Aktionäre sind an den diesjährigen Generalversammlungen kritischer geworden gegenüber dem Verwaltungsrat. In der GV-Saison 2018/2019 erhielt dieses Traktandum erstmals die meisten Dagegen-Stimmen.
Zwar lag der Anteil der Dagegen-Stimmen bei Wahlen von VR-Mitgliedern in der GV-Saison 2018/19 lediglich im tiefen einstelligen Bereich. Dies täuscht jedoch darüber hinweg, dass die kritische Einstellung der Aktionäre bei diesem Traktandum zugenommen hat, wie einer von der Schweizer Stimmrechtsberaterorganisation Swipra am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung zu entnehmen ist.
Erstmals gehörten VR-Wahlen neben Aktionärsanträgen zu den GV-Traktanden mit den meisten Dagegen-Stimmen. Von den 20 kritischsten Traktanden betrafen 50 Prozent Wahlen des Verwaltungsrates und lediglich 15 Prozent vergütungsrelevante Anträge.
Unabhängigkeit als Fragezeichen
Eine Analyse von Swipra der von den Aktionären angebrachten Gründe bei kritischen VR-Wahlen ergab, dass in rund 55 Prozent der Wahlen ein Problem mit der Unabhängigkeit der Person oder des Gremiums insgesamt gesehen wird.
Besonders viele Fragezeichen scheinen Minderheitsaktionäre hinter Verwaltungsräte von Unternehmen mit einem Ankeraktionär (mit mehr als 10% Anteil am Unternehmen) zu setzen. Das zeigt sich etwa, wenn man die 10 Prozent der Verwaltungsratswahlen mit den meisten Dagegen-Stimmen betrachtet: Während hier bei Unternehmen ohne Ankeraktionär im Median nur 7,9 Prozent der Aktionäre gegen die Kandidaten stimmten, lagen die Ablehnungsrate der Minderheitsaktionäre in Unternehmen mit Ankeraktionär bei knapp 42 Prozent.
Bei den Verwaltungsratswahlen fiel ausserdem auf, dass Diversität zunehmend gefragt ist. So waren zum einen über die Hälfte (55,2%) der neu gewählten Verwaltungsräte Nicht-Schweizer (VJ 48,1%). Zum anderen erreichte der Anteil der für den VR neu nominierten Frauen einen neuen Höchstwert von 32 Prozent (VJ 23,4%).
Steigender Einfluss von Stimmrechtsberatern
Frauen repräsentieren aktuell im Durchschnitt 27 Prozent der VR-Sitze bei SMI-Unternehmen (VJ 24,5%) und 22 Prozent bei nicht-SMI Unternehmen (VJ 18,5%). Seit 2012 sei der Anteil der Frauen bei den 100 grössten börsenkotierten Unternehmen insgesamt von durchschnittlich 9,1 Prozent auf aktuell 23 Prozent gestiegen, schreibt Swipra.
Weiter zugenommen hat auch der Einfluss von Stimmrechtsberatern auf die GV-Resultate, insbesondere jener von ISS hat stark zugelegt auf 16,8 Prozent im Median von 8,1 im Vorjahr. Ein Grund dürfte gemäss Swipra der verstärkte Fokus der Aktionäre auf die VR-Wahlen sein, die häufig auf Basis von Abstimmungs-Empfehlungen beurteilt werden.
Vergütungsberichte weniger umstritten
Abgenommen hat dagegen der Anteil Dagegen-Stimmen zu den Vergütungsberichten, die in den vergangenen Jahren stets am stärksten in der Kritik standen. Im Median sanken die ablehnenden Stimmen auf 9,9 Prozent von 13 Prozent. Dennoch bleibe der Druck der Aktionäre gegenüber Unternehmen hoch, hält Swipra fest. Denn werde nicht auf Aktionärsanliegen reagiert, würden die Dagegen-Stimmen bei Vergütungsberichten auf bis zu 82 Prozent steigen.
Bei den untersuchten Unternehmen wurden insgesamt 6 Traktanden abgelehnt oder Aktionärsbegehren gegen den Verwaltungsrat durchgesetzt. Ohne die Unterstützung von Ankeraktionären wären zudem nochmals 5 Traktanden abgelehnt worden.
(awp/gku)