Enrico de Maria hat es schon getan, Nils Frei wird es noch tun: Den Wohnsitz in der Schweiz aufgeben und nach Valencia umziehen. Während Grinder De Maria unweit vom Hafen eine Wohnung gefunden hat, bezieht Trimmer Frei mit Frau und Kind ein Appartement etwas ausserhalb der Stadt.

Für die beiden und die anderen drei Dutzend Alinghi-Segler ist der 15. März 2005 das Stichdatum: An diesem Tag beginnt offiziell das Programm für die Verteidigung des America's Cup. Gut 100 Leute werden mehr als zwei Jahre lang zu Land und zu Wasser hart arbeiten, um für den 23. Juni 2007 gerüstet zu sein. An diesem Datum segelt Alinghi ihr erstes Rennen gegen den Herausforderer, der zuvor in einem wochenlangen Ausscheidungsmodus ermittelt worden ist.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Er bleibt weiter im Hintergrund: Millionär Bertarelli

Dass die Schweizer Flagge im Hafen von Valencia weht, ist dem Genfer Geschäftsmann und Segelenthusiasten Ernesto Bertarelli zu verdanken. Er kaufte im Jahr 2000 die Kerntruppe der siegreichen Neuseeländer zusammen, die unter der Leitung von Russell Coutts den traditionsreichen Cup zweimal gewonnen hatten. Dem charismatischen, aber eher wortkargen Segler Coutts, in der Cupszene unumstritten die Nummer eins, gelang das Kunststück, mit Bertarellis Millionen ein internationales Team zusammenzuschweissen, das den Cup auf Anhieb gewann, was vorher noch nie der Fall war. Eine Sensation, die von 40000 Fans bei der Ankunft der siegreichen Crew in Genf ausgiebig gefeiert wurde. Der diskrete Bertarelli, zuvor lediglich als Serono-Chef in der Wirtschaftswelt ein Begriff, wurde über Nacht weltberühmt.

Männerfreundschaften halten nicht in alle Ewigkeit

Der Euphorie des historischen Sieges - der Cup wurde erstmals in seiner 152-jährigen Geschichte von einer europäischen Nation gewonnen - folgte der Katzenjammer. Bertarelli und Coutts gerieten sich wegen divergierender Ansichten ob der Durchführung des nächsten Events in die Haare. Der Neuseeländer, nach drei Cupsiegen mit einem gesunden Selbstbewusstsein und klaren Vorstellungen ausgestattet, wollte mehr Einfluss auf das künftige Geschehen. Er wehrte sich gegen Bertarellis Absicht, ihn auch künftig nur auf die Rolle des Seglers zu reduzieren.

Die Fortsetzung ist bekannt: Die Männerfreundschaft zerbrach, Coutts wurde entlassen. Die beiden Kontrahenten verkehren seither nur noch mit Anwälten und vor Gericht.

Das historische Kuriosum, wonach der Cupsieger nicht nur den Pokal, sondern auch das Durchführungsrecht des nächsten Anlasses gewinnt, macht die Cup-Regatta zu einem reichlich dotierten Jackpot. Im Gegensatz zu früheren Gewinnern zog Bertarelli eine klare Trennung zwischen dem Sportteam Alinghi und der Organisationsstruktur. Er gründete die Firma America's Cup Management (ACM), die von seinem Jugendfreund und Ex-Alinghi-Direktor Michel Bonnefous geleitet wird.

Dessen Hauptaufgabe ist so einfach wie komplex: Den 32. America's Cup zu organisieren und zu modernisieren. Mehr als 200 Mio Euro stehen dem dynamischen Genfer für diese Aufgabe zur Verfügung, einbezahlt von der Stadt Valencia und mehreren Grosssponsoren.

Kommerz über alles: Der Cup wird zum Dauerereignis

Eine der entscheidenden Neuerungen des ACM ist die Einführung so genannter Pré-Regatten. Diese finden während dreier Jahre vor dem eigentlichen Cup statt. Sie dienen den Teams als Kräftevergleich und den Sponsoren als lang anhaltende Plattform. Der Cup als Dauerereignis ein Novum und ein geschickter Schachzug, von dem in erster Linie Alinghi profitiert. Denn als Defender ist der Cupsieger automatisch fürs nächste Finale gesetzt und kann an den Ausscheidungsrennen nicht teilnehmen. Das wurde 2003 Neuseeland zum Verhängnis: In Ermangelung von Vergleichsregatten wusste Team New Zealand nie, wo es stand.

Das wird den Schweizern nicht passieren: Mit Ausnahme der Qualifikationsrennen im Frühling 2007 können sie an den Pré-Regatten in Valencia, Malmö und Trapani teilnehmen und so wertvolle Erfahrungen sammeln.

Schock überwunden: Drei Viertel wieder mit dabei

Obwohl der Verlust von Russell Coutts die grosse Alinghi-Crew zunächst geschockt hat, scheint der Verteidiger die Krise überwunden zu haben. Alinghis Vorteil ist die Tatsache, dass drei Viertel der siegreichen Crew zusammengeblieben sind. Das Team hat sich aber auch in diversen Bereichen verstärkt. «Wir haben die Besten der Welt in ihrer Spezialität», schwärmt Grant Simmer, stellvertretender Generalmanager von Alinghi. Mit Ed Baird wurde einer der weltbesten Steuerleute angeheuert; zum Team gestossen ist der Spanier Jordi Calafat, 1992 Olympiasieger in Barcelona. Für das Designteam unter der Leitung des Holländers Rolf Vrolijk konnten der Däne Michael Richelsen und der Amerikaner Kurt Jordan verpflichtet werden.

Pré-Regatten 2005

Im Juni gehts los

Valencia (Spanien)

Act 4: Fleet Race 16. bis 22. Juni

Act 5: Match Race 24. bis 26. Juni

MalmöSkane (Schweden)

Act 6: Match Race 25. August bis 1. September

Act 7: Fleet Race 2. bis 4. September

Trapani (Italien)

Act 8: Fleet Race 29. Septemberbis 6. Oktober

Act 9: Match Race 7. bis 9. Oktober

In Valencia entsteht «Alinghi-City»

Schweizer Flagge weht: Homebase für 10 Millionen Franken

Alinghi kann heute auf Vorteile zurückgreifen, die es als Herausforderer (Challenger) noch nicht hatte: Das Vorhandensein einer kompletten Logistik, eine intakte und erfahrene Mannschaft sowie ein Designteam, das 2003 den schnellsten Cupper entwickelte. Zudem steht der Defender nicht wie die Konkurrenz unter Zeitdruck.

Alinghi wird in Valencia zweifelsohne das Mass aller Dinge sein, nicht nur im sportlichen Bereich: Für 10 Mio Fr. entsteht im Hafen eine Basis, die Alinghis Vormachtstellung auch optisch manifestieren wird. Auch nach Russel Coutts Abgang als Skipper bleiben die Schweizer die Favoriten: «Ich setze auf Alinghi», sagt Jesper Bank, Skipper und Steuermann der deutschen Challenge Fresh Seventeen. «Aber nicht mehr ganz so viel Geld, wie wenn Coutts noch dabei wäre.»