Hätte ich bloss nicht «Ja, installieren» geklickt, als das Handy mich zu einem System-Update aufforderte. Noch tagelang verfluchte ich die Entscheidung. Denn danach war mein Handy offline. Und eine Odyssee begann.  

Am Montag vor einer Woche um 9 Uhr 59 telefonierte ich ein letztes Mal. Dann kam das Update. 18 Minuten später war die Leitung tot. Mein Galaxy-S10-Handy startete zwar noch problemlos, das Login für die Sim-Karte erfolgte korrekt. Und dennoch klappte die Verbindung zum Swisscom-Netz, meinem Provider, nicht mehr. Weder automatisch noch manuell. Es war, als bleibe das Gerät im Flugmodus. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Folgen eines Handy-Blackouts sind für einen Berufstätigen dramatisch. Ohne Handynetz verliert man den Zugang zu seinem Kalender, zu seinen Mails, zu laufenden Telefonkonferenzen, zu allem. Man ist nicht mehr erreichbar. Ohne Zugang zum 4G-Netz kann man weder Support-Telefonnummern finden, geschweige denn dort anrufen.

Erste Hilfe mit einem Hotspot

Unterwegs im Zugabteil erklärte sich ein freundlicher Sitznachbar bereit, mir zu helfen. Er verschaffte mir einen Hotspot-Zugang zum Internet. Und dennoch bekam das Handy keinen Swisscom-Netzempfang.

Später lieh mir der Nachbar sogar sein Handy, damit ich bei Swisscom anrufen konnte, um das Problem zu klären. Es wäre ja möglich gewesen, dass die SIM-Karte blockiert ist. Doch der Provider bestätigte, dass die Karte aktiviert sei. Das Problem müsse am Handy beziehungsweise am Software-Update liegen, meinte die Kundenberaterin. Ob ich vielleicht ein zu altes Handy habe?

Das liess mich stutzen. Zu alt? Ich hatte es 2019 für rund 800 Franken gekauft, damals das Topmodell von Samsung.

2019 brandneu, 2023 schrottreif? Galaxy S 10-Modelle anlässlich der Lancierung

Flach, praktisch, elegant und solide: Galaxy-S10-Modelle anlässlich der Lancierung 2019. Den Kauf bereut der Autor nicht.

Quelle: Keystone

Und vier Jahre später soll es bereits veraltet sein? Immerhin verkaufen Schweizer Händler noch immer fabrikneue S10-Handys. Für mich fühlte es sich an, als ob Samsung mich per Update enteignet hätte.

Weil mein Arbeitstag nicht stehen blieb und ich unerreichbar war, kaufte ich kurzerhand ein neues. Ein S22, erneut von Samsung. So konnte ich feststellen: Mit dem neuen Handy erhielt ich Netzzugang. Die SIM-Karte funktionierte einwandfrei. Der Fehler lag also am alten Handy und den Folgen des Updates.

«Hallo, seit 2 Tagen (neues Update) kann ich mit meinen S10 nicht mehr telefonieren und meine mobilen Daten gehen auch nicht.»

«Monkey_Doll», Handynutzer, Samsung-Forum, August 2022

Andere kennen das Problem schon

Am Abend recherchierte ich im Netz, ob das Problem bei anderen Nutzern aufgetaucht war. Und tatsächlich: Auf der Samsung-Community fand ich andere, die sich über das Gleiche beklagten. So beispielsweise ein gewisser «Monkey Doll», der am 28. August 2022 ins Forum schrieb: «Hallo, seit 2 Tagen (neues Update) kann ich mit meinen S10 nicht mehr telefonieren und meine mobilen Daten gehen auch nicht.» Er fragte nach Hilfe, bekam sie aber nicht. Man riet ihm, sich an den Samsung-Support zu wenden. Sein Problem wurde nicht gelöst.

Ein weiterer Nutzer namens «First Potter» beklagte im Samsung-Forum am Tag zuvor Ähnliches: «Ich hatte mir das neuste Update heruntergeladen, seit dem Zeitpunkt ungefähr kann sich mein Handy nicht mehr in ein Netz einwählen.»

«First Potter» beschrieb detailliert, wie er nach einer Samsung-Checkliste das Problem zu lösen versuchte. In letzter Instanz führte er ein Reset auf die Werkseinstellung durch, also das Löschen aller persönlichen Daten und Einstellungen. Dennoch half ihm das nicht. Eine Lösung erhielt «First Potter» ebensowenig von der Samsung-Community wie «Monkey Doll».

Weitere Recherchen zeigten, dass es bei Samsung-Modellen bereits 2019 zu grösseren Problemen mit Updates gekommen war. So waren damals Tausende Samsung-Nutzer in den USA ausgesperrt, berichtete etwa die Online-Zeitung «Teltarif». Und auch in Deutschland hatten Nutzer Schwierigkeiten.

Ein sehr mangelhafter Support

Jüngere Einträge als vom August 2022 fand ich nicht. Das Januar-2023-Update hatte in der Community offenbar zu keinen negativen Reaktionen geführt. War mein Handy ein Einzelfall? Auf diese Frage erhoffte ich mir eine Antwort vom Samsung-Support Schweiz. Ich meldete mich dort, obwohl ein Fust-Verkaufsberater mich zuvor von der Illusion zu befreien versuchte, ich werde Hilfe finden.

Zuerst versuchte ich es über den Samsung-Support. Dort meldete sich nach einigen Minuten eine Monika. Sie war freundlich, hatte allerdings weder eine Antwort noch eine Lösung zu bieten. Am Ende bot sie mir einen Termin für eine sogenannte Fernwartung an. Fernwartung heisst, dass sich Samsung über eine Support-App direkt in das Nutzerhandy einwählt, so wie es der IT-Support einer Firma für seine Mitarbeitende tut.

Doch später zog Samsung-Monika das Angebot zurück: «Aktuell haben wir leider keine freien Termine für die Fernwartung.» Sie schrieb, ich soll doch den Telefon-Support anrufen und dort eine Fernwartung verlangen. Warum sie ihre Meinung änderte, stellt sich später heraus: Samsung Schweiz bietet für die nächsten zwei Jahre keinen freien Slot für Fernwartung an. Dies zeigt ein Online-Tool.

Samsung-Support: Updates können blockieren

Am Telefonsupport meldete sich zuerst zweimal niemand. Nach dem üblichen Durchwählen erklang Musik und danach blieb die Leitung für einige Sekunden stumm. Kurz darauf meldete sich eine elektronische Stimme, um mich nach meiner Kundenzufriedenheit zu befragen. Ich legte zweimal auf und stellte fest: Selbst die Samsung-Hotline hat ein technisches Problem. Typisch Grosskonzern, sagte ich mir. Als Nutzer fühlt man sich ohnmächtig.

«Es ist richtig, dass Updates immer mal wieder Fehler erhalten, die Samsung dann mit einem weiteren Update zu beheben versucht.»

Ein Samsung-Support-Angestellter

Beim dritten Anlauf meldete sich tatsächlich ein Mann. Er ging mit mir die Samsung-Checkliste durch, die schon «First Potter» beschrieben hatte: Netzwerk zurücksetzen, Soft Reset (ein Art Neustart), Cache leeren, eine Samsung-Diagnose-App runterladen und durchführen. Und wenn all das nicht hilft, alle Daten extern sichern und nachfolgend das Handy auf die Werkseinstellung zurücksetzen – das sogenannte Hard Reset. Und dennoch: Auch nach dieser Tortur, die eine Stunde dauerte, konnte das Handy die Swisscom nicht finden.

Wenn dies alles nichts helfe, müsse man das Handy einschicken, sagte der Support-Mann. Eine Fernwartung durchzuführen, lehnte er – im Gegensatz zu Support-Chat-Monika – ab. Nach meinem Protest, man werde von Samsung einfach hängen gelassen, erklärte er: «Wir haben nicht die Ressourcen, um bei allen Hilfesuchenden eine Fernwartung durchzuführen.» Er habe alles korrekt gemacht. «Mein Vorgehen entspricht der Richtlinie von Samsung. Sonst hätten wir Tausende von Fernwartungen täglich», erklärte er, «das macht keinen Sinn.»  

Handy Valda

Das blockierte Handy des Autors – Auslöser für viel Frustration.

Quelle: Andreas Valda/HZ

Warten auf ein neues Update

In der Sache bestätigte er, dass es mit Software-Updates Probleme gebe: «Es ist richtig, dass Updates immer mal wieder Fehler enthalten, die Samsung dann mit einem weiteren Update zu beheben versucht.» Einen Termin nannte er nicht.

Die Chancen dafür sind allerdings klein. Die Blogger-Community berichtete kürzlich, dass von Samsung für das S10-Handy keine Updates mehr kämen: «Es könnte dies das letzte Update für die Galaxy S10-Generation sein», schreibt etwa das Online-Magazin Androidauthority.com mit Verweis auf Samsung.

Die Pressestelle des koreanischen Konzerns antwortete auf wiederholte Medienanfragen nicht. Und die Swisscom sagt, ihr seien keine generellen Probleme nach dem Januar-Update mit Samsung-S10-Modellen bekannt: «Natürlich können wir nicht ausschliessen, dass dieses Problem auch bei anderen Kunden auftreten kann, aber es scheint sich hier um Einzelfälle zu handeln, ansonsten wäre uns dies bekannt.»

Manipulativ beschleunigte Alterung

So habe ich das S10- Handy abgeschrieben. Ich wurde Opfer der sogenannten technischen Obsoleszenz. In der ökonomischen Literatur sind dafür etliche Beispiele zu finden, von Glühbirnen, die vorzeitig altern, über Druckerpatronen, die per Software blockiert werden, bis zu iPhones von Apple, die manipulativ vorzeitig den Geist aufgegeben haben. Auch Samsung wurde 2020 schon mit einer Millionenbusse belegt. Es ging da um vorzeitig gealterte Akkus.

Dass Samsung mich mittels Software-Update quasi zum Kauf eines neuen Handy gezwungen hat, verärgerte sehr. Dass der Support nicht funktionierte, kommt noch obendrauf. Kleine Nutzer, lautet mein Fazit, sind Big-Tech-Konzernen ausgeliefert.

Update vom 9. Februar:

Die Samsung-Pressestelle hat sich nachträglich gemeldet. Sie sagt, die Presseanfragen der «Handelszeitung» seinen im Spam-Order untergegangen: «Ein Spamproblem hat die Weiterleitung während einigen Tagen verhindert.».

Man bedauere den geschilderten Vorfall. Samsung sagt, man gehe von einem Einzelfall aus. «Von einem weiteren Fall haben wir keine Kenntnisse.» Was ein weiteres Update betrifft, sagt Samsung, man garantiere «fünf Jahre lang Sicherheitsupdates nach Launch des Geräts». Für das erwähnte S10 werde bis Juni 2023 ein weiteres Sicherheitsupdate erwartet.

Zur geschilderten Fernwartung sagt die Pressestelle, es gebe «kein Online-Buchungstool». Auch sei falsch, dass es für die nächsten zwei Jahre keinen freien Slot zur Fernwartung gebe.

Dieser Darstellung widerspricht die Redaktion. Online kann man als Kunde nach einem Anmeldungsprozedere auf ein Online-Buchungstool gelangen. Ein Kalender erscheint, man wird aufgefordert einen geeigneten Tag zu finden, aber kein Slot ist ersichtlich.

Schliesslich betont Samsung, dass der HZ-Autor auf das Angebot des Support-Manns, «das Gerät für eine Reparatur und eine genaue Prüfung einzusenden, verzichtet hat».