukündigen, «Er stellte Zurich Re offen ins Schaufenster», erinnert sich ein Vorstandsmitglied der Münchener Rück. Auch dies ohne Erfolg. Als Interessent meldete sich zwar die französische SCOR, mit der allerdings das Management der Zurich Re – damals schon unter Lohmann – nicht zusammengehen wollte.
Angesichts der wenig erfolgreichen Verkaufsbemühungen beschloss die Zurich-Re-Führung unter Lohmann, das Heft in die eigene Hand zu nehmen. Lohmann und sein Team waren es, welche die Option eines IPO, also eines Verkaufs der Zurich Re über die Börse, beherzt verfolgten und vorantrieben.
Im Dezember 2001 kam dann der Börsengang zu Stande. Den Anlegern, von denen die meisten von den Finessen des Rückversicherungsgeschäfts wenig Ahnung haben, liess sich die inzwischen in Converium unbenannte Zurich Re offenbar besser verkaufen als der Konkurrenz. Wichtig für den Börsengang war natürlich ein gutes Prüfungstestat durch ein anerkanntes Unternehmen. Das Gutachten von Tillinghast erfüllte diese Bedingung.
Der Börsengang selber bot bereits die erste Enttäuschung: Der Kurs lag am Ende des ersten Handelstags wieder auf Höhe des Emissionspreises. Am zweiten Handelstag verlor die Aktie gar zwei Prozent. Damit nicht genug: Bereits im Herbst 2002, wenige Monate nach dem IPO, musste eine erste Nachreservierung fürs US-Geschäfte aus den Jahren 1997 bis 2000 gemacht werden – und zwar in der Höhe von 84 Millionen Dollar.
Im Oktober 2002 beschwor Lohmann, Nachreservierungen seien kein Dauerbrenner, sondern einmaliger Natur. Kein Wunder, hat der Converium-CEO das Vertrauen des Marktes inzwischen verloren. Clarkes Berufung mag eine Entlastung für den überarbeiten Lohmann bieten, kann das Vertrauen der Investoren langfristig jedoch kaum sichern.