Vor den Toren der Stadt Zürich wird die Amag-Gruppe einen grosszügigen Neubau errichten, in dem fünf der sechs vertretenen Marken in einem Haus präsentiert werden. Kommt diesem Projekt Pilotcharakter zu?
Roland Frauchiger: Wir verfügen bereits über einige Garagenbetriebe, welche mehrere Marken aus unserer Gruppe vertreten. In früheren Jahren wurden zum Beispiel die Marken VW und Audi sogar in gemeinsamen Ausstellungsräumen verkauft. Neu ist am geplanten Neubau, dass die vier Marken unter einem gemeinsamen Dach einen absolut eigenständigen Auftritt haben werden. Hinter den Kulissen jedoch können wir Synergien nutzen.
In jüngster Zeit pochen vor allem Premium-hersteller verstärkt auf exklusive Marktauftritte ihrer Händler. Sind diese notwendigen Investitionen angesichts der eher geringen Stückzahlen dieser Fahrzeuge in der Schweiz noch finanzierbar?
Frauchiger: Der Trend geht heute eindeutig zu mehr verkauften PW pro Händler. Anderseits bedingt eine repräsentative Präsenz der Marke eine minimale Betriebsgrösse, verbunden mit den entsprechenden Investitionen. Das Volumen pro Händler muss zwangsläufig in Zukunft steigen, begleitet von einer tendenziell sinkenden Anzahl an Händlern.
Die GVO-Bestimmungen hätten eigentlich den Schweizer Automarkt verändern sollen. Garagisten konnten zu Mehrmarken-Händlern mutieren, aber nur wenige wagten diesen Schritt. Hat die GVO überhaupt noch eine Wirkung im hiesigen Automarkt?
Frauchiger: Sehr viel hat sich unter der GVO-Verordnung nicht verändert, der Fahrzeugverkauf und das Werkstättengeschäft waren schon vorher hart umkämpft in der Schweiz. Die Hoffnung gewisser Kreise, dass die GVO die Preise nach unten verändern werde, hat sich angesichts der ohnehin knappen Margen nicht erfüllt. Man kann jedoch europaweit feststellen, dass eine gewisse Preisharmonisierung bei den Personenwagen eingetreten ist. Bei einem korrekten Preisvergleich sind kaum mehr ins Gewicht fallende Unterschiede festzustellen.
Sind völlig neue Vertriebswege im Schweizer Handel denkbar? Beispiele sind Warenhäuser, Discountanbieter – Stichwort ist hier Ottos – oder andere?
Frauchiger: Zum Thema Otto’s: Das Unternehmen verfügt über einen umfangreichen Fahrzeugpark, den es zu einem grossen Teil bei uns einkauft und nach einer gewissen Nutzungszeit selber veräussert. Insofern stellt Otto’s keinen neuen Vertriebsweg dar, vielmehr entstand hier ein zusätzlicher Occasionshändler. Es gibt auch andere Unternehmen in der Schweiz, welche ihre eigenen Gebrauchtwagen selber verkaufen.
Wie entwickelte sich die Ertragslage im Garagengewerbe in den vergangenen Jahren? Ist in Zukunft mit einem Rückgang der Anzahl Garagen in der Schweiz zu rechnen?
Frauchiger: Im Vordergrund des Schweizer Fahrzeughandels steht sicher einerseits die umfassende Kundenbetreuung, anderseits aber muss der Händler seine Kosten im Griff behalten. Wir müssen aufgrund unserer Beratungstätigkeit auch immer wieder feststellen, dass etliche Händler ihre genaue Kostenstruktur gar nicht kennen. Heute müssen die Rabatte sowie die Kalkulation der Werkstattleistungen auf die effektiven Kosten abgestützt werden. Auch beim Eintausch von Occasionsfahrzeugen muss auf die Rendite geachtet werden.
Berät die Amag ihre Händler in dieser Richtung?
Frauchiger: Wir beraten unsere Händler, wenn diese eine solche Unterstützung wünschen. Aufgrund von Betriebsvergleichen lassen sich auch verschiedene Kennzahlen ermitteln, die dem Händler wiederum helfen, seine eigene Kalkulation kritisch zu begutachten.
Im Schweizer Fahrzeugmarkt herrscht derzeit ein intensiver Preiskampf. Die neusten Modelle werden von gewissen Marken bereits mit Rabatten von etlichen zehntausend Franken angeboten. Haben wir bald amerikanische Verhältnisse in der Schweiz?
Frauchiger: Man muss sich bei solchen Rabatten die Frage stellen, ob das noch seriöse Angebote sind. Der Verdacht taucht auf, dass ein überhöhter Preis angenommen wird, der dann nach Abzug des grosszügigen Rabattes als günstig deklariert wird. Am Schluss bezahlts aber immer der Kunde.
Im Schweizer Fahrzeugmarkt haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene so genannte unabhängige Garagenketten etabliert, die ihre Dienstleistungen markenübergreifend anbieten. Welche Bedeutung kommt diesen Betrieben zu?
Frauchiger: In Fällen, in denen der Autobesitzer nicht unbedingt eine Reparatur nach Vorgabe des Herstellers sucht, sondern in erster Linie eine günstige Reparatur seines Wagens anstrebt, spielen diese Garagen durchaus eine Rolle; also eher bei älteren Autos.
Innerhalb der Amag-Gruppe sind derzeit rund 650 Auszubildende tätig. Wie schwierig ist es heute, qualifiziertes Personal im Garagenbetrieb zu finden? Und was unternimmt die Gruppe im Bereich Aus- und Weiterbildung?
Frauchiger: Gut ausgebildetes Personal ist die Investition in die Zukunft. Moderne Fahrzeuge werden immer komplexer, da darf die Ausbildung nicht hinten nach hinken. Deshalb sind rund 15% unserer Belegschaft Lernende. Mit unseren mehrjährigen Lehrgängen bieten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten, denn der Trend zur Spezialisierung gerade im Automobilsektor ist unverkennbar.
Wie zufrieden ist die Branche mit dem Ausbildungsangebot des Staates im Autobereich?
Frauchiger: Die Branche steht über den Automobilgewerbe-Verband der Schweiz, den AGVS, in engem Kontakt mit dem Bundesamt für Technologie, welches die Ausbildungsmöglichkeiten koordiniert. Wichtig ist unserer Ansicht nach, dass den jungen Auszubildenden attraktive Berufsausbildungsangebote angeboten werden, um auch in Zukunft über gute Nachwuchskräfte sowohl im Garagenbereich wie auch im Verkauf zu verfügen. Wir verstehen unser Ausbildungsangebot auch nicht als Konkurrenz zu den Angeboten von Bund und Kantonen sowie von Berufsverbänden, wir müssen den jungen Mitarbeitenden auch unser markenspezifisches Wissen vermitteln.
Wie erfolgreich waren die «Amag Open-Days» vom vergangenen Oktober, als sich alle Betriebe während eines Wochenendes der Öffentlichkeit präsentierten?
Frauchiger: Aufgrund des guten Echos werden wir diese Veranstaltung in diesem Jahr wiederholen, wir werden jedoch am Konzept noch einige Retuschen vornehmen.
Chinesische Personenwagenhersteller wollen in den kommenden Jahren auch den europäischen Markt erobern. Brilliance sucht bereits Händler in Deutschland. Ist die Vertretung einer chinesischen Marke für die Amag ein Thema?
Frauchiger: Wir wollen in erster Linie unsere enge Partnerschaft mit dem
Volkswagen-Konzern in Zukunft weiter ausbauen und unsere Kräfte auf dessen fünf Konzernmarken konzentrieren.
Das umfasst auch unverändert die Marke Audi ?
Frauchiger: Absolut, wir werden auch in Zukunft die Marke Audi in unserer Organisation vertreten.
Welche Erwartungen hat die Amag für den Schweizer Gesamtmarkt 2007?
Frauchiger: Im laufenden Jahr gehen wir von einem Absatzvolumen in der Grössenordnung von 275000 Neufahrzeugen aus. Aufgrund der vielen neuen Produkte unserer fünf Marken sind wir überzeugt, 2007 unseren Marktanteil von 22% zu halten oder gar auszubauen.
Welche Garagenunternehmen wurden im vergangenen Jahr übernommen?
Frauchiger: Im vergangenen Jahr kamen die Garagenbetriebe Eggenberger in Heerbrugg und Charles Müller in Frauenfeld dazu. Anfang dieses Jahres folgten die Autowad AG, Dulliken, und die Ofcar AG, Oftringen.
Expansionsmöglichkeiten im Schweizer Automarkt sind eher beschränkt. Hat man schon an eine Expansion ins Ausland oder an eine Diversifikation der Aktivitäten in der Schweiz gedacht?
Frauchiger: Grundsätzlich wäre eine Auslandsexpansion durchaus denkbar, doch wir sahen bisher kein Synergiepotenzial zwischen unserer Schweizer Aktivität und einem Schritt ins Ausland. Dafür bieten wir in der Schweiz ein Vollangebot in Sachen Mobilität. Neben Handel, Finanzierung und Reparaturen von Fahrzeugen sind wir auch ein erfolgreicher Lizenznehmer des Autovermieters Europcar für die Schweiz. Zudem ist auch unser Parkhaus-Geschäft zu erwähnen. Wenn man so will, verfügt die Amag-Gruppe bereits über diversifizierte Aktivitäten. Dazu zählt unser Engagement beim US-Software-Unternehmen CA, an dem wir eine massgebliche Beteiligung halten.
Die Gruppe startete die Aktion «Amag 2010». Welche Ziele verfolgt dieses Programm?
Frauchiger: Innerhalb der neuen Organisation, die seit dem 1. Januar dieses Jahres operativ ist, sind die fünf von uns vertretenen Marken – also VW, VW NF, Audi, Seat und Skoda – als weitgehend eigenständige Divisionen tätig. Damit wollen wir die Kundennähe weiter optimieren. Anderseits haben wir die zentralen Dienste für alle fünf Marken zusammengefasst, um Synergien zu erzielen. Auch auf der Kostenseite haben wir Massnahmen ergriffen, um die Struktur weiter zu optimieren; dabei konnten wir uns auf wirkungsvolle Vorschläge unserer Mitarbeitenden abstützen und auf ein Engagement externer Berater verzichten.
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Steckbrief
Name: Roland Frauchiger
Alter: 47
Familie: Verheiratet, drei erwachsene Kinder
Ausbildung: Roland Frauchiger hat an der ETH Zürich 1984 als
Betriebsingenieur diplomiert, anschliessend seine Kenntnisse als Assistent an der ETH Zürich weiter vertieft und 1989 doktoriert
Funktion: CEO der Amag-Gruppe und der Careal Holding AG, Zürich
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AMAG-GRUPPE
Nummer 1 Im inländischen Automarkt ist die Amag-Gruppe der führende Anbieter von Personenwagen und leichten Nutzfahrzeugen. Die Gruppe verkaufte 2006 insgesamt 59857 neue Personenwagen der Marken Volkswagen, Audi, Porsche, Seat und Skoda und 2488 leichte VW-Nutzfahrzeuge und erzielte mit 4252 Mitarbeitenden – davon 650 Auszubildenden – einen konsolidierten Umsatz von 3,5 Mrd Fr., dem höchsten in der Geschichte des Unternehmens.
Fünf Marken
Im Weiteren verkaufte die Amag noch einige tausend Occasionsfahrzeuge. Die fünf von der Amag in der Schweiz vertretenen Marken erreichen einen Marktanteil bei den Personenwagen von 22,2%. Die Gruppe verfügt über ein dichtes Netz an eigenen Händlerbetrieben. Gesamthaft sind es 255 Händlerbetriebe und 657 Servicepunkte, wobei jeder Händler zugleich Servicepartner ist. Die Amag ist im Besitz von Walter Haefner, der die Firma als Importgesellschaft für Volkswagen im Jahr 1945 gründete.