Er hat hat auch seine Kehrseiten, der Rekordlauf des Schweizer Aktienmarktes. Mit den Avancen der letzten Monate hat sich die Kluft zwischen den Kursen und den Gewinnaussichten der kotierten Unternehmen immer weiter geöffnet. Mit unmittelbaren Folgen für die Bewertung der jeweiligen Titel.

Schweiz «massiv teurer»

So ist jene Kennzahl, welche die Börsenbewertung und die aus dem Geschäftsverlauf zu erwartenden Gewinne in eine Beziehung zueinander setzt, seit Jahresbeginn deutlich gestiegen: Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) aller in der Schweiz kotierten Firmen steht derzeit knapp unter 15. Das sorgt für Aufsehen, denn damit weist der hiesige Aktienmarkt erstmals seit 15 Jahren eine Prämie gegenüber den Indizes der Wall Street auf. Für Willy Hautle, Chefökonom bei der Zürcher Kantonalbank, steht daher fest: «Der Schweizer Aktienmarkt ist massiv teurer geworden.»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Indes: Es gibt sie noch, die Aktien mit günstiger Bewertung. So finden sich gerade unter den Nebenwerten noch einige Titel, die nicht nur ein attraktives KGV, sondern auch ein tiefes Kurs-Buchverhältnis (KBV) aufweisen. Letztere Kennzahl stellt den Aktienkurs in eine Relation zum Nennwert und gibt damit Auskunft über die Substanz des kotierten Unternehmens. Grundsätzlich gilt: Je niedriger das KBV, desto preiswürdiger ist die betreffende Aktie. Ein Verhältnis von 2,5 entspricht dabei einer fairen Bewertung. Als sehr günstig gilt eine Kennzahl um die 1. Daran bemessen gehen die Namenaktien des Stahlverarbeiters Swiss Steel geradezu als Schnäppchen durch; ihr KBV dürfte in diesem Jahr bei 2 zu liegen kommen, das KGV bei gerade Mal 7. Dies, obwohl die Aktie zu den Top-Performern überhaupt zählt. Ihr Wert hat sich seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt, und noch scheint kein Ende in Sicht. Der Geschäftsgang, der unter anderem von der starken Nachfrage aus Asien profitiert, soll nach Aussagen der Unternehmung auch im nächsten Jahr sehr zufrieden stellend ausfallen.

Weit gehend fehlen wird dieses Moment hingegen beim Glashersteller Vetropack. Auch seine Aktien sind sehr attraktiv bewertet, nächstes Jahr steht jedoch die aufwändige Erneuerung der Produktionsstätte St-Prex in der Schweiz an. Christian Arnold, Analyst bei der Bank Vontobel, rechnet deshalb erst ab 2007 wieder mit einem Anstieg der Gewinne. Die gesunde Finanzlage von Vetropack ist Arnold jedoch einiges Vertrauen wert: Er hat die Aktie auf «market outperformance» gestuft.

Swiss Steel und Vetropack sind nicht die einzigen Industriewerte, die eine tiefe Bewertung aufweisen Namen wie Bossard, Georg Fischer und Zehnder sind ebenfalls günstig zu haben. Als erste Wahl der Investoren gilt hier die im Bereich Maschinen- und Anlagebau tätige Fischer. Denn einerseits dürfte der Aktienkurs von den 40% Gewinnwachstum profitieren, welche die Branche im nächsten Jahr erwirtschaften soll. Anderseits ist Fischer vorab in Sparten aufgestellt, die mit einer stabilen Nachfrage rechnen können. Etwas anders präsentiert sich dagegen die Lage für den Heizungsbauer Zehnder. Das Unternehmen kämpft derzeit mit den hohen Materialkosten sowie schwierigen Absatzmärkten in Deutschland und Frankreich.

Wachstum im Auge behalten

Das ist Grund genug für einige Investoren, die Werte der Versicherer den Industrietiteln vorzuziehen: Die Aktien gelten zu grossen Teilen ebenfalls als unterbewertet, obwohl die Kurse in den letzten Wochen bereits stark angezogen haben. Attraktiv sind insbesondere Helvetia Patria sowie die Swiss Life. Patria betreibt mit dem Nichtleben-Bereich ein stabiles Kerngeschäft. Swiss Life setzt dagegen weiterhin auf das schwierigere Kollektiv-Lebengeschäft. Der Kurs stimmt indes: Der Vesicherer konnte Kunden hinzugewinnen und bewegt sich im Einklang mit seinen Gewinnzielen.

Damit wird deutlich: Günstig für Investoren sind nicht nur eine tiefe Bewertung, sondern eben auch ein robuster Geschäftsverlauf. Entsprechend unvorsichtig wäre es denn auch, einen Kauf allein auf ein attraktives KGV hin zu tätigen. Aufzeigen lässt sich dies am Beispiel von Ascom: Das Telekommunikationsunternehmen erreichte seine rekordtiefe Bewertung nämlich in diesem Jahr vorab über die Veräusserung von Firmenteilen. Schon im nächsten Jahr fällt dieses Polster aber weg und die Firmenführung muss erst noch zeigen, dass sie einen nachhaltigen Wachstumskurs fahren kann.