Die Entscheidung ist gefallen. Von acht Interessenten für hundert Schnellladestationen an Rastplätzen entlang der Nationalstrassen haben sich fünf Bieter durchgesetzt: Gottardo Fastcharge, Groupe E, Primeo Energie zusammen mit Alpiq sowie der Tankstellenbetreiber Socar. Und als einziger ausländischer Alleinbetreiber das niederländische Unternehmen Fastned.
Einziger Alleinbetreiber aus dem Ausland
Jeder der fünf bekommt je zwanzig Stationen zugesprochen. So kommt Bewegung in den Schweizer Markt, in dem seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig das E-Auto als das Zukunftsthema der Mobilität angepriesen wird. Mittlerweile zeigen alle namhaften Hersteller auf den Automessen dieser Welt – wie auch dieser Tage am Genfer Autosalon – ihre Errungenschaften. Angepriesen werden sie als Null-Emissions-Fahrzeuge: klimaschonend, leise, schnell und bezahlbar.
Audi startete in Genf eine Hybrid-Offensive und stellt ein SUV-Coupé mit Batterie vor. Der SUV T-Roc von VW verkauft sich jetzt schon so gut wie der Polo. Und Citroën kommt mit einem neuen E-Car-Sharing-Konzept an den Stand. «Jetzt wird es rasch gehen, die Schweiz hat eine Affinität zur grünen Wirtschaft, zu E-Mobilität – und ist ein Transitland, das die Infrastruktur für E-Autos benötigt, um die strombetriebene PKW-Nutzung attraktiver zu machen», sagt der Chef des Ausschreibungsgewinners Fastned, Michiel Langezaal.
Investitionsvolumen: 50 Millionen Franken
Rund 10 Millionen Franken nimmt Fastned in die Hand, um die Schnelllader hierzulande zu installieren. Die gleiche Summe müssen auch die anderen erfolgreichen Mitbieter stemmen.
Im September 2018 kam es zur Ausschreibung für den Betrieb der hundert Ladestationen. Astra bevorschusst die Investition mit 50 Millionen Franken. Die Ausschreibungsgewinner müssen den Betrag über maximal dreissig Jahre an Astra zurückzahlen. Bevor Astra den fünf Bietern das finale Go geben kann, dauert es aber noch etwas.
Die unterlegenen Mitbieter haben Gelegenheit zur Einsprache gegen den Entscheid. «Womit man üblicherweise bei solchen Vergaben auch rechnen muss», sagt Astra-Sprecher Thomas Rohrbach. Meist deshalb, weil diese auf dem Rechtsweg ihre Offerte-Kosten zurückholen wollen. Erst danach könne man mit dem Rollout der Schnelllader loslegen.
Potenzial für weiteren Ausbau
Dass unter den lokalen Mitbietern als einziger Alleinbetreiber auch eine ausländische Firma zum Zug kommt, fällt auf. Erklärbar ist das dadurch, dass eines der Auswahlkriterien die Erfahrung mit bereits instand gestellten Schnellladeinfrastrukturen ist. Schnelllader sind besonders praktisch, weil sie hundertmal schneller laden als die Steckdose daheim.
Fastned hat damit Erfahrung. In den Niederlanden hat die Firma 88 Schnelllader in Betrieb. In Deutschland sind es zehn, diese Zahl will Fastned in den nächsten Monaten vervielfachen. Und: «In der Schweiz wollen wir auf gut hundert Schnellladestationen ausbauen», sagt Langezaal, «zusammen mit unserem Partner ABB, der Technologie und Software liefert.» À la longue peilt Fastned tausend Ladestationen in Europa an.
Latente E-Skepsis
Damit E-Autos auch weiter als bis zum Kindergarten und zur Arbeit fahren können, braucht es ein flächendeckendes Ladenetz für Überlandfahrten. Untersuchungen zeigen, dass pro zehn E-Autos nur ein öffentlicher Ladepunkt notwendig ist. Beim Schnellladen rechnet das Schweizer Forum Elektromobilität mit einem Bedarf von 150 Ladepunkten pro 400 000 PKW. Das entspricht 10 Prozent der Schweizer Autoflotte. Allerdings werden E-Autos erst von etwas über 2 Prozent aller Autofahrer genutzt – also genügend Luft nach oben.
Offenbar sind Schweizer Autofahrer nach wie vor zurückhaltend, wenn es um Strom statt Treibstoff geht. Auch wenn der Fortschritt aus der einstigen Nischentechnologie patente Personenwagen gemacht hat, reagieren viele auf den E-Hype mit Skepsis: zu teuer, zu geringe Reichweite, keine zuverlässigen Batterien, zu lange Ladezeiten.
Bald europaweit Spitze
Das ist jetzt alles nur noch ein Mythos. «Mit hundert zusätzlichen Schnellladern auf den Autobahnen werden wir europaweit zur Spitze gehören», sagt Rohrbach. Je unkomplizierter man ein Auto laden könne, desto einfacher falle die Kaufentscheidung.
Freilich ist die Batterie eines E-Autos mit 10 000 Franken noch teuer.Aufgrund der bevorstehenden Massenproduktion rechnen Experten bis 2020 aber mit einer Halbierung. Auch die Leistung ist kein Grund zur Sorge mehr: Herr und Frau Schweizer fahren im Schnitt pro Tag 38,5 Kilometer. Ein Elektroauto schafft mit einer Ladung bis zu 150 Kilometer.
Wenn es einmal schnell gehen muss, lässt sich ein E-Fahrzeug an einem Schnelllader in fünf Minuten so weit nachladen, dass es für 40 Kilometer reicht. Die fast volle Batteriekapazität wird in 15 bis 30 Minuten erreicht. Obendrein sind die Akkus mit mehr als tausend Ladezyklen mittlerweile sehr haltbar. Das ist Saft für 150 000 Kilometer über den gesamten Lebenszyklus einer Batterie.
In Kalifornien ist sogar per Gesetz festgelegt, dass die Batterien über 160 000 Kilometer halten müssen. Globale Akku-Hersteller haben deshalb ihre Batterien auf diese Reichweite ausgerichtet, also auch bei denjenigen Batterien, die hier in der Schweiz verkauft werden. Und wenn es einmal kalt wird, zeigten Tests bei Volvo im winterlichen Schweden, dass Lithium-Ionen-Akkus auch bei Tiefsttemperaturen gute Resultate liefern.
Gespräche über Bezahl-Lösungen
In Teilgebieten der Schweiz erzielte die E-Mobilitäts-Industrie bereits im Vorfeld der Astra-Vergabe gute Ergebnisse. Mendrisio im Tessin ist die Pioniergemeinde mit E-Autos. Um die Jahrtausendwende wurden dort 400 E-PKW an Private verkauft, achtzig Lader errichtet und deren Nutzung erforscht.
Das Ergebnis, welches auch für das jetzige Rastplätze-Projekt gilt: Mit der scheinbar geringen Zahl von hundert Schnellladern in der Schweiz verhilft man der E-Mobilität bei Überlandfahrten zum Durchbruch und Fahrern zu mehr Mut zum E-Car. Wer sich zudem eine halbe Stunde Zeit nimmt, um die Batterie komplett aufzuladen, hat auch noch Zeit für ein Zvieri, einen Kaffee oder eine WC-Pause. Nur Raststätten sind in dieser Hinsicht besser ausgestattet als Rastplätze am Strassenrand.
Von 59 Raststätten in der Schweiz haben 24 einen Schnelllader installiert. Auch hier gibt es noch Raum für neue Steckdosen für E-Karossen. Bezahlt wird der Strom für den «Tank» künftig entweder über die Betreiberplattform oder eine Lade-, Debit- oder Kreditkarte. Einige Betreiber befinden sich bereits in Gesprächen mit Finanzinstituten darüber, wie in der Schweiz die Kilowattstunde für E-Fahrer abgerechnet und bezahlt werden soll.