Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, hatte ich zu Hause eine Art kleines Warenhaus», beschreibt Alain Bandle seine ersten wirtschaftlichen Gehversuche, «ich verkaufte damals an meine Brüder all jene Artikel, die sie für die Schule benötigten. Später weitete ich dies zu einer Art für Kollegen aus.» Zentral erwiesen sich für den späteren Manager zwei Elemente: Einerseits faszinierte ihn ein «ganzheitliches Warenhaus mit breitem Sortiment», andererseits die Nähe zum Kunden und das Verständnis für ihre Bedürfnisse.
Bei seinem jetzigen Arbeitgeber Dell findet er beides wieder. «Hier ist es möglich, viel schneller auf neue Chancen zu reagieren, weil dank dem direkten Geschäftsmodell keine Absatzpartner zwischen uns und unseren Kunden stehen.»
Die erste Stelle trat er beim US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble an. «Ich wollte nach dem Studium an der HSG unbedingt zum damals besten internationalen Konsumgüterkonzern. Da ich wusste, dass die Einstellungsgespräche sehr anspruchsvoll waren und einen Tag dauerten, bereitete ich mich seriös darauf vor.» Alain Bandle meisterte die Einstiegshürde und blieb fünf Jahre.
Neugieriger Jungmanager
Im Rahmen einer Standortbestimmung kam ein Angebot für eine Stelle beim Computerkonzern Hewlett-Packard (HP). «Ich fand es spannend, nach fünf Jahren bei Procter & Gamble 1984 zu einer Firma zu wechseln, die das Wort Marketing bis dahin nicht in den Mund nehmen wollte. Zudem reizte es mich, mein damaliges Marketing-Wissen in einen völlig neuen Bereich einzubringen.» HP war in dieser Zeit ein viel bewundertes, sehr innovatives, aber stark technologiegetriebenes Unternehmen.
Was zeichnet den Manager Bandle aus? «Sicher eine gewisse Neugierde. Bei Procter & Gamble war ich der Dienstjüngste, dem in Europa eine Marketingverantwortung im grössten Markt Deutschland übertragen wurde.» Bei HP war er einer von weltweit drei Marketingverantwortlichen und bei Swissair das zweite Geschäftsleitungsmitglied, das von ausserhalb zur Unternehmung kam.
Projektabbruch bei Vontobels «You»
Alain Bandle sieht sich aber nicht als Einzelkämpfer. «Bei Procter & Gamble konnte man als Führungskraft nur dann vorankommen, wenn man seinen eigenen Nachfolger aufbaute, das hat mich nachhaltig geprägt.» Eine der wichtigsten Aufgaben sei es deshalb, ein möglichst starkes Team um sich herum zu bilden. Ist es auch bei Dell möglich, Teams aufzubauen und zu fördern? «Ja, ich habe gerade ein neues Management-Team aufgebaut, mit erfahrenen Führungskräften, deshalb geht es mir so gut», meint Bandle lachend.
Doch es gab auch andere Momente. Bandle wurde im Sommer 2000 von Tony Reis angefragt, das von Vontobel gestartete Projekt einer Internet-Privatbank zu leiten. In Rekordzeit wurde die für die Erteilung einer Banklizenz notwendige Organisation aufgebaut, aber die Marktentwicklung und der zusätzliche Kapital- und Zeitbedarf führte Vontobel dazu, das Projekt noch vor Markteintritt im Frühling 2001 abzubrechen. «Der Aufbau einer komplett neu konzipierten Privatbank in einer unglaublich intensiven Start-up-Atmosphäre bleiben eine nachhaltige Erfahrung, auch wenn natürlich der Projektabbruch und damit verbunden die Entlassung aller Mitarbeiter zum bis anhin schwierigsten Moment in meiner Karriere wurde.»
Offensichtlich immer noch angezogen von der unternehmerischen Herausforderung bei einem Start-up, hatte Alain Bandle danach beim schweizerischen Softwareanbieter Fantastic gearbeitet. Das Unternehmen entwickelte Softwarelösungen für Breitbandkommunikation. Die Software fand kaum Käufer, und Fantastic geriet ins Trudeln. «Ich wurde 2002 von Reto Braun gefragt, ob ich eine sehr schwierige Situation in einem Turnaround unterstützen würde, und, ich stehe dazu, der Turnaround ist uns nicht geglückt. Man kann nicht auf alles stolz sein, was wir damals gemacht haben, aber ich habe 100 Stellen sozialverträglich abgebaut und kann noch jeder betroffenen Person in die Augen schauen.» Alain Bandle bereut diese Erfahrung nicht. «In der Schweiz sagen es nicht viele, aber auch dies gehört zur Erfahrung eines Managers», meint er.
Glaubwürdigkeit durch Authentizität
Er sei in dieser Zeit auch nie persönlich von den Medien angegriffen worden. «Wir haben immer transparent darüber informiert, wo wir stehen, wie wir unsere Ziele erreichen wollen und dass wir nicht sicher sind, ob uns dies gelingt. Authentizität ist entscheidend, um auch in schwierigen Situationen glaubwürdig zu sein.» Bandle sieht sich denn auch nicht als knallharten Sanierer und ist eher am Aufbau von Neuem interessiert. Trotzdem waren ihm diese Start-up-Erfahrungen sehr wichtig. Er glaube nicht, dass er als Chef von Dell heute ebenso qualifiziert wäre, wenn er direkt aus der Vorstandsetage von Veba zu Dell gewechselt hätte.
Seine rasche Auffassungsgabe und seine Fähigkeit, sich in neue Situationen hineinzudenken, bezeichnet Alain Bandle als seine Stärken. Ausdrücklich nicht dazu zählt der Betriebsökonom fundiertes technisches IT- oder Telecom-Wissen. «Ich bin kein Ingenieur, aber ich verstehe genug davon, um technische Aussagen kritisch zu hinterfragen.» Als Manager ging es darum, die Situation mit unterschiedlichen Teammitgliedern zu analysieren, ganzheitlich zu denken und dann die richtigen Entscheide zu treffen und umzusetzen.
Anpacken statt nur kritisieren
Diese Fähigkeiten versteht er offenbar branchenübergreifend und universell einzusetzen. Bei Austrian Airlines habe er zusammen mit dem neu zusammengestellten Aufsichtsrat die vorgeschlagene Strategie überarbeitet und seine Kollegen überzeugt, dass die von einem deutschen Beratungsunternehmen vorgeschlagene Strategie nicht zielführend sei, und auch ein neues Managementteam mit der Umsetzung einer wirtschaftlich tragfähigeren Lösung betraut werden solle. Das Unternehmen, einst mit der Swissair eng liiert, fliegt heute erfolgreich im Rahmen der von Lufthansa angeführten Star Alliance. «Es gibt viele Leute, die kritisieren, aber wenn es darum geht, selbst etwas anzupacken, halten sie sich vornehm zurück.»
Eine solche Zurückhaltung ist bei Alain Bandle allenfalls in der Freizeit zu sehen beim Skifahren, Schwimmen und beim Tennisspielen entsagt er dem Leistungsdruck. Sein Traum ist ein altes, aus Mahagoni gebautes Motorboot des Bootsbauers Riva am eigenen Bootssteg am Genfersee. Dort lebt Bandle jetzt seit vier Jahren mit seiner Familie, die klaglos 14 Umzüge mitgemacht hat. «Ich habe damit meiner Frau und meinen Kindern einiges zugemutet», meint er dankbar, «aber heute sprechen unsere Kinder drei Sprachen, haben keine Anpassungsschwierigkeiten und haben überall Freunde.»
Und die nächsten Ziele von Alain Bandle? «Wir haben im Schweizer PC-Markt knapp 20% Marktanteile, es fehlen also noch 80%», schmunzelt er. Die vorgegebenen Ziele sind hoch bis Sommer 2007 soll die Milliarden-Umsatzgrenze in der Schweiz erreicht werden, heute ist es rund die Hälfte. Die Chancen stehen gut, dass Bandle und sein Team das Ziel erreichen denn Dells Geschäftsmodell lässt sich in allen Märkten, in denen eine Standardisierung von IT und multimedialen Geräten im Gange ist, anwenden. Jüngstes Beispiel: Speicherlösungen, Drucker und LCD-Breitbildfernseher. Und dass sich eine gute Geschäftsidee stets weiterentwickeln lässt, weiss Alain Bandle schon, seit er sieben Jahre alt ist.
Steckbrief
Name: Alain D. Bandle
Funktion: Managing Director Dell Schweiz S.A., Genf
Alter: 51
Wohnort: Buchillon VD
Familie: Verheiratet, zwei Kinder
Karriere:
1979-1984 Procter & Gamble, Genf und Frankfurt, Brand Manager
1984-1993 HP, Genf, Marketing Comm. Manager, BU Manager
1993-2001 Swissair, HP, Vontobel
2002-2003 Fantastic, Zug, CEO
Seit November 2003 Chef Dell Schweiz
Firma:
Dell Inc. hat sich als die weltweit führende Direktanbieterin von PC-Systemen auf die Entwicklung von Produkten und Services für den Aufbau von komplexten IT- und Internet-Infrastrukturen spezialisiert. Das Sortiment umfasst Notebooks, Desktop-PC, Workstations, Server, Speichereinheiten und Drucker sowie Software und Peripheriegeräte. Der einzigartige Erfolg von Dell wurzelt in der konsequenten Umsetzung des direkten Geschäftsmodells, das auf auftragsbezogener Produktion und direkter Kundenbetreuung basiert. Der Umsatz der vergangenen vier Geschäftsquartale: 47,3 Mrd Dollar.