Der Online-Händler Amazon kauft für rund eine Milliarde Dollar die Video-Website Twitch, auf der Gamer Live-Mitschnitte vom Spielverlauf veröffentlichen können. Der Dienst kam zuletzt auf rund 55 Millionen Nutzer, von denen eine Million Videos im Netz platzierten. Der Kaufpreis liege bei rund 970 Millionen Dollar (735 Mio Euro) in bar, teilte Amazon am Montag mit. Als wahrscheinlicher Käufer war zuvor seit Mai Google gehandelt worden.

Google mit seiner mächtigen Videoplattform YouTube sei aber wegen möglicher Probleme mit Wettbewerbshütern besorgt gewesen, berichtete das Magazin «Forbes» unter Berufung auf informierte Personen. Der Branchendienst «The Information» schrieb dagegen, es habe vor allem Differenzen über die Zukunft als Teil von Google gegeben. Twitch hätte Investitionen in Grössenordnung von Dutzenden Millionen Dollar vom Google-Managern wie Finanzchef Patrick Pichette absegnen lassen müssen, hiess es. Der Deal mit dem Internet-Riesen sei zwar schon grundsätzlich ausgehandelt worden, die Gamer-Website habe aber Zweifel bekommen, ob sie sich unter dem Dach von Google und YouTube weiter dynamisch entwickeln könne.

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Als Nischenangebot gestartet

Twitch war vor gut drei Jahren eher als Nischenangebot gestartet. Über das Portal können Video-Games online gespielt werden. Andere Nutzer können das live verfolgen und miteinander chatten - eine Freizeitbeschäftigung, die vor allem junge Leute mehr und mehr anzieht. Geld soll mit Werbung für diese Zielgruppe verdient werden. Auch Apple und Google setzen auf den Spielemarkt, der für 75 Prozent aller App-Verkäufe für Smartphones und Tablets steht.

«Amazon glaubt an unsere Nutzergemeinde»

Twitch-Chef Emmett Shear betonte jetzt, unter den Fittichen von Amazon werde die Video-Website unabhängig bleiben. «Wir haben uns für Amazon entschieden, weil sie an unsere Nutzergemeinde glauben, unsere Werte und langfristige Vision teilen und uns helfen wollen, dort schneller hinzukommen.»

Das «Wall Street Journal» hatte am Montag wenige Stunden vor Bestätigung des Deals mit Amazon einen Preis von mehr als eine Milliarde Dollar genannt. Bei «The Information» hiess es, auch Google habe rund eine Milliarde Dollar bezahlen wollen.

Quartalsverlust brachte zuletzt harsche Kritik

«Es ist klar, dass Amazon mehr Inhalte auftreiben will, die es kontrollieren kann», sagte James McQuivey vom Analysehaus Forrester. Twitch passe gut zu dieser Strategie. Dabei war Amazon zuletzt stark in die Kritik geraten, weil es trotz eines um fast 25 Prozent auf 19 Milliarden Dollar gestiegenen Quartalsumsatzes Verluste auswies.

Amazon hatte dies mit hohen Investitionen in immer neue Geschäftsfelder wie Smartphones, Tablets und TV-Serien begründet. Sie sollen dem Konzern aus Seattle auf lange Sicht eine Dominanz bringen, die sich dann auch in Form hoher Gewinne auszahlen könnte. Ähnlich umtriebig ist nur noch Google - von der klassischen Suchmaschine im Internet, über das Smartphone-Betriebssystem Android, das Video-Portal YouTube, Email- und Kartendienste, selbstfahrende Autos bis hin zu einer neuartigen Datenbrille. Und der Amazon-Rivale verdient daran schon kräftig.

Amazon setzt bei seiner Expansion nicht nur auf neue Geschäftsfelder, sondern stösst auch in weitere Regionen vor. So hatte der Konzern erst Ende Juli angekündigt, zwei Milliarden Dollar in den schnell wachsenden indischen Markt zu investieren. Allerdings schläft die Konkurrenz nicht. So steht Chinas führender Online-Händler Alibaba vor einen milliardenschweren Börsengang in den USA. Der Konzern wickelt 80 Prozent aller Internet-Einkäufe in der Volksrepublik ab, die dieses Jahr auf ein Volumen von knapp 300 Milliarden Euro anschwellen dürften. Er mischt auch bei Online-Auktionen, Messaging-Diensten und der Zahlungsabwicklung mit. Für sein Wachstum außerhalb Chinas hat Alibaba zuletzt bereits rund fünf Milliarden Dollar investiert.

(awp/reuters/ccr)