Seit geraumer Zeit wirbt die Erdölvereinigung mit Inseraten, Plakaten und TV-Werbung für ihre Ressource. Offenbar müssen Herr und Frau Schweizer davon überzeugt werden, dass das Öl uns so schnell doch nicht ausgeht. Die Erdöl-Branche kann eine gewisse Nervosität nicht verbergen. Ölheizungen werden heute zu Schleuderpreisen verhökert. Für wenige tausend Franken sind Heizkessel zu haben. An der «Hardware» verdient kaum mehr jemand, die fehlenden Margen werden mit dem Verkauf von Serviceabonnements wettgemacht. Doch der Trend in Richtung alternative Heizsysteme ist unaufhaltbar. Schon heute ist jedes zweite neue Einfamilienhaus mit einer Wärmepumpe bestückt.

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Und dennoch ist die Schweiz nach wie vor stark vom Erdöl abhängig. Laut Eberhard Jochem vom Centre for Energy Policy and Economics der ETH Zürich deckt Erdöl 47% des Primärenergiebedarfs ab. Der Strassen-, Luft- und Schiffsverkehr ist zu fast 100% von Erdöl abhängig. Jochem hält dies für problematisch, weil sich die Erdölproduktion immer stärker im Nahen Osten konzentriert. Eine Region, die politisch mehr denn je einem Pulverfass gleicht.

Ab 2025 wird Öl echt teuer

Wie schnell der Ölengpass kommt, ist zwar unklar. Entscheidender ist die Frage, wie lange Erdöl erschwinglich bleibt. Zwar rechnen Experten an der ETH Zürich erst ab dem Jahr 2025 mit happigen Preissteigerungen. Dann soll das Produktionsmaximum der globalen Erdölproduktion erreicht sein. Solche Berechnungen stützen sich auf die so gennant «proven reserves». Doch das Beispiel des Ölgiganten Shell zeigt, dass diese nicht alle so «bewiesen» sind, wie der Name es versprach. Shell hat diese Reserven seit Jahresbeginn viermal nach unten revidiert. Falls Shell kein Einzelfall ist, sind die nachgewiesenen Ölreserven um einiges kleiner als angenommen. Preisausschläge nach oben könnten damit häufiger werden.

Die lachenden Dritten

Der International Energy Outlook 2004 des US Energy Department weist Gesamtreserven aus, die für rund 80 Jahre reichen sollen. Darin sind die «erwiesenen, «technischen» und die «unentdeckten» Reserven enthalten. Zieht man die unentdeckten Vorräte ab, geht das Erdöl in 30 Jahren zur Neige.

Laut British Petroleum sind weltweit noch 1047 Milliarden Fässer Öl übrig. Pro Sekunde werden heute 876 Fässer Öl verbraucht. Tendenz steigend. In der Schweiz waren es 2002 gemäss dem Bundesamt für Energiepolitik über 11 Mio t. Weil die Nachfrage jährlich steigt heuer um prognostizierte 2,5% , viele der grossen Erdölfelder den Zenit überschritten haben und neue Felder nur zu höheren Kosten anzuzapfen sind, sind steigende Erdölpreise so sicher wie das Amen in der Kirche. Ausser, neue Technologien würden dazu führen, dass die Nachfrage nach Öl spürbar abnimmt.

Doch es gibt auch lachende Dritte. Jene, die dem Öl schon lange abgeschworen haben und auf alternative Energieträger setzen. So nimmt das Interesse der Autoindustrie an Erdgasautos stetig zu. Dieses Jahr kommen zwei neue Marken mit Erdgasautos auf den Markt. «Mit Erdgasautos können sich die Autobauer zwar nicht so stark profilieren, weil die Technologie bekannt ist. Doch das Interesse ist geweckt, weil Erd- und Biogas die einzig funktionierende Ersatzressource ist für Öl», so Ralph Tschopp von der gasmobil AG.

Auch die Natur ist der Entwicklung dankbar. Wird weniger Öl verwendet, sinkt der CO2- Ausstoss. Wie stark neue Heizsysteme helfen können, die CO2-Belastung zu reduzieren, zeigt ein Vorschlag für das umstrittene Stadion Zürich. Heizen mit Abwasser, dafür mehr Parkplätze, lautet die einfache Losung.

Feuerungsanlagen: Tierfett, Klärschlamm und Pneus heizen Zementöfen

Clever, wer schon in der letzten Ölkrise umgestellt hat. Zu diesen gehört der Zementproduzent Holcim. Die Zementherstellung ist äusserst energieintensiv. Mit einer Flammentemperatur von 2000¡ wird das Material, aus dem später Zement entsteht, auf 1450¡ erhitzt. Bis in die 70er Jahre war Holcim sehr stark vom Öl abhängig. Heute ist man es bei der Schweizer Tochtergesellschaft noch zu 10%. Zwar wird als Primärbrennstoff noch zu 50% Kohle verwendet, doch rund 40% der Energie kommen aus alternativen Energieträgern: Zu einem grossen Teil sind das Trockenklärschlamm, Tiermehl, Tierfett und Pneus. In Zahlen: Im Jahr 2003 hat Holcim 155000 t fossile Brennstoffe verbrannt, doch die alternativen Energiespender sind bereits bei 140000 t angelangt. Grund, die Zementproduktion vom Öl unabhängiger zu machen, war allerdings nicht nur die Energiekrise der 70er Jahre. «Ein wichtiger Faktor ist auch die CO2-Vereinbarung», erklärt Sprecher Markus Gerber. Es sei sinnvoll, die Brennmaterialien weiterzuverwerten. Man spare natürliche Ressourcen und habe die Produktionskosten leicht senken können. Eine Einschränkung gibt es: «Die alternativen Energieträger dürfen die Qualität des Zementes nicht beeinträchtigen.»

Wärmepumpen: Die Schweiz ist ein Musterland

«Jeder Cent, den das Öl teurer wird, schiebt unseren Verkauf an», schwärmt Artur Rodecker, Bereichsleiter der Wärme/Kältetechnik bei der Schulthess Group. Rodecker ist Mitbesitzer der zu Schulthess gehörenden Alpha-Innotec, welche die Wärmepumpen produziert. Die Sparte hat 2003 einen Umsatzsprung verzeichnet und steuert 20% des Umsatzes von Schulthess bei, in Bälde sollen es 30% sein. Die Schweiz ist ein eigentliches Pionierland, was Wärmepumpen angeht. Über die Hälfte der neuen Einfamilienhäuser werden mit Modellen dieser Heiztechnologie ausgerüstet. In Europa sind es 10%. Weil bei steigenden Ölpreisen auch die Strompreise als alternative Energiequelle in die Höhe klettern, ist ein Einsatz von Wärmepumpen als Heizquelle doppelt interessant. Mit einem Wirkungsgrad von 300 bis 400% brauchen Hauseigentümer drei- bis viermal weniger Energie, um ein Objekt zu beheizen. Heizsysteme mit Wärmepumpen beziehen bis zu 75% der Energie aus der Umwelt. Das System kommt in drei Grundausführungen daher: Entweder entnimmt es die Wärme der Luft, dem Wasser oder dem Boden. Dass Wärmepumpen in der Schweiz boomen, bestätigt Peter Egli von Calmotherm: «Solche Baugesuche haben in den letzten Monaten um 15 bis 20% zugenommen.» Zwar sei der Einbau einer Wärmepumpe teurer als Gas- oder Ölheizungen, doch der Unterhalt viel günstiger.

Abwasserwärme: Ein Ausweg im Zürcher Stadionstreit?

«Abwasserwärme ist die wirtschaftlichste und ökologischste Heiztechnik, im Betrieb selbst günstiger als eine Gasheizung», weiss Urs Studer, Inhaber der Rabtherm AG in Zürich. «Je höher der Ölpreis, desto besser für unsere Nachfrage», schmunzelt er. 1996 schon hat sein Ingenieurbüro begonnen, sich mit Abwasser als Heizquelle zu beschäftigen. Heute ist das System patentiert, die ersten Anlagen in der Schweiz und in Deutschland sind installiert. So unter anderem in 900 Wohnungen in Zürich Wipkingen. «Vernünftig nutzen lässt sich die Abwasserwärme ab 100 kW Heizleistung», erklärt er. Das entspricht etwa 4 Mehrfamilienhäusern. Um 100 Wohnungen zu beheizen, benötigt man das Abwasser von rund 250 bis 300 Wohnungen. Das System ist simpel: Mit einem Wärmetauscher, der in die Kanalisation gelegt wird, wird dem Abwasser die Wärme entzogen. Die Energiequelle ist quasi gratis. In diesen Tagen ist Studer auf die Stadt Zürich zugesteuert. «Das neue Fussballstadion wäre prädestiniert für unser System.» Denn ein riesiger Abwasserkanal liegt unmittelbar neben dem Stadion. Noch offen ist, ob der Rabtherm mit ihrem Vorschlag der grosse politische Brückenschlag gelingt. Denn: Wird das Stadion mit Abwasserwärme beheizt, könnten riesige Mengen an CO2- Ausstoss eingespart werden. «Pro 100 kg CO2 weniger einen Parkplatz mehr», lautet Studers Kompromiss. Wer reagiert?

Erdgasautos: 30 Prozent günstiger im Gebrauch

Ralph Tschopp von der gasmobil ag hat gar nichts gegen hohe Erdölpreise. «Je länger und je häufiger der Erdölpreis nach oben ausschlägt, desto besser für unsere Industrie», umreisst er den Einfluss des steigenden Rohölpreises auf den Absatz von Erdgasautos. Zwar kurven heute erst 730 Erdgasfahrzeuge auf den Schweizer Strassen herum. Doch das sind doppelt so viele wie noch vor einem Jahr. 2010 sollen es 30000 sein, 2020 500000. Man spüre den Aufschwung, so Tschopp: «Zurzeit sind wir im Gespräch mit verschiedenen Schweizer Grossbetrieben, die ihre Firmenflotten teilweise mit Erdgasfahrzeugen ausrüsten möchten.» Ein Engpass ist momentan noch das Tankstellennetz. Bis 2006 sollen allerdings 100 Zapfsäulen in Betrieb sein. Heute sind es 40. Ein Erdgasauto ist rund 3000 Fr. teurer bei der Anschaffung. Da der Treibstoff (Erd- und Biogas) aber gemessen am aktuellen Benzinpreis 30% billiger ist, amortisiert sich der Mehrpreis beim Kauf des Autos in rund acht Jahren. Diese Zeit wird sich allerdings verkürzen, wenn 2007 die Mineralölsteuer auf Erdgas reduziert wird. Der Betrieb von Erdgasautos wird dann noch einmal um 10% günstiger werden. Heute bieten bereits Citroën (3 Modelle), Fiat (4), Opel (2), Mercedes-Benz (1), Peugeot (1), Volvo (3) und Iveco (1) mit Erdgas betriebene Autos an. «Zwei neue Marken kommen noch dieses Jahr dazu», verrät Tschopp.

Fakten zum Öl: Teurer, halb so teuer wie vor 30 Jahren

In den letzten sechs Wochen stieg der Benzinpreis in der Schweiz von 1.25 auf 1.48 Fr. Pro Tag werden laut Internationaler Energieagentur (IAE) durchschnittlich 80,6 Mio Fass nachgefragt. Die USA verbrauchen einen Viertel des weltweit geförderten Öls. China hat im ersten Quartal 2004 40% mehr Öl importiert als im ersten Quartal 2003. Die Chinesen haben ihren Verbrauch innert zehn Jahren verdoppelt und sind mittlerweile die zweitgrössten Nachfrager.

Öl ist inflationsbereinigt heute halb so teuer wie in der Energiekrise der 70er Jahre. Ein Barrel Öl kostete damals 80 Dollar, heute sind es «erst» 40 Dollar. Der Westen hat die Abhängigkeit vom Öl seit den 70er Jahren reduziert. Der Import von Rohöl in den OECD-Ländern beträgt heute nur noch 4% aller Importe. 1970 waren es noch 13%. 26 der 40 Mega-Ölfelder, welche die Hälfte der weltweiten Ölreserven beherbergen, befinden sich in der Golfregion.