Dem Zufall überlässt er nichts. Vor dem Empfang zum Konzert in der Zürcher Tonhalle hat sich Gastgeber Alfred Leu mit jenen Details zu den Gästen vertraut gemacht, die ihm später bei der Begrüssung wichtig sind. Kunden der Generali Schweiz sind es, Leute aus Wirtschaft und Politik, denen der CEO des Versicherers das erste Mal begegnet.

In solchen Fällen will er informiert sein, möchte via Suchportale im Internet mehr erfahren als auf der Anmeldung steht. Beim Smalltalk wirkt der Mann aus der Assekuranz entsprechend kompetent. Er weiss, woher die Persönlichkeiten kommen, welche Funktionen sie ausüben und wo sie spezielle Kenntnisse haben.

Seit gut zwei Jahren demonstriert Alfred Leu an der Spitze der Generali Schweiz, wie in der Versicherungsbranche mit viel Menschenkenntnis erste Kontakte geknüpft werden. Das erwartet er auch von seinen Verkaufsleuten, quasi dem Lebensnerv einer Versicherung. Mindestens einmal pro Monat ist er draussen in den Agenturen: «Aus den Gesprächen vor Ort spüre ich heraus, wo die Zentrale dem Aussendienst das Leben erleichtert oder eben auch erschwert.»

Er selbst hat all diese Stationen in der 20-jährigen Tätigkeit für den Sach- und Lebensversicherer auch durchlaufen. Über all die Jahre ist er seinem Arbeitgeber treu geblieben. Natürlich kam zwischendurch der Gedanke an einen Stellenwechsel. «Aber so wie meine Karriere verlaufen ist, gab es im Unternehmen selbst immer wieder etwas Neues.»

Dabei war der Jurist eher zufällig ins Versicherungsmetier hineingerutscht. Mitten im Staatsexamen meldete er sich auf ein Stelleninserat, das ihn mit der Headline lockte: «An unternehmerischen Aufgaben interessierte Anwälte gesucht.» Mit dem Anwaltspatent im Sack startete er bei der damaligen Fortuna Lebensversicherung als Mitarbeiter im Marketing. Die juristischen Kenntnisse, gepaart mit seinen Erfahrungen aus dem Verkauf, waren wichtig, als er zum Geschäftsführer der Rechtsschutz-Versicherung aufrückte. Später wechselte er von der Deutschschweiz nach Genf zur heutigen Generali Allgemeine Versicherung.

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Impulse für die Führung

In einem Vorort der Rhonestadt hat seine Familie Wurzeln geschlagen. Seine Frau ist in der Gemeinde politisch engagiert, er pendelt regelmässig zum Hauptsitz in Adliswil. Der enge Kontakt mit der Romandie vermittelt ihm wesentliche Impulse für die Führungsarbeit: «Ich bin heute besser in der Lage, die spezielle Situation in der Westschweiz und auch im Tessin zu erfassen.»

Es sei wertvoll, in einen anderen Kulturkreis zu kommen und hautnah zu erleben, dass die Leute in einzelnen Fällen ganz anders reagieren. «Innerhalb der Generali-Gruppe dieses lateinische Element zu verstehen, ist sehr hilfreich».

Die langen Bahnfahrten von Genf nach Zürich weiss er für administrative Arbeiten sinnvoll zu nutzen, und damit ihm die Reiserei nicht zu viel wird, hält er sich auch zwei bis drei Tage die Woche in seinem zürcherischen «pied-à-terre» auf. Auf ausgedehnten Joggingläufen entlang der Sihl kann er neue Energie tanken, und manch ein Geistesblitz für ein neues Produkt geht ihm durch den Kopf, wenn das T-Shirt bereits mehr als durchgeschwitzt ist.

Als eine wesentliche Stärke der Generali stufen Mitbewerber die Kontinuität ein. Martin Zellweger hat das Unternehmen als starker Mann, praktisch wie ein Patron, während fast dreier Jahrzehnte geführt. Früh befasste sich der dynamische Berner mit der Nachfolge. Quasi als sein Ziehsohn hat Alfred Leu alle Stationen in der Hierarchie durchlaufen. Ob er den gleichen Führungsstil pflegt? «Nein, das wäre auch völlig falsch.» Das heutige Gebilde verlange einen ganz anderen Führungsrhythmus als die einstigen kleineren Einheiten Fortuna, Secura, Schweizer Union und Familia. Die Pionierzeit der Gruppe lasse sich nicht mit der heutigen Niederlassung eines Weltkonzern vergleichen: «Ich sehe mich mehr in der Phase der Konsolidierung und Weiterentwicklung des Unternehmens.» Branchenkollegen äussern sich respektvoll zur Arbeit des neuen CEO. Er verfüge über das notwendige Know-how und habe genügend Führungserfahrung, heisst es.

Von seinem Vorgänger hat Alfred Leu wichtige Grundsätze gelernt. Auch er setzt in der Unternehmensführung klare Prioritäten. Dazu gehört die Erkenntnis, dass man bei Restrukturierungen keine Ordnung um der Ordnung willen anstreben soll. «Ein Team muss immer wieder an die Kernfrage erinnert werden: Um was geht es?»

Mit fondsgebundenen Lebensversicherungen ist die heutige Generali in der Schweiz zum unbestrittenen Marktleader aufgerückt. Diese Position will der Länderchef nicht nur verteidigen, sondern mit innovativen Produkten weiter ausbauen. Als Schlüssel für den Erfolg sieht er den Vertrieb über mehrere Kanäle. Im Zentrum steht der eigene Aussendienst: «Er sichert uns die Dienstleistung, auch wenn einmal ein Makler vom Markt verschwindet.» Der Online-Verkauf bestreitet bei den Vertragsabschlüssen erst einige wenige Prozentpunkte. Das Internet werde von den Interessenten und Kunden in erster Linie als Informationsplattform gebraucht. Der Generali-Chef ist aber überzeugt, dass künftig mit standardisierten Produkten gegen ein Viertel aller Transaktionen über diesen Verkaufskanal abgewickelt werden.

Der korrekte Umgang mit Mitarbeitern und Kunden ist Alfred Leu ein zentrales Anliegen. Er begrüsst deshalb den Ethik-Kodex, der seit einigen Jahren innerhalb der Generali-Gruppe gilt. «Die wichtigsten Grundsätze sind damit verankert, und sie gelten in den einzelnen Ländern als Leitplanken für alle geschäftlichen Tätigkeiten.» In seinem engeren Umfeld will er die Leute anständig behandeln: «Ich möchte nicht die Strassenseite wechseln müssen, wenn ich einem ehemaligen Mitarbeiter begegne.»

Flops in Kauf nehmen

Nach der vollständigen Übernahme durch den Generali-Konzern erfolgte auch der Rückzug von der Schweizer Börse. «Damit sind wir weniger exponiert und können langfristigere Überlegungen anstellen.» Wer mit echten Neuheiten am Markt auftreten wolle, der müsse auch Flops in Kauf nehmen.

Zudem gelte es, sich als Versicherer klar von den Banken abzugrenzen. Die Assekuranz habe den Vorteil, dass sie gegenüber den Kunden mit einer Garantie auftreten könne. Das komme dem heutigen Zeitgeist gerade nach dem schmerzhaften Börsenkollaps vor einigen Jahren entgegen: «Die Leute wollen ein Sparziel erreichen und vor allem kein Geld verlieren.»

Ins Visier genommen wurde die Generation der über 50-Jährigen, der Alfred Leu im nächsten Jahr ebenfalls angehört. Speziell ausgebildete Pensionsplaner sollen in dieser Bevölkerungsgruppe einen erweiterten Beratungsservice anbieten können. Auch mit neuen Pflegeversicherungen hat er sich Schritt für Schritt an die Bedürfnisse der Kunden getastet.

Das Versicherungsgeschäft verläuft nicht immer in Minne. Da gibt es Leute, die sich von einem besonders aggressiven Berater über den Tisch gezogen fühlen. Solche Reklamationen macht er zur Chefsache. «Letztlich haben wir ein Interesse an zufriedenen Kunden.» In diesen Fällen klärt Alfred Leu sorgfältig ab, was im eigenen Betrieb falsch gelaufen ist. Wenn der Vertrieb jedoch gute Argumente hat, dann wird am Geschäft festgehalten. Eine klare Linie gegenüber der Kundschaft zahle sich aus, über die Jahre hinweg auch in einem Reputationsgewinn.

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ZUR PERSON

Steckbrief

Name: Alfred Leu

Funktion: CEO Generali (Schweiz) Holding

Alter: 49

Wohnort: Coppet VD

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Karriere:

1987–1994 Fortuna Lebensvers. Markting, Geschäftsführer Rechtsschutz, Leiter Versicherungsberatung und Services

1995–2002 Generaldirektor,

Generali Allg. Vers., Genf,

2002–2005 Stv. CEO Generali, Mitglied Gruppenleitung

Seit 2005 CEO Generali (Schweiz) Holding

Führungsprinzipien

1. Marktchancen schnell erkennen und konsequent nutzen.

2. Offen sein für Veränderungen.

3. Einen konstruktiv-kommunikativen Führungsstil pflegen.

4. Vertriebsmitarbeiter wie die besten Kunden behandeln.

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Firma

Generali Schweiz

Die Tochtergesellschaft des italienischen Generali-Konzerns ist im Leben- und Nichtleben-Geschäft tätig. Sie beschäftigt gut 2000 Mitarbeiter und erzielte 2006 mit knapp 900000 Kunden Bruttoprämieneinnahmen von 2 Mrd Fr.