Eine neue Studie der Corporate-Governance-Expertin Swipra zeigt, dass Verwaltungsräte und Managerinnen an den jüngsten Generalversammlungen in der Schweiz härter an die Kandare genommen wurden. Wenn es neben dem Geschäftsverlauf um Themen wie Boni, Nachhaltigkeit und Diversität im Verwaltungsrat geht, schauen die Aktionäre und Aktionärinnen genauer hin und leisten vermehrt Opposition.
Gut so, die Aktionärsdemokratie spielt. Oder doch nicht? Der grössere Rechtfertigungsdruck für Verwaltungsrat und Management ist fraglos eine gute Sache, aber mit Aktionärsdemokratie hat das wenig zu tun. Die romantische Vorstellung, dass da die vielen Aktionäre und Aktionärinnen an einer Generalversammlung die Geschicke ihres Unternehmens lenken, ist zu schön, um wahr zu sein.
Allein das Wort Demokratie ist hier absurd. Denn für die Mitbestimmung ist allen der Kapitalanteil massgebend. Es ist nichts schlecht daran, dass jene dominieren, die den Grossteil der Mittel einbringen. Aber mit Demokratie hat das nichts zu tun.
Und wenn ein Unternehmen ein sehr breites Aktionariat ohne Figuren mit einem dominierenden Anteil hat – wie das bei vielen Weltkonzernen der Fall ist – dann ist erst recht nicht davon auszugehen, dass dieses Aktionariat eine wirksame Kontrolle ausübt oder nur schon ein Interesse daran hat. Das hat zwei Gründe.
Weder die Möglichkeit noch den Anreiz zur Kontrolle
Jede einzelne Aktionärin, jeder einzelne Aktionär hat dann ein zu kleines Gewicht, um Einfluss zu nehmen. Noch schlimmer: Es fehlen ihr oder ihm im Vergleich zum Management und Verwaltungsrat erstens die Informationen und zweitens auch die Anreize, etwa juristisch ein Anliegen durchzusetzen, das im besten Fall am Ende dem ganzen Aktionariat gleichermassen zugutekommt.
Da wartet man lieber, bis sonst jemand die Initiative ergreift. Etwas gegen die Unternehmensspitze zu poltern ist da viel einfacher und billiger. Aber auch wirkungslos. Kein Wunder, hatten Generalversammlungen oft mehr einen folkloristischen als einen praktischen Wert.
Statt eine Kontrollinstanz bei börsenkotierten Unternehmen bleibt der Aktienkurs. Sinkende Kurse können auch Druck auf ein Management ausüben. Aber Aktienkurse steigen und sinken nicht nur, wenn das Management verantwortlich und gut agiert oder nicht.
Um die Schwäche des Aktionariats auszugleichen, gibt es den Verwaltungsrat als dessen Vertretung. Doch bei der Auswahl, der Wahl und der Kontrolle dieses Gremiums zeigen sich die gleichen Probleme. Meist ist der Verwaltungsrat daher dem Management, das er kontrollieren sollte, näher als «seinem» Aktionariat.
Statt Demokratie ist deshalb eine kontrollierende Gegenmacht zum Management und Verwaltungsrat nötig. Dominierende Gross- und Ankeraktionäre sind deshalb eine gute Sache. Aber auch Stimmrechtsberater und Vertreter von Institutionellen Grossanlegern. Sie sind es letztlich auch, die gemäss der Swipra-Studie mit ihrer Kontrollfunktion erfolgreicher sind und die Unternehmensspitzen im Sinne der Eigner einem verstärkten Rechtfertigungsdruck aussetzen.