Mit 60 Jahren hat er bei der Hiestand-Gruppe das Handtuch geworfen. Er schied aus dem Unternehmen aus, das er selbst als 24-jähriger Jungbäcker gegründet hat und in den folgenden Jahrzehnten mit innovativen Ideen zu grossem Erfolg führte. Die Fakten machten Schlagzeilen: Zuerst gab Alfred Hiestand sein Amt als Verwaltungsratspräsident ab, dann schied er im Mai 2003 auch aus dem Verwaltungsrat aus. Das Bleiben schien ihm nicht mehr erstrebenswert. Mit Wolfgang Werlé und dessen Team an der Spitze des Konzerns hat eine neue Generation die Führung der Hiestand-Gruppe übernommen, und «so ein hemdsärmeliger Typ wie der Fredy» passte nach eigenem Empfinden nicht mehr in diese Runde.

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Nicht dass Alfred Hiestand von den neuen Herren enttäuscht wäre, aber er ist ein Typ, der gerne produziert und seinen Leuten in der Bäckerei noch selbst die Hand drückt. «Mir wurde gesagt, dass es sich als CEO nicht gehört, noch in die Produktion zu gehen und an neuen Produkten zu tüfteln.» Ein CEO, der mit weissem Übergwändli und Kopfschutz auf den grauen Haaren durch die Hallen läuft und mit seinen Leuten über «Himbeer-Träumli» diskutiert offenbar unvorstellbar. Der Rückzug war programmiert. Fredy konnte ihn sich leisten.

Ideen liefern, nicht Manager spielen

Er will es noch einmal wissen und eine neue Entwicklung auslösen. Also weg mit dem Ballast von aufwendigen Vorstandssitzungen und Aktionärsversammlungen. Die grosse Kluft zwischen Kader und Basis verträgt sich ohnehin schlecht mit seinem Führungsstil.

Also ran an die neue selbstgestellte Aufgabe «Fredy's traumhafte Backwaren», die er seit einem Jahr in neuen Fabrikationsräumen in Baden entwickelt. Dort werden die neuen Tartelettes, PâtiCoupes eine Take-away-taugliche Pâtisserie im Cüpli sowie «Fredy's Wähen» und andere Genüsse als Convenience-Produkte kreiert und dann in Gastbetrieben, Hotels und privaten Haushaltungen verzehrt.

Im Grunde ist es eine raffinierte Neuauflage der einstigen Gipfeli-Idee, als er mit vorgegarten Teiglingen ein einzigartiges schweizweites Liefernetz aufzog und damit fast eine Revolte unter den Bäckern provozierte. Typisch Fredy Hiestand, dass er an der Feuerprobe seiner neuen «traumhaften Backwaren» im Sommer 2003 am Bon-Jovi-Konzert mit Zehntausenden Fans im Zürcher Letzigrund-Stadion nicht dabei war. Denn Fredy angelte zu dieser Zeit Lachs in Alaska. Schliesslich konnte er sich auf seine Familie und sein Team verlassen. «Wenn ich eine neue Idee habe, bin ich voll dabei, dann gebe ich sie aber bald wieder in andere Hände. So bin ich frei für Neues, denn ich bin bereit abzugeben und muss nicht wie viele Manager das Gefühl haben, alles selbst kontrollieren zu müssen.»

Immer noch der alte Macher

Daran musste sich der Gründer des Hiestand-Konzerns allerdings erst wieder gewöhnen: Vom CEO-Sessel eines erfolgreichen aktienkotierten Unternehmens mit weltweit fast 2000 Mitarbeitern nun wieder kleinere Brötchen zu backen und zusammen mit zwei Dutzend Mitarbeitern eine neue Infrastruktur aufzubauen. Im Frühling 2003 stellte er ein motiviertes Team zusammen, darunter Mitstreiter von früher, die auf ihn zukamen. Während gemäss Geschäftsbericht 2002 der Hiestand-Gruppe im Schweizer Heimmarkt der Umsatz von 139 Mio Fr. um 17% geklettert ist und weltweit sogar auf 300 Mio Fr. steigt, startet Fredy Hiestand neu, unter Einsatz seines Privatvermögens. «Fredy's traumhafte Backwaren» und der Kauf von «Nill's Holzofenbäckerei» (heute «Fredy's Holzofenbäckerei») am Zürcher Kreuzplatz reichen ihm aber nicht. Er will etwas Neues: Mit der Realisierung eines 10 Mio Fr. schweren Agrarpark-Projekts im bernischen Münsingen will sich der Sohn eines Kleinbauern und Fabrikarbeiters einen anderen Traum erfüllen. Auf der «Tägermatt» sollen bis 2005 ein Backmarkt mit Schaubäckerei, eine Fischzucht und eine Biogasanlage in Betrieb sein.

Die Sache rollt inzwischen, und Fredy ist wieder der Macher. Seine Mitstreiter sucht er sich möglichst selbst aus, verlässt sich auf seinen Instinkt. Für «Fredy's traumhafte Backwaren» hat er wie schon für seine erste Firma keinen Businessplan gemacht. Zum Glück braucht er auch kein Geld von Banken, denn hätte er auf deren Goodwill gezählt, wäre er wohl schon vor 35 Jahren gescheitert, ist er überzeugt.

Er glaubt an seine Visionen und weiss, wohin er will. Businesspläne müssten die Mitarbeiter haben, sagt er überzeugt, denn sie sollten wissen, welche Ziele angestrebt werden. Wenn er schon an etwas glaubt ausser an sich selbst, sind das nicht Manager an Kletterwänden und beim Absitzen von Klausurtagungen, sondern Führungskräfte, die wie er aus dem Nichts etwas aufbauten. Wie auch sein Vorbild, der legendäre Reinhold Würth, der mit 19 schon das Geschäft seines früh verstorbenen Vaters übernehmen musste und eine Professur hat, obwohl er selbst nie auf einer Unibank sass. Ihn hat er auch um Rat gefragt, als er ein neues Mitglied für den Verwaltungsrat suchte. «Ich wollte nie irgendwelche Galionsfiguren haben, sondern Menschen, von denen ich auch wieder etwas lernen kann, weil sie ein Unternehmen wieder aus einer anderen Sicht beurteilen.»

Er hätte sich schwer getan, die Produkte der Konkurrenz zu kopieren. Etwas absolut Neues machen, innovative Ideen zum Erfolg bringen, anders und besser als alle anderen zu sein das hat ihn angetrieben, ein grosses Unternehmen aufzubauen, um etwas zu bewegen. «Geldverdienen ist eine schöne Begleiterscheinung», sagt er heute, wenn er auf der Terrasse seines Anwesens in Geroldswil in die Runde blickt, «das war aber nicht der Grund.»

Ein Glas Wasser aus der eigenen Quelle, umgeben vom selbstgehegten Blumen- und Gemüsegarten mit Biotop, Gewächshaus, Hasen und glücklichen Hühnern, da tankt er auf.



Fredy Hiestands Führungsprinzipien

1. Menschen achten und schätzen und ihnen zum Erfolg verhelfen.

2. Nah an der Basis sein bei Mitarbeitern und Kunden, um zu spüren, wo der Schuh drückt.

3. Ethisch und ökologisch produzieren.



Zur Person

Alfred «Fredy» Hiestand wurde im März 1943 in Hittnau ZH geboren. Nach der Bäckerlehre arbeitete er in verschiedenen Betrieben. 1967 startete er in Zürich. 1975 zog er ein schweizweites Liefernetz für vorgegarte tiefgekühlte Teiglinge auf und wurde drittgrösster Schweizer Bäcker. 1987 kam der Durchbruch mit Produktionsstätten in Deutschland und Polen, später in Japan, Österreich, Hongkong, Singapur, Malaysia und den USA (Rückzug nach dem 11.9.2001). 1997 Börsengang der Hiestand AG. Er wird CEO und zieht sich im Mai 2003 aus allen Ämtern zurück und beteiligt sich nur noch mit 1% am Unternehmen.