Was Tidjane Thiam nach Amtsantritt als neuer Chef der Credit Suisse anordnete, wirkte wie ein verspäteter, aber dringender Frühlingsputz. Die Führung der Grossbank strukturierte er komplett um. Er holte statt alten Gefolgsleuten des Vorgängers Brady Dougan eigene Weggefährten ins Boot und kündigte einen rigorosen Strukturwandel an.
Dementsprechend euphorisch war denn zu Anfang die Befindlichkeit in der CS. «Die Stimmung hat komplett gedreht, alles ist sehr hoffnungsvoll», schwärmte ein Mitarbeiter kurz nach dem Amtsantritt. Es sei, als hätte man einem nach langer Zeit ein schweres Gewicht von den Schultern genommen, erzählte eine andere Mitarbeiterin begeistert.
Stimmung kippte schnell
Doch der Wind hat gedreht. Stellenstreichungen, Milliardeneinsparungen und ein tiefrotes Ergebnis 2015 liessen die Stimmung bei der Credit Suisse schnell kippen. Der Aktienkurs der Bank befindet sich seit Monaten auf Talfahrt und hat auch seit dem Antritt Thiams nochmals verloren. Meldungen, dass der Konzernchef innerhalb der Bank an Rückhalt verliert, häufen sich. Statt wie noch vor kurzem als Hoffnungsträger, wird er inzwischen immer öfter als Totengräber der altehrwürdigen Kreditanstalt bezeichnet.
Aber genauso wie ein Erfolg nicht das Verdienst eines Mannes ist, ist auch ein Misserfolg nicht nur Thiam zuzuschreiben. Wer die Schuld allein bei ihm sehe, denke nicht weit genug, urteilt ein nicht unwichtiger Grossinvestor. David Herro, Investmentchef für internationale Aktien bei Harris Associates, findet die Schritte, die Thiam ergriffen hat, gerechtfertigt.
Grossinvestor stützt CS-Chef Thiam
Das US-Fondshaus ist seit zehn Jahren in der Schweizer Grossbank investiert und hat laut eigenen Angaben den Aktienanteil jüngst von 5,17 auf 8,5 Prozent erhöht. Das eigentliche Problem, so liess sich Herro in der «Finanz und Wirtschaft» zitieren, liege nicht beim Chef, sondern beim Verwaltungsrat der Bank. Die Bank habe das Potenzial, wieder richtig erfolgreich zu werden. Doch dafür brauche es im Aufsichtsgremium Personen, die das Geschäft verstehen und sicherstellen, dass es nicht mehr zu groben Fehleinschätzungen kommt.
Ein ehemaliger Credit-Suisse-Kader stimmt dieser These zu. «Im Verwaltungsrat der Bank sitzen zu viele ehemalige Dougan-Boys und -Girls.» Leute also, die denken und arbeiten wie der ehemalige Bankchef – und anders als Thiam. «Um wirklich etwas herumzureissen, braucht es nicht nur in der Geschäftsleitung, sondern eben auch im Verwaltungsrat ein klares Umdenken», so der Insider.
«Dem VR fehlt eine klare Linie»
Das sei in der aktuellen Konstellation nicht wirklich möglich. Auch Präsident Urs Rohner liefere in dieser Hinsicht nicht. So war er etwa bei der Präsentation der Jahresergebnisse im März abwesend, in der Öffentlichkeit zeigt er sich seit dem Amtsantritt des neuen Chefs Thiam nur selten.» Dem Verwaltungsrat fehlt ein Gesicht und eine klare Linie», so ein anderer Branchenkenner.
Zwar seien die Mitglieder auf dem Papier teilweise durchaus fähig – doch bisher hätten sie versagt, als es darum ging, die Bank vor Fehlentscheiden zu bewahren. Jetzt, darin ist man sich am Finanzplatz einig, müsse das Gremium einige Gänge hochschalten und die Führung der Bank bei der Umsetzung der neuen Strategie unterstützen. Nur so gelinge es Thiam, trotz starkem Gegenwind aus dem eigenen Konzern den Umbau voranzutreiben. Doch wer sind die Frauen und Männer im Verwaltungsrat?
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